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       # taz.de -- Al-Qaida nach bin Ladens Tod: "Seine Ideologie lebt weiter"
       
       > Für die Al-Qaida-Zentrale ist bin Ladens Tod ein harter Schlag. Aber
       > gleich morgen verschwinden wird der Dschihadismus nicht, meint der
       > Politologe Asiem El Difraoui.
       
   IMG Bild: "Es wird immer wieder Splittergruppen geben, die bin Ladens Ideologie übernehmen werden": Angriff auf das World Trade Center am 11.9.2001.
       
       taz: Herr Difraoui, ist al-Qaida nach dem Tod von bin Laden am Ende? 
       
       Asiem El Difraoui: Für die Al-Qaida-Zentrale im pakistanisch-afghanischen
       Grenzgebiet ist das schon ein harter Schlag. Aber ein Todesstoß ist es
       vermutlich noch nicht. Viel wird auch davon abhängen, ob es al-Qaida
       schafft, seinen Anhängern bin Ladens Tod als heldenhaft zu verkaufen. Im
       Internet hat die Deutungsschlacht schon begonnen.
       
       Welche Rolle hat bin Laden für al-Qaida zuletzt gespielt? 
       
       Bin Laden war die repräsentative Führerfigur, die mediale Ikone des
       globalen Dschihad. Aber um das Operative, das Tagesgeschäft sozusagen,
       haben sich wohl schon länger andere gekümmert: sein Stellvertreter Aiman
       al-Sawahiri oder der jüngere Ideologe und Kämpfer Abu Jahja al-Libi. Und
       für die Franchisefilialen der Terrororganisation in Jemen oder im Maghreb
       ändert sich durch den Tod von bin Laden ohnehin zunächst wohl wenig.
       
       "Wenn ich sterbe, wird der Krieg weitergehen", hat bin Laden einmal gesagt.
       Ist das so? 
       
       Das glaube ich schon, ja. Bin Laden ist tot, seine Ideologie lebt weiter.
       In Schriften oder in den unzähligen Videos im Internet. Es wird immer
       wieder Splittergruppen geben, die den von bin Laden geschaffenen
       ideologischen Korpus übernehmen werden. Der Dschihadismus wird nicht von
       heute auf morgen verschwinden, sondern uns sicher noch einige Jahrzehnte
       beschäftigen.
       
       Könnte es jetzt zu Racheanschlägen kommen? 
       
       Racheakte könnte es schon geben, aber ob die hoch organisiert sein werden,
       ist fraglich. Dass aber einzelne Zellen oder Sympathisanten isolierte
       Wahnsinnstaten begehen könnten, etwa Angriffe gegen US-Bürger oder
       amerikanische Einrichtungen, könnte ich mir schon vorstellen. Die spannende
       Frage wird aber sein: Hat die al-Qaida-Zentrale noch Karten in der
       Hinterhand? Schaffen es die restlichen Kader um al-Sawahiri, sich zu
       sammeln und noch einmal ein spektakuläres Attentat durchzuführen?
       
       In Nordrhein-Westfalen wurden Ende der vergangenen Woche drei Männer bei
       der Planung eines Anschlags festgenommen. Der mutmaßliche Anführer der
       "Düsseldorfer Zelle" soll den Befehl direkt von al-Qaida im
       pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet bekommen haben. Das gab es noch nie
       in Deutschland. Waren Sie überrascht? 
       
       Es ist eher erstaunlich, dass jetzt zum ersten Mal konkrete Pläne für einen
       Anschlag von al-Qaida in Deutschland bekannt wurden und das nicht schon
       vorher passiert ist. Denn dass Deutschland ein Ziel von al-Qaida sein
       könnte, war schon lange klar, und es wird es vermutlich auch weiter bleiben
       - auch nach bin Laden.
       
       Bin Ladens Tod ist nicht der einzige Rückschlag für al-Qaida. Die arabische
       Revolution hat ohne das Zutun der Dschihadisten stattgefunden. Wie sehr hat
       das al-Qaida geschwächt? 
       
       In Ägypten und Tunesien war al-Qaida wirklich außen vor und wusste lange
       gar nicht, wie man reagieren soll. Der späte Versuch, die Revolutionen für
       sich zu reklamieren, war dann durchsichtige Propaganda. Aber im Jemen sieht
       die Sache schon etwas anders aus. Der dortige Chefideologe von al-Qaida,
       Anwar al-Awlaki, hat gerade in einer Sonderausgabe der englischsprachigen
       Terrorpostille Inspire angekündigt, man wolle das Vakuum im Jemen und in
       Libyen ausnutzen.
       
       3 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf Schmidt
       
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