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       # taz.de -- Al-Qaida-Chef Osama bin Laden ist tot: Jubel in Washington
       
       > Ein US-Kommando tötete Osama bin Laden in Pakistan. US-Präsident Barack
       > Obama gab den Befehl dazu und wird vom ganzen Land gefeiert.
       
   IMG Bild: Jubel über Osama bin Ladens Tod am Ground Zero in New York.
       
       BERLIN taz | US-Spezialkräfte haben am frühen Sonntagmorgen aus
       Hubschraubern das Versteck von al-Qaida-Chef Osama bin Laden in Pakistan
       angegriffen und ihn mit einem Kopfschuss getötet. Er und seine Wachen
       sollen nach US-Angaben Widerstand geleistet haben. Laut dem US-Sender CNN
       soll es eine gezielte Tötung gewesen sein.
       
       Es war der Auftritt, den George W. Bush so gern gehabt hätte. Als
       US-Präsident Barack Obama am späten Sonntagabend Washingtoner Zeit im
       Ostflügel des Weißen Hauses zu einer kurzfristig anberaumten Ansprache vor
       die Fernsehkameras trat, war ihm anzumerken, wie gern er die gute Nachricht
       verkündete. "Heute Abend kann ich dem amerikanischem Volk und der Welt
       mitteilen, dass die USA eine Operation unternommen haben, bei der Osama bin
       Laden, der Führer von al-Qaida und ein Terrorist, der verantwortlich ist
       für den Mord an Tausenden unschuldigen Männern, Frauen und Kindern, getötet
       wurde", begann Obama seine knapp zehnminütige Ansprache.
       
       "Nach meiner Anweisung haben die USA heute eine gezielte Operation gegen
       ein Wohnviertel in Abbottabad, Pakistan, unternommen. Ein kleines Team
       Amerikaner hat die Aktion mit außergewöhnlichem Mut und Können ausgeführt.
       Es wurden keine Amerikaner verletzt, zivile Opfer wurden vermieden. Nach
       einem Schusswechsel töteten sie bin Laden und sicherten seine Leiche",
       sagte Obama in seiner Ansprache.
       
       Bin Ladens Tod wird auf zwischen 1.30 und 2 Uhr terminiert. Auch drei
       weitere Männer, darunter ein Sohn, der Kurier und dessen Bruder sowie eine
       Frau wurden bei dem Sturm auf das befestigte Anwesen in der Stadt
       Abbottabad getötet. Andere Anwesende, darunter Frauen und Kinder,
       überlebten unverletzt. 40 Minuten soll der Einsatz gedauert haben. Einen
       Hubschrauber mussten die Einsatzkräfte wegen eines Defekts aufgeben, wie
       US-Medien unter Berufung auf Regierungsangaben berichteten. In
       unbestätigten Berichten hieß es, der Hubschrauber sei mit Panzerfäusten
       beschossen worden.
       
       ## Bestattung auf See
       
       Das Spezialkommando nahm bei seinem Abflug die Leiche bin Ladens laut New
       York Times zunächst nach Afghanistan im Hubschrauber mit. Später wurde sie
       "im Einklang mit den muslimischen Praktiken und Traditionen" auf See
       bestattet worden, wie US-Regierungsmitarbeiter am Montag morgen
       bestätigten. Der Ort und die genauen Umstände wurde nicht bekannt gegeben.
       Nach US-Angaben sei davon ausgegangen worden, dass kein Land zur Bestattung
       bin Ladens bereit gewesen wäre. Auch habe die US-Regierung laut Washington
       Post befürchtet, dass sich sein Grab sich zum Pilgerort für militante
       Islamisten entwickeln könnte. Nach islamischer Tradition muss ein Leichnam
       nach spätestens 24 Stunden bestattet werden. Seebestattungen sind aber sehr
       unüblich und nur in besonderen Fällen gestattet.
       
       Von dem US-Kommando genommene DNA-Proben sollen in Bin Landes Identität
       beweisen. Der pakistanische Militärgeheimdienst ISI bestätigte bereits den
       Tod des al-Qaida-Führers. Bei von pakistanischen Fernsehsender gezeigten
       Fotos von dessen Leiche mit blutverschmiertem Gesicht handelt es sich nach
       Meinung von Experten jedoch vermutlich um Fälschungen.
       
       Auf das Versteck des 54-jährigen al-Qaida-Chefs in der
       110.000-Einwohnerstadt Abbottabad 70 Kilometer nördlich von Pakistans
       Hauptstadt Islamabad war der US-Geheimdienst durch bin Ladens Kurier
       gekommen. Gefangene im US-Lager Guantanamo sollen laut New York Times schon
       vor vierJahren dessen Pseudonym und persönliche Nähe zu Bin Laden verraten
       haben. Der Kurier soll ein Protegé von Khalid Scheich Mohammed gewesen
       sein, des 2003 in Pakistan festgenommenden Chefplaners der Terroranschläge
       vom 11. September 2001. Im vergangenen August soll es dann gelungen sein,
       die Identität und den Wohnort des Boten in der luftkurortähnlichen
       Garnisonsstadt Abbottabad zu lokalisieren.
       
       ## Kein Telefon, kein Internet
       
       Der Geheimdienst stieß dabei auf ein großes, mit vier bis sechs Meter hohen
       Mauern sowie zahlreichen Innenmauern und Stacheldraht geschützes Anwesen.
       Der auf einen Wert von einer Million Dollar geschätzte und vor rund fünf
       Jahren fertiggestellte zweistöckige Gebäudekomplex ist wesentlich größer
       als die Nachbargebäude, soll aber keinen Telefon- oder Internetanschluss
       haben. Der Kurier soll auch über kein offizielles Einkommen verfügt haben.
       Auch sei auffällig gewesen, dass die Bewohner einschließlich einer Familie,
       die der von bin Laden entsprechen konnte, dort ihren Müll immer selbst
       verbrannte und nie abholen ließ.
       
       Im Februar sollen sich die Hinweise auf bin Ladens dortigen Aufenthaltsort
       erhärtet haben. Am vergangenen Freitag morgen gab US-Präsident Barack Obama
       dann nach seinem bereits fünften Briefing zum vermuteten Aufenthaltsort
       laut New York Times den Befehl zum Angriff. Laut eines in mehreren
       US-Medien zitierten Regierungsmitarbeiters sei die Aktion dabei vor
       pakistanischen Stellen komplett geheim gehalten worden.
       
       Die Zahl der an dem Einsatz beteiligten Hubschrauber ist unklar. Sie wird
       in verschiedenen Berichten zwischen zwei und vier angegeben. Bei den
       beteiligten Spezialkräften soll es sich um Navy Seals gehandelt haben, die
       Eliteeinheit der Marine. In einigen Medien ist von insgesamt 25 Mann die
       Rede. Bei dem Angriff soll ein Hubschrauber ein Team innerhalb des Gebäudes
       abgesetzt haben.
       
       ## Obama erinnert an 9/11
       
       Obama erinnerte in seiner Ansprache am Sonntag abend an die Opfer der
       Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington, an die Wunden,
       die die Angriffe im kollektiven Bewusstsein der USA hinterlassen hatten,
       und an die große nationale Einigkeit, die nach den Anschlägen in den
       Vereinigten Staaten möglich wurde. "Egal, wo wir herkamen, zu welchem Gott
       wir beteten oder welcher Rasse oder Ethnie wir angehörten - an diesem Tag
       waren wir vereint als eine einzige amerikanische Familie. Wir waren vereint
       in der Entschlossenheit, unsere Nation zu beschützen - und diejenigen, die
       diesen teuflischen Angriff verübt hatten, zur Rechenschaft zu ziehen."
       
       Obama lässt keinen Zweifel daran, wem das Verdienst gebührt, bin Laden
       gefunden zu haben: "Kurz nach meiner Amtsübernahme hatte ich CIA-Direktor
       Leon Panetta angewiesen, die Tötung oder Ergreifung bin Ladens zur
       Toppriorität unseres Krieges gegen al-Qaida zu machen. Schließlich wurde
       mir im vergangenen August, nach jahrelanger mühsamer Arbeit unserer
       Geheimdienste, mitgeteilt, dass es eine mögliche Spur zu bin Laden gebe.
       Von da an dauerte es noch Monate, diesen Faden aufzuwickeln. […]
       Schließlich entschied ich vergangene Woche, dass wir genug Informationen
       hatten, um zur Tat zu schreiten, und genehmigte eine Operation mit dem
       Ziel, bin Laden zu fassen und zur Rechenschaft zu ziehen"
       
       ## Feiernde verstopften die Straßen in New York
       
       Es mag Länder geben, in denen das fast schon offizielle Eingeständnis,
       einen offenbar überwältigten Mann "nach" einem Schusswechsel getötet zu
       haben, zu Aufregung führt, zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen,
       wenigstens zu einem Skandal. In den USA hingegen waren bereits Minuten nach
       Obamas Ansprache die Menschen auf der Straße und feierten unter "USA!
       USA!"-Rufen den Sieg über den Erzfeind. Vor dem Weißen Haus in Washington,
       wo sich zuletzt nach Obamas Wahlsieg im November 2008 spontan nachts
       Menschen versammelt hatten, drängten sich Hunderte, um die Nachricht vom
       Tod bin Ladens zu feiern. In New York verstopften Feiernde die Straßen rund
       um den Times Square und das Gelände von "Ground Zero" - dem ehemaligen
       Standort der Zwillingstürme des eingestürzten World Trade Centers.
       
       Auch auf der politischen Ebene erfuhr die Regierung Obama an diesem Abend
       nichts als Lob - von allen Seiten des politischen Spektrums. Vorgänger
       George W. Bush gratulierte Obama und sagte: "Der Kampf gegen den Terror
       geht weiter, aber heute Abend hat Amerika die unmissverständliche Nachricht
       gesendet: Egal, wie lange es dauert, der Gerechtigkeit wird genüge getan
       werden."
       
       ## Auch die Republikaner stimmen in das Loblied ein
       
       Auch die republikanischen Präsidentschaftsanwärter beeilten sich, mit
       kämpferischen oder staatstragenden Zitaten in die Nachrichten zu kommen.
       Mike Huckabee, ehemaliger Gouverneur von Arkansas und vermutlich einer der
       Herausforderer, sagte: "Es ist ungewöhnlich, einen Tod zu feiern, aber
       heute bejubeln Amerikaner und anständige Menschen auf der Welt die
       Nachricht, dass der Verrückte, Mörder und Terrorist Osama bin Laden tot
       ist. Willkommen in der Hölle!" Kandidat Tim Pawlenty, Exgouverneur von
       Minnesota, ließ verlauten: "Stunden nach den Anschlägen vom 11. September
       versprach Präsident Bush, dass Amerika Osama bin Laden zur Verantwortung
       ziehen würde - das haben wir getan. Ich möchte Amerikas Streitkräften und
       Präsident Obama für einen guten Job gratulieren."
       
       Die frühere Gouverneurin Alaskas und Tea-Party-Liebling Sarah Palin schrieb
       auf Facebook: "Heute Nacht sind die Amerikaner in Freude und Dankbarkeit
       vereint. Gott segne all die tapferen Männer und Frauen in unserem Militär
       und unseren Geheimdiensten." Den Namen Obama erwähnte Palin nicht.
       
       Auch in den Medien: Einheitliches Lob für Obama. Schon freuen sich
       demokratische Optimisten, mit dieser Nachricht habe sich der in heftige
       innenpolitische Auseinandersetzungen mit der republikanischen Opposition
       verwickelte Präsident die Wiederwahl im nächsten Jahr gesichert. Doch die
       meisten Analysten raten zur Vorsicht: Zwar habe Obama mit dieser Nachricht
       erstmals wirklich Stärke als außenpolitischer Führer und
       Oberkommandierender gezeigt. Damit werde es den Republikanern künftig
       schwerer fallen, ihm Schwäche und Orientierungslosigkeit vorzuwerfen. Das
       zentrale Thema der kommenden Wahlen jedoch werde die Wirtschaftspolitik
       bleiben. Und wie lange der Sieg gegen bin Laden gefeiert werden könne,
       hinge nicht zuletzt an möglichen Gegenschlägen al-Qaidas.
       
       2 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR S. Hansen
   DIR B. Pickert
       
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   DIR Al-Qaida nach bin Ladens Tod: "Seine Ideologie lebt weiter"
       
       Für die Al-Qaida-Zentrale ist bin Ladens Tod ein harter Schlag. Aber gleich
       morgen verschwinden wird der Dschihadismus nicht, meint der Politologe
       Asiem El Difraoui.
       
   DIR Arabische Reaktionen auf Bin Ladens Tod: Erleichterung und Skepsis
       
       Die meisten arabischen Regierungen begrüßen den Tod von Osama bin Laden.
       Die palästinensische Hamas verurteilt jedoch den tödlichen Anschlag.
       
   DIR Tod Osama bin Ladens: Versteckt im Urlaubsort
       
       Wie konnte sich bin Laden in der Garnisionsstadt Abbottabad verstecken? Es
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       hatte.
       
   DIR Seltsamer Tippfehler in US-Medien: Fox'scher Versprecher
       
       Egal wie unsinnig eine Aussage ist - wenn man sie nur häufig genug
       wiederholt, wird sie sich festsetzen, hofft US-Sender Fox40.com. Und
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   DIR Kommentar Osama bin Laden: Die Kraft des Toten
       
       Obama steht als starker US-Präsident da. Offen ist, ob er es schafft, die
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   DIR Zum Tod Osama bin Ladens: Der Alte hinterm Berg
       
       Der Mann mit Turban und Zauselbart, im Schneidersitz und mit der
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       unserer Projektionen.
       
   DIR Nach dem Tod Osama bin Ladens: Alle sind erstmal erleichtert
       
       Die Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden ruft weltweit Erleichterung
       hervor. Aber niemand glaubt daran, dass dies das Ende der
       Terrororganisation bedeutet.
       
   DIR Zum Tod von Osama Bin Laden: Ende einer langen Jagd
       
       Ein US-Kommando hat Al-Qaida-Chef Osama bin Laden in Pakistan aufgespürt
       und getötet. Wer war der Mann, den die amerikanische Armee mehr als ein
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   DIR Düsseldorfer Terrorzelle: Erstmals al-Qaida
       
       Auftraggeberin bei den bisher in Deutschland vereitelten, islamistischen
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       offenbar anders.
       
   DIR Suche nach Osama bin Laden: Hinweise auf Aufenthalt in Pakistan
       
       Terroranführer bin Laden soll sich im Nordwesten Pakistans befinden,
       berichtet CNN unter Berufung auf Nato-Kreise. Für seine Sicherheit sorge
       auch der pakistanische Geheimdienst.