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       # taz.de -- Bürgerentscheid auf Helgoland: Neuland für neue Touristen
       
       > Was man nicht alles für Touristen macht: Die Helgoländer stimmen darüber
       > ab, ob zwischen den beiden Teilen der Insel Sand aufgespült werden soll.
       
   IMG Bild: Aus 1,7 Quadratkilometern mach 2: Durch die Verbindung beider Inselteile würde Helgoland neue Fläche für Ferienanlagen bekommen.
       
       HELGOLAND taz | Die Frage erscheint simpel, die Konsequenzen allerdings
       sind beträchtlich: "Sind Sie für eine Landgewinnung durch eine Verbindung
       der beiden Inselteile Helgolands? Ja - Nein". So lautet die wichtigste
       Zukunftsfrage, die am Sonntag auf der einzigen deutschen Hochseeinsel
       geklärt wird.
       
       Die etwa 900 wahlberechtigten BürgerInnen stimmen darüber ab, ob zwischen
       der felsigen Hauptinsel und der benachbarten Badeinsel Düne aus Nordsee
       Land werden soll. Die Stimmung auf der Insel sei "offen", sagt Sabine
       Roberts, Helgoland-Beauftragte des schleswig-holsteinischen Kreises
       Pinneberg, zu dem die Insel gehört. Es gebe "durchaus lebhafte Debatten,
       aber keinen ernsthaften Streit" in der Bevölkerung.
       
       Auf einer Bürgerversammlung im April, auf der die Pläne vorgestellt worden
       waren, hatten bereits einige HelgoländerInnen vor einer Entwicklung zu
       "Events und Remmidemmi" gewarnt. Das Kapital der Insel sei Ruhe, Einsamkeit
       und frische Luft in unverfälschter Natur - das dürfe nicht aufs Spiel
       gesetzt werden.
       
       Jetzt, in der heißen Phase vor dem Urnengang, wird das Für und Wider auch
       offen demonstriert. "Ja zur Zukunft" plakatieren die Befürworter des
       Projekts, "Zwei Inseln, eine Meinung: Keine Landverbindung" lautet das
       Motto der Gegner. Der Bürgerentscheid am 26. Juni "liegt in einem
       grundsätzlichen Spannungsfeld zwischen einem 'Bewahren' und 'Verändern' der
       Insel", heißt es in einer Bürgerinformation der Gemeinde zum Referendum.
       Deshalb sei "eine Diskussion 'mit offenem Visier' nötig".
       
       ## Neuland vor allem für Ferienhäuser
       
       Die Landbrücke würde "den Charakter der Insel schon verändern", räumt der
       parteilose Inselbürgermeister Jörg Singer ein. Durch die fast 1.000 Meter
       lange und knapp 300 Meter breite Landbrücke würde Helgoland von rund 1,7
       auf gut zwei Quadratkilometer Fläche anwachsen. Die Kosten werden auf knapp
       100 Millionen Euro geschätzt, hinzu kämen noch private Investionen. "Das
       ist finanzierbar", sagt Bürgermeister Singer. Es handele sich um eine
       "gezielte Investition, die sich wieder bezahlt machen wird".
       
       Sie basiert auf einem von vier Szenarien, die in einem seit 2008
       erarbeiteten Regionalen Entwicklungskonzept (REK) vorgeschlagen werden. Das
       Neuland, auf dem Grundstücke an private Investoren verkauft oder verpachtet
       würden, soll vor allem für Ferien- und Freizeitangebote genutzt werden. Die
       Gemeinde würde ihre Investitionen aus den Erlösen und dem Tourismus
       amortisieren. Seit über zwei Jahren haben Planungsbüros im Auftrag der
       Gemeinde Helgoland, des Kreises Pinneberg und des Landes Schleswig-Holstein
       intensiv am Zukunftskonzept gebastelt.
       
       Denn die Zahl der TouristInnen ist von 800.000 vor 40 Jahren auf 300.000
       gesunken, die Einwohnerzahl von 2.700 Menschen Anfang der 80er Jahre auf
       die Hälfte. Nach einer mehr als halbjährigen Debatte auf der Insel und
       mehreren Bürgerveranstaltungen komme jetzt die Entscheidung, "und danach
       wissen wir alle, was zu tun ist", sagt Bürgermeister Singer.
       
       Das Meinungsbild in der Bevölkerung indes sei weiterhin gespalten. Man
       müsse jetzt "was Großes tun, um nicht zum Museumsdorf zu werden", Helgoland
       brauche "ein neues Erscheinungsbild, ein neues Image" ist die Position der
       Optimisten. Die Skeptiker hingegen warnen vor Hotelburgen. Die Lösung der
       Probleme sei es nicht, "in drei Monaten Sommer noch mehr Touristen
       heranzukarren", sondern "attraktive Angebote für Urlauber über das ganze
       Jahr" zu entwickeln.
       
       Wie der Bürgerentscheid ausgeht, wagt niemand vorher zu sagen. Immerhin
       konnten noch nie in Deutschland die Einwohner einer Gemeinde darüber
       beschließen, ob sie künftig trockenen Fußes übers Wasser gehen wollen.
       
       26 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
       ## TAGS
       
   DIR Helgoland
       
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