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       # taz.de -- Skandal bei EU-Subventionen: Kühe, die im Jenseits grasen
       
       > Bauern in Italien kassieren EU-Subventionen für 300.000 Kühe, die längst
       > tot sind. Staatliche Stellen sollen beteiligt sein – in deren Computern
       > wurden die Kühe 999 Monate alt.
       
   IMG Bild: Chillig zwischen Hortensien: Kühe, fotografiert auf den Azoren.
       
       ROM taz | 83-jährige Kühe, die selbst im Methusalem-Alter noch reichlich
       Milch geben: Dieses zootechnische Wunder ist in Italien gelungen. Doch die
       Geniezüchter behielten ihren offenkundig schon vor vielen Jahren erreichten
       bahnbrechenden Erfolg für sich. Aufgedeckt wurde er jetzt von den Fahndern
       der Carabinieri, die einem offenkundig sehr weit gespannten
       Milchquoten-Betrugsring auf die Spur kamen.
       
       Und im Zentrum des groß angelegten Betrugsmanövers sollen ausgerechnet zwei
       staatliche Behörden stehen, die mit der Überwachung der Milchbauern und mit
       der Ausschüttung der ihnen zustehenden Zuwendungen aus den EU-Agrartöpfen
       befasst sind: die Agea (Agentur für finanzielle Ausschüttungen in der
       Landwirtschaft) sowie das IZS (Institut für experimentelle Zoologie), das
       im abruzzischen Teramo sitzt.
       
       Es waren Mitarbeiter der beiden Behörden, die den Altersfortschritt bei den
       Kühen per Mausklick erreichten: Statt des Höchstlebensalters 120 Monate
       gaben sie 999 Monate ein - und schon lebten auf dem Papier hunderttausende
       Kühe weiter, die schon lange im Jenseits grasten. Vor allem aber spendeten
       diese Kühe Milch, für die die Bauern trotz gähnend leerer Ställe
       Milchquoten erhielten - und auch abrechneten.
       
       ## Beamte gaben einfach 999 Monate in den Computer ein
       
       Auf diese Weise wurde der italienische Milchkuhbestand, errechneten die
       Carabinieri, von real etwa 1,3 Millionen auf 1,6 Millionen aufgebläht.
       Zwischen konservativ geschätzten 10 und 20 Prozent liegt die Menge von bloß
       in den Statistiken gemolkener Milch; die Rede ist mithin von mindestens 1,2
       Milliarden Litern im Jahr. Und so geht es um einen Betrug von mindestens 60
       Millionen Euro im Jahr.
       
       Aufgebracht sind jetzt vor allem tausende italienische Milchbauern, die in
       den letzten Jahren immer wieder Strafen wegen Nichteinhaltung ihrer
       Höchstquoten zahlen mussten. "Geld zurück!", fordert jetzt ihr Verband,
       denn die Quotenüberschreitung habe ja bloß auf dem Papier stattgefunden;
       real produziere Italien seit Jahren weit unter seinem EU-Limit.
       
       Der Verdacht, dass sich Betrüger mit bloß auf dem Papier existenter Milch
       seit Jahren bereichern, wurde nicht umsonst immer wieder von Politikern der
       Lega Nord geäußert: Sie fechten seit Jahren an der Seite der Quotensünder,
       um für sie Strafnachlässe herauszuhandeln. So sprach der Lega-Senator
       Sergio Agoni - im Zivilberuf selbst mit hohen Strafen belegter Milchbauer -
       schon im Jahr 2005 davon, dass etwa 300.000 Kühe real gar nicht in den
       italienischen Ställen stünden.
       
       ## Unklar: Papiermilch oder Pulvermilch?
       
       Doch noch ist völlig unklar, ob die 1,2 Milliarden Liter bloß auf dem
       Papier in den Handel gelangt sind - in diesem Falle hätte Italien
       tatsächlich seine Produktionsquoten (nicht aber die abgerechneten Quoten)
       unterschritten. Die andere denkbare Alternative: Die Betrüger importierten
       zum Beispiel Pulvermilch aus dem Ausland und brachten sie dann als
       "italienisch" auf den Markt.
       
       13 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
       
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