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       # taz.de -- Argumente der Atomlobby: Die Stunde der Bedenkenträger
       
       > Steigende Kosten, Strom, Klimaschutz, Blackout: Die Atomlobby bemüht
       > derzeit viele Argumente gegen den schnellen Ausstieg. Was ist an ihnen
       > dran?
       
   IMG Bild: Braunkohlekraftwerk Jänschwalde.
       
       Die Debatte um einen beschleunigten Atomausstieg ruft die Bedenkenträger
       auf den Plan. Sie stellen vor allem die Kosten in den Vordergrund: "Jeder
       muss sich darüber im Klaren sein, dass der Strompreis steigen wird, wenn
       der Atomausstieg beschleunigt wird", sagte der stellvertretende
       Unions-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs. Der CDU-Haushaltsexperte Norbert
       Barthle ergänzte: "Wenn Mehrkosten durch die Energiewende entstehen, dann
       müssen die Verbraucher sie tragen und nicht die Steuerzahler."
       
       Unterdessen hat die Leipziger Strombörse die Kosten des Ausstiegs anhand
       der aktuell bekannten Fakten bereits beziffert: Vor dem Super-GAU in
       Fukushima lag der Strompreis für 2012 an der EEX bei 5,3 Cent je
       Kilowattstunde, er stieg nach der Entscheidung für einen beschleunigten
       Ausstieg auf 5,9 Cent an. Auch für 2013 und 2014 wurde der Strom gestern
       für 6 Cent gehandelt.
       
       Unruhe ist bei den Akteuren am Strommarkt nicht zu spüren, wie die
       Kursverläufe zeigen: Berücksichtigt man, dass der Preis an der EEX in den
       letzten Jahren zwischen 5 und 9 Cent schwankte, ist der ausstiegsbedingte
       Aufschlag aktuell moderat.
       
       Aber dem Bundeshaushalt werden durch die sinkende Brennelementesteuer
       Einnahmen entgehen. Und deswegen warnt auch Finanzminister Wolfgang
       Schäuble vor einem schnellen Atomausstieg. Allerdings könnte auch er
       gelassener sein, denn die Einnahmen aus der Brennelementesteuer sind
       ohnehin gering. Die neue Steuer ist mit 2,3 Milliarden Euro pro Jahr
       kalkuliert - und selbst unter den Bedingungen der Vor-Fukushima-Ära war das
       schon hoch angesetzt.
       
       Denn auch unabhängig von der politischen Debatte waren in den vergangenen
       beiden Jahren immer wieder einige Atommeiler abgeschaltet. Den
       Bundeshaushalt wird eine reduzierte Einnahme aus der Atomsteuer also nur
       mäßig tangieren, denn im Vergleich zu den Beträgen, um die es bei der
       Brennelementeabgabe geht, schwanken andere Steuereinnahmen - zum Beispiel
       aus der Mehrwertsteuer - um ein Vielfaches.
       
       ## Blackout?
       
       Auch der Energie- und Klimafonds, in den ein Teil der zusätzlichen Gewinne
       fließen sollen, die die AKW-Betreiber durch die Laufzeitverlängerung
       erwirtschaften, wird mit dem beschleunigten Ausstieg weniger Geld
       einnehmen. Ursprünglich hatte die Bundesregierung für 2011 und 2012 mit
       jeweils 300 Millionen Euro gerechnet, für 2013 bis 2016 mit jeweils 200
       Millionen Euro. Damit sollten vor allem Energieeffizienz, erneuerbare
       Energien und Energiespeicher gefördert werden.
       
       Gleichwohl werden Mindereinnahmen im Ökofonds den Ausbau der erneuerbaren
       Energien kaum bremsen. Denn schon bisher fußte der Boom von Windkraft und
       Solarenergie allein auf dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Bei einem
       weiterhin attraktiven EEG wird der Umbau der Energiewirtschaft trotz
       Mindereinnahmen im Ökofonds zügig voranschreiten können.
       
       Bleibt das Thema Klimaschutz. RWE-Chef Jürgen Großmann sagte: "Je schneller
       und radikaler man sich von der Kernkraft trennt, desto drastischer wird
       zunächst der CO2-Ausstoß steigen." Diese Einschätzung ist nach der Logik
       des Emissionshandels jedoch nicht haltbar. Denn im Rahmen des
       Kiotoprotokolls wurden die CO2-Emissionen gedeckelt. Es dürfte also auch
       bei einem beschleunigten Atomausstieg nicht mehr CO2 emittiert werden.
       Selbst wenn Kohlekraftwerke reaktiviert oder stärker ausgelastet werden,
       steigen die Gesamtemissionen nicht, weil die stärkere Nachfrage nach
       CO2-Zertifikaten deren Preis erhöht und damit Einsparungen an anderer
       Stelle attraktiver macht.
       
       Zu den weiteren Risiken, die Kritiker im Falle eines schnellen Ausstiegs
       sehen, zählt der Blackout. Fritz Vahrenholt, Chef der RWE-Tochterfirma
       Innogy, sagt: Zum Blackout komme es bisher allein deswegen nicht, weil "Tag
       für Tag ein starker Import aus Frankreich und Tschechien stattfindet". Ohne
       den schnellen Ausbau von Stromtrassen bekomme man "eine solch extreme
       Unterversorgung, dass zur Vermeidung eines Blackouts Industriebetriebe und
       vielleicht sogar ganze Städte abgeschaltet werden müssen".
       
       Das Risiko eines Ausfalls ist in einem so komplexen System wie dem
       Stromnetz immer gegeben. Und deswegen ist unstrittig, dass das Stromnetz
       umgebaut werden muss - aber auch das war schon vor Fukushima klar, allein
       durch den Ausbau der erneuerbaren Energien.
       
       12 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernward Janzing
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Atomkraft
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