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       # taz.de -- Kommentar Syrien: Auch Assad wird gehen müssen
       
       > Die herrschende Baath-Partei unter Präsident Baschar al-Assad ist zu
       > einer parasitären, korrupten Clique geworden, die der Jugend die Zukunft
       > raubt und dem Alter die Würde.
       
       Als Baschar al-Assad im Jahre 2000 die Macht in Damaskus von seinem Vater
       erbte, sprachen nicht nur arabische Medien von einem syrischen Frühling,
       einer Öffnung des verkrusteten Regimes, das damals seit mehr als 30 Jahren
       mit Ausnahmegesetzen regierte.
       
       Diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Die kleptomanische Nomenklatura
       aus Staatsapparat, Bürokratie, Geheimdienst und Vetternwirtschaft hat die
       Blütenträume einer neuen Zeitrechnung sehr schnell im Keim erstickt. Der
       Diktatorensohn, der im Westen ausgebildet wurde und an den sich schon
       deshalb viele Erwartungen knüpften, ist in die blutigen Fußstapfen seines
       Vaters getreten.
       
       Die blindwütige Repression gegen die Demonstranten im Süden des Landes mit
       über 100 Toten folgt dem Verhalten, das sein Vater Hafis al-Assad im Jahre
       1982 vorexerzierte, als er die Rebellion der Muslimbrüder in Hama damit
       beantwortete, dass er die Stadt in Schutt und Asche legte und den Tod von
       20.000 Menschen in Kauf nahm. Danach herrschte Ruhe im Lande,
       Friedhofsruhe.
       
       Doch Syrien ist längst keine selige Diktatoreninsel mehr inmitten eines
       arabischen Aufstandes. Der arabische Frühling hat nicht an den Grenzen des
       Landes haltgemacht und er wird auch nicht vor den Toren Damaskus
       haltmachen. Das Regime hat seine Legitimation eingebüßt, weil Baschar
       al-Assad den Wandel verpasst und nichts aus dem Scheitern seiner
       Diktatorenkollegen gelernt hat. Die herrschende Baath-Partei mit ihrer
       säkularen panarabischen Ideologie ist zu einer parasitären, korrupten
       Clique geworden, die der Jugend die Zukunft raubt und dem Alter die Würde.
       
       Der Ruf der Demonstranten in Deraa, "Gott, Syrien, Freiheit", klagt das
       Regime an, all jene "Werte" zu verachten, die für diese arabische Nation
       heute konstitutiv sind. Es sind nicht konfessionelle Linien, die den Kampf
       um die Macht in Syrien bestimmen, auch wenn die herrschende Clique der
       alevitischen Minderheit angehört.
       
       Die Anliegen der syrischen Zivilgesellschaft, die so lange und so brutal
       unterdrückt wurde, waren immer Meinungs- und Pressefreiheit,
       Versammlungsrecht und Demokratie. Die Demonstranten haben den Freitag zum
       "Tag der Würde" erklärt. Das Regime, so steht zu fürchten, wird mit
       blutiger Gewalt antworten. Retten wird das Baschar al-Assad am Ende nicht.
       Aber um der Freiheit willen wird in Syrien und der arabischen Welt noch
       viel Blut vergossen.
       
       24 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Georg Baltissen
       
       ## TAGS
       
   DIR Nigeria
       
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