# taz.de -- Lesben und Schwule in Baden-Württemberg: Schlusslicht bei der Gleichstellung
> Stuttgart 21, Atom – darüber streitet der Südwesten. Homopolitik kommt
> kaum vor. Und das, obwohl Lesben und Schwule nirgendwo so schlecht dran
> sind wie im Mappus-Land.
IMG Bild: Regenbogenfahne in San Francisco – in Stuttgart weigerte sich Stefan Mappus, die Schirmherrschaft für den CSD zu übernehmen.
STUTTGART taz | Stärkstes Wirtschaftswachstum, erfolgreichstes
Bildungssystem, niedrigste Kriminalitätsrate – die schwarz-gelbe
Landesregierung in Baden-Württemberg rühmt sich gerne als Spitzenland in
allen möglichen Kategorien. Über die Gleichstellung von Schwulen und Lesben
reden sie dabei nicht. Kein Wunder, denn in dieser Hinsicht ist der
Südwesten absolutes Schlusslicht. Dabei sind viele Rechte inzwischen sogar
per Gerichtsbeschluss bestätigt worden. Eine mögliche neue Regierung hätte
also einiges aufzuholen in Sachen Gleichstellung.
Wollen Schwule und Lesben beispielsweise heiraten, dürfen sie das in
Baden-Württemberg nicht auf dem Standesamt, sondern etwa dort, wo sich
andere sonst ein neues Auto-Kennzeichen abholen: bei der
Kfz-Zulassungsstelle. Möglich machte dies eine Änderung des
Personenstandsrechts 2009. Dieses regelt im Wesentlichen, wie Ehen
geschlossen und Lebenspartnerschaften begründet werden können.
Der Bundesrat verhinderte bei der Änderung, dass Lebenspartnerschaften
künftig überall vor dem Standesamt geschlossen werden sollen. Stattdessen
wurde es den Ländern überlassen, ihre eigenen Regelungen zu treffen. Doch
nur Baden-Württemberg macht davon Gebrauch. Zudem müssen Homosexuelle für
die Verpartnerung bis zu 300 Euro bezahlen, während Heterosexuelle
einheitlich nur 40 Euro bezahlen. Auch das: so ungleich wie nirgendwo sonst
in der Republik.
Auch beim Dienstrecht mauert die Landesregierung. Obwohl das
Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, dass Beamte, die in einer
gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft leben, Anspruch auf
Familienzuschlag und Beihilfe haben, verweigert ihnen dies Schwarz-Gelb.
"Wir sind in Baden-Württemberg absolutes Schlusslicht", sagt die
Landesvorsitzende des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland (LSVD),
Brigitte Aichele-Frölich. "Das liegt eindeutig an der schwarz-gelben
Regierung. Auch Ministerpräsident Mappus als Person ist nicht gewillt, das
anzugehen." [1][Auf seiner Webseite] schreibt der Verband, die "homophobe
Landesregierung" müsse "endlich abgesetzt werden". Dass Mappus es 2009
abgelehnt hat, die Schirmherrschaft über den Christopher-Street-Day (CSD)
zu übernehmen, verübelt ihm die Szene noch heute.
## "Das ist auch die schwarze Seele dieses Landes"
Mario Hempel sieht aber auch Probleme in der Struktur und der konservativen
Einstellung des Landes insgesamt. "Das ist auch die schwarze Seele dieses
Landes, die da im Weg steht", sagt der Landesvorsitzende von Lambda. Der
schwul-lesbischen Jugendgruppe falle es besonders schwer, in ländlichere
Gegenden vorzudringen. Alles konzentriere sich auf die Stadt und selbst da
fehle eine Großstadt wie Hamburg, Köln oder Berlin, die jeweils als
Hochburgen für Schwule und Lesben gelten. Stuttgart hat diesen Ruf nicht.
Hieran knüpft sich aber auch ein Problem an, das die Szene selbst betrifft.
Während in Stuttgart 30.000 Menschen für einen Bahnhof auf die Straße
gehen, während 60.000 Menschen gegen Atomkraft auf die Straße gehen, waren
Schwule und Lesben im Wahlkampf nicht zu sehen. Keiner, der für seine
Rechte aufgestanden ist und gesagt hat, für uns muss sich nach der Wahl
auch etwas ändern. Die eine Organisation fühlt sich dafür zu klein
aufgestellt, die andere nicht zuständig und die dritte hat es intern
versucht - und alle zeigen mit dem Finger auf die anderen. Ein
entschlossener Kampf bei einer entscheidenden Richtungswahl sieht anders
aus. Von einem Wann-wenn-nicht-jetzt-Gefühl keine Spur.
"Durch die Verbandsarbeit verliert man das aus dem Blick", sagt Hempel. Bei
der Jugendorganisation würden sich zwar die meisten die CDU wegwünschen.
"Es lassen sich aber nicht alle mitreißen."
Beim CSD-Verein Stuttgart heißt es: "Auf die Wahl blickt man natürlich ganz
gespannt", sagt der Vorsitzende Christoph Michl. Aber als CSD-Verein wolle
man keine Wahlempfehlung aussprechen. Außerdem sei es schwierig,
Homosexuelle dahingehend zu politisieren und zu mobilisieren. Die Vielfalt
innerhalb der Szene sei zu groß. "Schwule und Lesben machen ihr Kreuzchen
nicht nur wegen ihrer sexuellen Orientierung – da muss man realistisch
sein."
25 Mar 2011
## LINKS
DIR [1] http://ba-wue.lsvd.de/politics/entry_20110119.html
## AUTOREN
DIR Nadine Michel
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Baden-Württembergs CDU vor der Wahl: "Verlängern wir halt"
CDU bedeutet Wohlstand - das galt im Südwesten Jahrzehnte als in Stein
gemeißelt. Keiner hätte geglaubt, dass die Legende verblasst. Stefan Mappus
hat es in einem Jahr geschafft.
DIR Kommentar Wahl in Baden-Württemberg: Die Richtungswahl
Wie auch immer das Wahlergebnis lauten wird: Mappus wird geschwächt werden
und Merkel wird danach nicht mehr zur alten Pro-Atom-Politik der CDU
zurückkehren können.
DIR Homo-Ehe in Baden-Württemberg: Trauung im Hinterzimmer
Ehen sind Ländersache. In Baden-Württemberg ist das Jawort für Schwule und
Lesben allerdings siebenmal so teuer wie für Heteros.