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       # taz.de -- Der Thüringer HC ist deutscher Meister: Der Dreijahresplan ist aufgegangen
       
       > Bad Langensalza ist um eine Attraktion reicher: die Handball-Meisterinnen
       > vom Thüringer HC. Mit einem "Dreijahresplan" wurde die Sensation
       > vorbereitet.
       
   IMG Bild: Wer hätte das letztes Jahr gedacht: Der Thüringer HC ist Deutscher Meister.
       
       BERLIN taz | In Bad Langensalza startete am Sonntag eine Sause, das übliche
       Stadtfest. Man unterhielt sich über dies und das, am meisten aber
       diskutierte man über das Handballteam des Thüringer HC. "Wir sind Meister",
       sagten die Leute in Bad Langensalza stolz, denn ihr Team hatte sich
       ziemlich überraschend die Meisterschaft im Frauenhandball gesichert – in
       einem spannenden Finalspiel gegen den Buxtehuder SV.
       
       Ein Tor mehr, und die Bad-Langensalzaer hätten sich nicht mehr freuen
       können über den ersten Titel einer thüringischen Mannschaft in einer
       olympischen Sportart nach dem Mauerfall. Dass das ausgerechnet die
       Handballerinnen aus dem Kurort geschafft haben, "das ist ein Ding", sagt
       Aufsichtsrat Bernhard Schönau. Er ist von Beginn an beim THC dabei,
       nebenbei regiert er die Stadt als Bürgermeister. "Es war überraschend, dass
       sich die Mannschaft so schnell findet", sagt Schönau.
       
       Seit 2005 ist der THC in der Ersten Bundesliga dabei. Sie waren nie besser
       als Sechste. Vor zwei Jahren wären sie sogar um ein Haar abgestiegen, aber
       Nürnberg zog sein Team wegen einer Insolvenz zurück, und so blieben die
       Thüringerinnen drin im Oberhaus. Zu dieser Zeit muss in Schönau die
       Erkenntnis gereift sein, dass es so nicht ewig weitergehen könne. Man müsse
       auch mal am großen Rad drehen, nicht immer nur im Mittelfeld herumkrebsen.
       "Wir haben ja ziemlich stereotypen Handball gespielt", erinnert sich
       Schönau, "es herrschte Stillstand, nichts ging voran." Viele wollten die
       Misere "nicht wahrhaben", aber just in Zeiten der größten Lethargie haben
       Schönau und seine Mitstreiter gehandelt: Alte Zöpfe sollten abgeschnitten
       werden. Ein "Dreijahresplan" wurde erarbeitet. Es sollte vorangehen in der
       Geburtsstadt von Christoph Wilhelm Hufeland, dem großen Makrobiotiker. "Wir
       haben einen klaren Schnitt gemacht", sagt Schönau.
       
       ## Der neue Trainer hat schon dreimal den Titel geholt
       
       Der Dreijahresplan sah vor, den Trainer auszutauschen und die jugendlichen
       Handballerinnen vom Erfurter Sportgymnasium stärker einzubinden. Herbert
       Müller, 47, wurde als Coach berufen. Der Mathematiker ist gleichzeitig
       Trainer des österreichischen Nationalteams und hat zwei Spielerinnen vom
       Spitzenklub Hypo Niederösterreich nach Thüringen gelotst, die Brasilianerin
       Idalina Borges-Mesquita und die zweite Torfrau, Petra Blazek. Mit kühler
       Berechnung hat Müller, so scheint es, aus dem Provinzklub ein Meisterteam
       gemacht. Müller hatte mit Nürnberg bereits dreimal die Meisterschaft
       gewonnen. Ob so etwas in Bad Langensalza möglich ist, will er zumindest
       nicht ausschließen: "Einen Titel zu verteidigen ist aber natürlich immer
       schwerer", sagt er.
       
       In der Handballszene heißt es, der THC arbeite bei den Verpflichtungen von
       neuen Spielerinnen mit falschen Versprechungen und lebe auf zu großem Fuß,
       aber Aufsichtsrat Schönau versichert, man arbeite beim THC stets solide.
       Der Etat der vergangenen Saison lag bei 820.000 Euro. Die Teilnahme an der
       Champion League spült jetzt noch einmal einen fünfstelligen Betrag in die
       Kassen, aber sie bürdet dem Verein auch große Lasten auf. Denn die
       Salza-Halle muss umgebaut werden. Bisher passen 1.150 Leute rein.
       
       ## Schönau würde am liebsten 2,5 Millionen investieren
       
       Schönau würde am liebsten 2,5 Millionen Euro investieren, um die Halle
       aufzuhübschen. Ohne öffentliches Geld geht so etwas nicht, das weiß er. Aus
       Erfurt müssten die Zuschüsse kommen, schließlich hat der THC ja auch
       Verbindungen in die Landeshauptstadt. In Erfurt befindet sich die
       Geschäftsstelle des THC, das Krafttraining absolvieren die Spielerinnen
       hier, die Sportärzte - darunter der in der Pechstein-Affäre negativ
       aufgefallene Gerald Lutz - praktizieren in Erfurt. Und nur zweimal
       trainiert das Team in Bad Langensalza. Aber weil ein Großteil der Sponsoren
       aus der Stadt an der Salza kommt, stellt Schönau, früher Leistungssportler
       bei Turbine Erfurt, klar: "Die Mannschaft gehört zu Bad Langensalza!"
       
       Bisher galt der Jamaikaner James Beckford als größter Sportler der Stadt,
       denn kurioserweise hatte der Weitspringer eine Heimat unter dem Dach des
       THC gefunden, doch nach der Meisterschaft stehen die Frauen mit ihren vom
       Harz klebrigen Handballhänden oben auf dem Podium.
       
       16 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
       ## TAGS
       
   DIR Handball
       
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