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       # taz.de -- Zu Besuch im Freiburger Vauban-Viertel: Im Epizentrum der Ökorepublik
       
       > Kampfmütter und Lichtausmacher – manche hier benehmen sich wie
       > Umweltblockwarte. Die Grünen haben die absolute Mehrheit. Hält man das
       > aus? Ein Experiment mit Familie.
       
   IMG Bild: Grüne Welt himmelblau: Pipi Langstrumpf dient als Vorbild für Vauban
       
       FREIBURG-VAUBAN taz | Jetzt regieren also die Grünen. Seit Donnerstag ist
       Winfried Kretschmann der erste grüne Ministerpräsident der Bundesrepublik.
       In Umfragen liegen die Grünen bundesweit weiter bei 25 Prozent. Das bringt
       Hoffnung, aber auch Ängste vor einer "grünen Mehrheitsgesellschaft", in der
       nicht nur Atomkraftwerke, sondern auch Autos abgeschafft werden und dafür
       strengste Ökovorschriften eingeführt. Wäre so ein tiefgrünes Leben
       überhaupt auszuhalten?
       
       Der Freiburger Ökostadtteil Vauban ist ein guter Ort, um das
       auszuprobieren. Bei der Landtagswahl wählten knapp 73 Prozent grün. Was
       passiert, wenn man sich mit seiner Familie dort für ein paar Tage
       einmietet?
       
       Freitag. Im Keller bei den gemeinsamen Waschmaschinen. Eine Nachbarin
       kommt. Freundliches Nicken. "Wer seid denn ihr?" – "Äh, wir sind in der
       Ferienwohnung einquartiert." Sie: "Aha. Schön, dass ihr da seid." Im Gehen,
       die Stimme leicht angehoben: "Das Licht im Flur bitte nächstes Mal
       ausmachen. Wir sind ein Sparhaus!" Oh Gott, Ökohausmeister, also doch.
       
       Die Klischees von schlechtangezogenen Kampfmüttern und Ökospießern
       tatsächlich zu erleben ist kein Problem. Aber was haben sie zu bedeuten?
       
       In einer autofreien Straße, ein paar Meter weg von der
       Straßenbahnhaltestelle, lebt Jürgen Messer. Er sitzt auf seiner Terrasse,
       hat graue Haare und trägt einen Pferdeschwanz. Die Vauban-Klischees gehen
       ihm auf den Senkel. "In den Medien – aber auch, wie sie hier gelebt
       werden." Die Familie zog 2000 her. Hauptsächlich wegen des Sohnes. Er war
       zehn und sie lebten in der Stadtmitte. Kinos, Kneipen, aber auch Autos,
       Angst, die ganze übliche Elterndröhnung. "Vauban war wie eine Befreiung",
       sagt Messer. Junge ging zur Tür, sagte tschüss, kam Stunden später müde
       gespielt zurück. Die Eltern mußten sich keine Sekunde sorgen. Es ist der
       häufigste und vermutlich beste Grund, auf den Vauban zu ziehen.
       
       Nur mal zum Vergleich: In Berlin findet das soziale Leben der Kinder nur
       nach Verabredung und meist drinnen statt. Als Eltern ist man Fahrdienst.
       
       Messer hat grün gewählt. "Es gab keine Alternative, um den Politikwechsel
       voranzubringen". Er ist Jahrgang 1958, hat eine klassische linke
       Sozialisation inklusive Häuserkampf und engagiert sich heute noch. Arbeitet
       beim Jugendbildungswerk und wohnt zur Miete. Also kein Großverdiener. Mit
       Esoterik hat er es nicht. Ein Öko ist er auch nicht, jedenfalls hängt er
       ihn nicht raus. Er hat ein Auto, aber das steht meist in der
       Quartiersgarage. Zur Arbeit in die Stadt fährt er mit dem Fahrrad. Und wenn
       ein fremdes Auto unerlaubterweise in seiner Straße steht, ruft er nicht die
       Polizei. Er macht es einem nicht leicht, ihn in eine Schublade zu tun.
       
       Samstag: Gang zum Zeitungsladen. Badische, FAZ, taz alles da – aber keine
       Bild.
       
       "Tschuldigung, haben Sie keine Bild-Zeitung?"
       
       Der Chef sieht sich im Raum um und holt sie dann unter dem Ladentisch
       hervor. Flüstert: "Wissen Sie, wegen der Kinder. Was da alles vorne drauf
       ist." Hihihi, wie putzig. Oder: Vielleicht ja gar nicht so schlecht?
       
       Was taz-Chefreporter Peter Unfried beim Probewohnen im Ökostadtteil noch
       alles passiert, was er dank der Bewohner über End- Nutz- und Primärenergie
       erfährt und warum ein Vauban-Gründer vom grünen Oberbürgermeister
       enttäuscht ist, lesen Sie in der Ganzen Geschichte der aktuellen sonntaz.
       
       14 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Unfried
       
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       wird Ministerpräsident. Und jetzt? Willkommen in der Grünen Hölle.