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       # taz.de -- Merkels Atompolitik in der Kritik: Abrechnung im Bundestag
       
       > "Irrtumsbereinigungsgesetz", "Willkommen im 21. Jahrhundert" – in der
       > Plenardebatte zum Atomausstieg im Jahr 2022 hagelte es Oppositions-Kritik
       > für Kanzlerin Merkel.
       
   IMG Bild: Die Opposition warf Merkel Verlogenheit vor.
       
       BERLIN taz | Die Kanzlerin starrte demonstrativ in die Luft, als
       Frank-Walter Steinmeier losröhrte.
       
       "Es kann doch nicht sein, Frau Merkel, dass ausgerechnet Sie sich hier
       hinstellen als Erfinderin der Energiewende in Deutschland", wetterte der
       SPD-Fraktionschef in der Erwiderung auf die Regierungserklärung von Angela
       Merkel. "Das zieht einem doch die Schuhe aus!"
       
       Die Opposition warf der Regierung am Donnerstag in der Bundestagsdebatte
       zum Atomausstieg Verlogenheit und falsches Pathos vor. Er habe sich von
       Merkel "ein Wort des Bedauerns gewünscht", dafür, dass sie so spät die
       Lehren aus den Risiken der Atomenergie ziehe, sagte Steinmeier. Mit Blick
       auf die erst im Herbst beschlossene Laufzeitverlängerung sagte Steinmeier:
       "Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln, jetzt wieder zurück zu
       Rot-Grün: Was das an Verunsicherung hinterlässt, das kann im Augenblick
       keiner ermessen."
       
       ## Steinmeier: "Irrtumsbereinigungsgesetz"
       
       Merkel lege ein "Irrtumsbereinigungsgesetz" vor, sagte Steinmeier. Er ging
       die Kanzlerin auch persönlich an, mit der er selbst ab 2005 als
       Außenminister regiert hatte: "Eins werde ich nicht vergessen: Mit welchen
       Hetzreden Sie uns vor zehn Jahren durch die Lande gejagt haben."
       
       Für die Grünen redete Fraktionschef Jürgen Trittin. "25 Jahre nach
       Tschernobyl zieht jetzt auch die CDU aus Fukushima Konsequenzen", sagte er.
       "Das ist spät, aber es ist richtig." Merkel beende mit der Entscheidung
       einen langen "persönlichen Kampf" gegen erneuerbare Energien. "Sie waren
       die Dagegen-Partei", sagte Trittin. In Ländern wie Bayern oder
       Baden-Württemberg habe die Union lange den Bau von Windrädern systematisch
       behindert, jetzt rolle sie beim Ausstieg die Fahne ein. "Ich kann nur
       sagen: Gnädige Frau, herzlich willkommen im 21. Jahrhundert."
       
       ## Gysi: "Dieses Tempo zerstört die parlamentarische Demokratie."
       
       Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi kritisierte die Schnelligkeit des
       Gesetzgebungsverfahrens. Die Abgeordneten hätten in einer knappen Woche
       unmöglich das 700 Seiten starke Gesetzespaket lesen können. "Dieses Tempo
       zerstört die parlamentarische Demokratie." Er kritisierte, dass die
       Koalition dem Land noch bis 2022 die Risiken der Atomkraft zumuten wolle.
       "Dahinter steckt der Wunsch, vier Großkonzernen weiterhin Gewinne mit
       Atomenergie zu ermöglichen."
       
       Das schwarz-gelbe Paket zur Energiewende besteht aus acht Gesetzen – es
       enthält den Atomausstieg bis 2022. Die Koalition will es bis Juli von
       Bundestag und Bundesrat beschließen lassen. Die SPD signalisiert
       Zustimmung, die Grünen überlassen die Entscheidung einem Parteitag. Die
       Linke will einen Ausstieg bis 2014 und lehnt die Pläne ab.
       
       9 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Atomkraft
       
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