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       # taz.de -- Vergrößerung von Helgoland: Pimp das Eiland
       
       > Auf Helgoland wird ein einmaliges Projekt diskutiert: Eine Landbrücke zur
       > Nachbarinsel Düne soll mitten in der Nordsee neues Land schaffen. Das
       > letzte Wort hat ein Bürgerentscheid.
       
   IMG Bild: Ehrgeiziges Projekt: Zwischen Helgoland und der Düne soll eine Landverbindung entstehen.
       
       HELGOLAND taz | Auf Helgoland geht es noch basisdemokratisch zu. In einem
       Bürgerentscheid am 26. Juni soll die wichtigste Zukunftsfrage auf der
       einzigen deutschen Hochseeinsel geklärt werden: Die Bürger sollen
       abstimmen, ob eine Landverbindung zwischen der felsigen Hauptinsel und der
       benachbarten Badeinsel Düne aufgeschüttet werden soll. Das ist das Ergebnis
       einer Bürgerversammlung am Mittwochabend.
       
       Parallel wird die Umwidmung des seit Jahrzehnten brachliegenden Vorhafens
       zu einem Zentrum für Offshore-Windkraft vorangetrieben. Helgoland will die
       Wartungsbasis für drei große Windparks der Betreiber RWE, Eon und Wind-MW
       in der Deutschen Bucht werden.
       
       Während dieses Vorhaben unter den rund 1.500 HelgoländerInnen unstrittig
       ist, gibt es über die Aufschüttung einer Landbrücke keinen Konsens: "Das
       würde den Charakter der Insel verändern", räumt der parteilose
       Bürgermeister Jörg Singer ein. Ob positiv oder negativ, ist die Frage,
       welche die InsulanerInnen zu beantworten haben. Etliche Bürger warnten auf
       der Versammlung aber vor einer Entwicklung zu "Events und Remmidemmi".
       Helgolands Kapital sei Ruhe, Einsamkeit und frische Luft in unverfälschter
       Natur - das dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden.
       
       Durch die fast 1.000 Meter lange und knapp 300 Meter breite Landbrücke
       würde Helgoland von rund 1,7 auf gut zwei Quadratkilometer Fläche
       anwachsen. Die Kosten werden auf knapp 100 Millionen Euro geschätzt, hinzu
       kämen noch private Investionen. "Das ist finanzierbar", sagt Bürgermeister
       Singer. Es handele sich um eine "gezielte Investition, die sich wieder
       bezahlt machen wird".
       
       Sie basiert auf einem von vier Szenarien, die in einem seit 2008
       erarbeiteten Regionalen Entwicklungskonzept (REK) vorgeschlagen werden. Die
       Skizze mit dem friesischen Namen "De uurs Lun - iip Weeter" (zu Deutsch:
       "Das andere Land - auf dem Wasser") sieht vor allem die Nutzung für Ferien
       und Freizeit vor, die private Investoren auf dem aus öffentlichen Kassen
       finanzierten Neuland errichten würden. Helgoland nähme aus dem Verkauf von
       Grundstücken und dem Tourismus Geld ein.
       
       Seit über zwei Jahren haben Planungsbüros im Auftrag der Gemeinde
       Helgoland, des Kreises Pinneberg und des Landes Schleswig-Holstein intensiv
       am Zukunftskonzept gebastelt. Denn die Zahl der Touristen ist von 800.000
       vor 40 Jahren auf 300.000 gesunken, die Einwohnerzahl von 2.700 Menschen
       Anfang der 80er Jahre auf gut die Hälfte.
       
       Das Konzept, das am Mittwoch öffentlich vorgestellt wurde, beschreibt nun
       auf über 200 Seiten Dutzende Projekte und Handlungsempfehlungen für alle
       Aspekte des Insellebens. Erreichbarkeit, Nachhaltigkeit, Naturschutz,
       Marketing, Kunst und Kultur, E-Learning zur besseren Qualifizierung der
       SchülerInnen der Ganztagsschule und auch die Umstellung auf erneuerbare
       Energien sind die wesentlichen Themen, welche die Flächenvergrößerung
       flankieren.
       
       Bürgermeister Singer und andere Verantwortliche sehen die Mehrzahl der
       Insulaner hinter sich, auf der Versammlung überwogen in dreistündiger
       Diskussion die zustimmenden Beiträge aus dem Publikum. Man müsse jetzt "was
       Großes tun, um nicht zum Museumsdorf zu werden", Helgoland brauche "ein
       neues Erscheinungsbild, ein neues Image" ist die Position der Optimisten.
       
       Einige Skeptiker hingegen warnten vor Hotelburgen. Die Lösung der Probleme
       sei es nicht, "in drei Monaten Sommer noch mehr Touristen heranzukarren",
       sondern "attraktive Angebote für Urlauber über das ganze Jahr" zu
       entwickeln.
       
       Hinzu kommt die Hoffnung auf die Windkraft. Als Wartungsbasis für
       Offshore-Windparks in der Nordsee sei die zentrale Lage der Insel Gold
       wert, sagt Peter Singer, der mit dem Bürgermeister nicht verwandte
       Geschäftsführer der kommunalen Hafengesellschaft: "Diesen Standortvorteil
       müssen wir nutzen." Er plant für rund 25 Millionen Euro die Sanierung von
       Hafenbecken, Kaianlagen und Landflächen, Mindestens 30.000 Quadratmeter
       hofft er, im Sommer 2012 an die Investoren übergeben zu können. Die
       verheißen 100 bis 120 neue Arbeitsplätze - zurzeit hat die Insel gut 600
       meist nur saisonal Beschäftigte. "Das ist eine Riesenchance für Helgoland",
       sagt Peter Singer: "Öko-Industrie und Naturtourismus - perfekt."
       
       Jetzt muss nur noch die Mehrheit der HelgoländerInnen das auch so sehen.
       
       14 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
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