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       # taz.de -- CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen: Konfuse Opposition
       
       > Die Bundesminister Norbert Röttgen (CDU) und Daniel Bahr (FDP) versagen
       > als Oppositionsführer. Sie werden an Rhein und Ruhr als "Polittouristen"
       > verhöhnt.
       
   IMG Bild: Hat nicht viel Zeit, der NRW-Regierung den Marsch zu blasen: Norbert Röttgen.
       
       BOCHUM taz | Über Bundesumweltminister Norbert Röttgen, gleichzeitig
       Vorsitzender der nordrhein-westfälischen CDU, kursiert in der
       Landeshauptstadt Düsseldorf ein böses Gerücht: Um seinen Statthalter, den
       Landtagsfraktionsvorsitzenden Karl-Josef Laumann, zu erreichen, habe
       Röttgen im NRW-Arbeitsministerium angerufen. Dabei hatte Laumann seinen
       Ministersessel dort schon nach den verloren gegangenen Landtagswahlen 2009
       räumen müssen.
       
       Die Politik in seinem Heimatland habe der Minister aus Berlin auch über ein
       halbes Jahr nach seiner Wahl zum Landeschef nicht begriffen, soll das
       heißen.
       
       Röttgen sei "nebenerwerbstätiger Landesvorsitzender", der "ab und zu als
       Tourist" zwischen Rhein und Weser auftauche, höhnt nicht nur der grüne
       Landtagsfraktionschef Reiner Priggen. Auch an der CDU-Basis wächst der
       Ärger über "Merkels Besten", der nach Fukushima die Energiewende der
       Kanzlerin verkaufen muss.
       
       Röttgens Landes-CDU präsentiert sich oft chaotisch. Der Parteichef wollte
       den ersten regulären Haushalt der rot-grünen Minderheitsregierung von
       SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft durch eine Klage vor dem
       NRW-Verfassungsgericht stoppen und so Neuwahlen erzwingen.
       
       ## Nur Röttgen redet noch von Neuwahlen
       
       Sein Statthalter Laumann dagegen hat Neuwahlen abgeschrieben: Dank
       brummender Konjunktur macht Krafts von der Linken toleriertes Kabinett zu
       wenig Schulden. Jetzt fährt die CDU einen merkwürdigen Kompromisskurs: Die
       Partei klagt, verzichtet aber auf eine "einstweilige Anordnung" des
       Gerichts. Bis zu einem Urteil können Jahre vergehen. Trotzdem redet Röttgen
       noch immer von Neuwahlen. Laumann nicht.
       
       Auch in der Schulpolitik fährt die CDU keinen klaren Kurs. Zwar hat sie
       nach jahrzehntelangem Widerstand ihren Frieden mit den Gesamtschulen
       gemacht. Doch jetzt bekämpft sie die von Rot-Grün forcierte
       Gemeinschaftsschule, also den freiwilligen Zusammenschluss der von
       sinkenden Schülerzahlen geplagten Schulen gerade auf dem Land. Dabei
       fordern selbst CDU-Bürgermeister: Ohne weiterführende Schule werden ihre
       Orte für junge Familien unattraktiv.
       
       "Die CDU ist intern völlig konfus aufgestellt", sagt deshalb auch ein
       Landtagsabgeordneter der FDP, mit der die Christdemokraten bis 2009 regiert
       haben. "Die Führung der Partei ist ungeklärt." Was der Liberale
       verschweigt: Seine Partei ist in keiner besseren Lage. Auch ihr Landeschef
       Daniel Bahr sitzt als Gesundheitsminister in Merkels Kabinett im fernen
       Berlin. "Wie Röttgen ist Bahr mit seiner Doppelfunktion überlastet", sagt
       der Grüne Priggen. "Gleichzeitig Minister in Berlin und Parteichef in
       Düsseldorf - das schafft keiner."
       
       ## FDP verzettelt sich in Kleinteiligkeit
       
       Bei der FDP gibt deshalb der neoliberale Fraktionschef Gerhard Papke weiter
       den Ton vor. Doch außer der alten Leier nach Steuersenkungen fällt Papke
       nicht viel ein. Forderungen des marginalisierten Bürgerrechtsflügels
       dringen nicht durch. Stattdessen verzetteln sich die Liberalen in für die
       WählerInnen nicht mehr nachvollziehbarer Kleinteiligkeit, wollten etwa die
       wissenschaftliche Beratung der Ministerpräsidentin um 30.000 Euro kürzen -
       bei einem Haushaltsvolumen von über 55 Milliarden Euro. "Völliger Mist" sei
       die Arbeit der Landtagsfraktion, sagt ein FDPler: "Wenn die Fraktion so
       weitermacht, ist es nicht schade, wenn sie aus dem Landtag fliegt."
       
       Gestritten wird auch in der CDU. Gesteuert sei die Kritik an Röttgen,
       glauben manche. Dahinter stehe der CDU-Landesvize Armin Laschet, der im
       Kampf um den Parteivorsitz den Kürzeren zog, sagen die einen. Oder der
       Wirtschaftsflügel, der Merkels Energiewende torpedieren wolle, meinen
       andere. Eine dritte Fraktion rechnet bereits fest mit einer Niederlage im
       Bund 2013: Dann werde sich Röttgen nach NRW zurückziehen - und selbst als
       in Berlin Gescheiterter mit seiner "Medienpräsenz" gegen SPD-Chefin Kraft
       punkten.
       
       Ob diese Verzweiflungsstrategie aufgeht, ist nicht sicher: Fraktionschef
       Laumann, streuen dessen Vertraute, habe "bestimmt keine Lust", kampflos
       seinen Posten für Röttgen zu räumen.
       
       Richtigstellung: Im dritten Absatz des Original-Artikels wurde Klaus-Heiner
       Lehne, CDU MdEP, falsch zitiert mit den Worten "Röttgen ist nie da".
       Tatsächlich hätte das Zitat lauten müssen: "Wer sagt, Röttgen ist nie da,
       liegt falsch." Also das Gegenteil. Wir haben das Zitat gestrichen und
       entschuldigen uns für diesen Fehler.
       
       29 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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