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       # taz.de -- Handy-Datenaufzeichnung: Sonderfall Dresden?
       
       > Eine massenhafte Ausspähung wie in Dresden soll es bisher bei Großdemos
       > noch nicht gegeben haben. Das jedenfalls sagen die Ermittler.
       
   IMG Bild: Die Polizeidirektion Lüneburg, zuständig für die Castortransporte, will bisher keine Handydaten von Demonstranten ausgespäht haben.
       
       BERLIN taz | Die Staatsanwaltschaft Dresden hielt es für unbedenklich, auf
       einer Großdemonstration massenhaft Handydaten zu erfassen. Immer wieder
       kommt es in Deutschland zu politischen Großereignissen. Wie gängig ist die
       Massenausspähung? Glaubt man den beteiligten Behörden, so ist Dresden eine
       absolute Ausnahme.
       
       "Bislang wurde bei keinem Castor-Transport die Funkzellenauswertung
       eingesetzt", sagt etwa eine Sprecherin der Polizeidirektion Lüneburg auf
       Anfrage der taz. Die Dienststelle leitet die Großeinsätze bei den seit
       Jahren stattfindenden Castor-Protesten in Niedersachsen.
       
       Auch im Zusammenhang mit den jährlichen Auseinandersetzungen am 1. Mai in
       Berlin wurde nach Angaben der Polizei noch nie eine Funkzellenauswertung
       vorgenommen. Hier war es 2009 zu einem Verfahren wegen versuchten Mordes
       gekommen. Eine solche strafrechtlich schwerwiegende Tat ("Katalogtat") gilt
       als Voraussetzung für die Durchführung einer Funkzellenauswertung nach der
       Strafprozessordnung. In Dresden nutzten die Behörden das Instrument wegen
       des Verdachts auf schweren Landfriedensbruch, also etwa wegen brennender
       Mülltonnen.
       
       Auch eine Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft schloss gegenüber
       der taz "definitiv aus", dass es im Zusammenhang mit der Eskalation im
       Stuttgarter Schlossgarten am 30. September 2010, als dort Polizei und
       Bürger heftig aneinandergerieten, zu einer Funkzellenauswertung gekommen
       sein könnte.
       
       Regelmäßigen Protest gibt es auch in München anlässlich der jährlich dort
       stattfindenden Sicherheitskonferenz. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft
       München sagte der taz, dass sich eine Funkzellenauswertung aufgrund der
       hohen juristischen Hürden "in der Regel nicht begründen lassen dürfte."
       
       Glaubt man diesen Aussagen, so stellt die massenhafte Auswertung von
       Handydaten in Dresden einen Einzelfall im Zusammenhang mit politischen
       Großereignissen dar. Lediglich im Hinblick auf die G-8-Proteste 2007 in
       Heiligendamm konnte das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern zunächst
       keine abschließende Aussage treffen. Faktisch überprüfen lassen sich die
       Aussagen der Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden jedoch kaum. Eine
       einheitliche Berichtspflicht, die Anlass, Zahlen und Umfang des Einsatzes
       von Funkzellenauswertungen öffentlich nachvollziehbar macht, gibt es nicht.
       
       24 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Kaul
       
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