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       # taz.de -- Japan-Ticker von Mittwochnacht: Mitarbeiter gefährlich verstrahlt
       
       > Fukushima I ist zwar zum großen Teil wieder an das Stromnetz
       > angeschlossen. Dies aber zu einem hohen Preis: Drei Arbeiter haben eine
       > außerordentlich hohe Strahlendosis abbekommen.
       
   IMG Bild: Die Einsatzkräfte im Atomkraftwerk Fukushima setzen sich großer Gefahren aus.
       
       Eine aktuelle Zusammenfassung der Lage in Japan und am AKW Fukushima I
       finden Sie [1][hier]. 
       
       7.20 Uhr: Schweinswal gerettet 
       
       Tierschützer haben einen jungen Schweinswal gerettet, der vom Tsunami mehr
       als einen Kilometer weit ins Landesinnere gespült worden war. Der
       Schweinswal wurde am Dienstag in einem überschwemmten Reisfeld entdeckt,
       eingefangen und zurück ins Meer gebracht. Das einen Meter lange Tier hatte
       ein paar Kratzer, wirkte aber anderweitig gesund, sagte Takashi Wagatsuma,
       Besitzer einer Zoohandlung.
       
       7.19 Uhr: Drei Arbeiter gefährlich verstrahlt 
       
       Drei Arbeiter haben eine außerordentlich hohe Strahlendosis abbekommen. Sie
       seien 170 bis 180 Milisievert ausgesetzt gewesen, sagte Hidehiko Nishiyama
       von der japanischen Atomsicherheitsbehörde (NISA). Die drei Arbeiter seien
       radioaktiven Elementen ausgesetzt gewesen, als sie Stromkabel verlegt
       hätten. Zwei von ihnen seien mit Verbrennungen an den Beinen ins
       Krankenhaus gebracht worden. Sie hatten an Reaktor 3 gearbeitet. Für die
       Arbeiter in den Reaktorblöcken war zuvor ein maximaler Strahlengrenzwert
       von 150 Millisievert festgelegt worden.
       
       6.44 Uhr: Strahlung in Tokios Leitungswasser sinkt wieder 
       
       Die Belastung des Trinkwassers mit radioaktivem Jod ist in Tokio wieder
       unter den Grenzwert für Neugeborene gefallen. Bei einer neuen Untersuchung
       des Wassers seien deutlich verbesserte Werte festgestellt worden,
       versicherte ein Vertreter der städtischen Behörden. In einer benachbarten
       Stadt beträgt die gemessene Radioaktivität nach wie vor mehr als das
       Doppelte des Grenzwerts.
       
       6 Uhr: Japanisches Flugzeug in China strahlenverseucht 
       
       China hat an einem Flugzeug aus Japan erhöhte Strahlenwerte festgestellt.
       Die Frachtmaschine sei vor einer Woche in der Hafenstadt Dalian in der
       nordöstlichen Provinz Liaoning gelandet und kontrolliert worden, meldet die
       chinesische staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Demnach erreichte die
       Radioaktivität ihrer Fracht 2,2 Millisievert pro Stunde, was 22 Mal so hoch
       ist wie normal. Das Flugzeug sei nicht gestoppt worden, meldete Xinhua
       weiter.
       
       5.34 Uhr: Reaktor 1 hat teilweise wieder Strom 
       
       Der Kontrollraum des ersten Reaktors ist zumindest teilweise wieder an die
       Stromversorgung angeschlossen worden. Am Morgen sei in der dortigen
       Schaltzentrale die Beleuchtung wieder angegangen, sagte ein Vertreter von
       Japans Atomaufsicht. Es sei aber noch nicht klar, ob damit auch das
       Kühlsystem des Reaktors 1 wieder in Betrieb gehen könne.
       
       5.06 Uhr: DGB-Chef will keine Laufzeitverlängerung 
       
       DGB-Chef Michael Sommer fordert die umgehende Zurücknahme der
       Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke. "Wenn Frau Merkels
       Atom-Manöver nur dazu dienen sollen, Zeit zu schinden, werden wir ihr das
       nicht durchgehen lassen", sagte er der Passauer Neuen Presse.
       
       4.01 Uhr: Wasser auch in Tokios Nachbarstadt verstrahlt 
       
       Auch in einer Nachbarregion zu Tokio ist das Trinkwasser verstrahlt. In
       einer Wasseraufbereitungsanlage in Kawaguchi sind erhöhte Werte
       festgestellt worden, meldet Kyodo. Demnach überschreitet die Strahlung mit
       120 Becquerel an radioaktivem Jod leicht die für Säuglinge erlassenen
       Grenzwerte. In Tokio wurden am Mittwoch im Wasser 210 Becquerel
       festgestellt.
       
       3.48 Uhr: Edano: "Nicht zu optimistisch" 
       
       Die Situation des Atomkraftwerks Fukushima gibt nach Einschätzung der
       japanischen Regierung weiter Anlass zu großer Sorge. "Nach gegenwärtiger
       Lage dürfen wir nicht zu optimistisch sein", sagte Regierungssprecher Yukio
       Edano.
       
       Der Regierungssprecher räumte ein, dass die Temperatur im Kern des Reaktors
       1 zwischendurch wieder dramatisch gestiegen sei. Inzwischen sei sie aber
       wieder gesunken. Bislang gebe es keine Hinweise auf eine Beschädigung des
       inneren Reaktorbehälters.
       
       3.40 Uhr: SPD und Grüne wollen Abschaltgesetz 
       
       SPD und Grüne wollen heute ein Gesetz zur Abschaltung von 8 der 17
       deutschen Atomkraftwerke in den Bundestag einbringen. Der SPD-Entwurf sieht
       vor, dass zum 15. Juni Biblis A, Neckarwestheim I, Biblis B, Brunsbüttel,
       Isar I, Unterweser, Philippsburg I und Krümmel endgültig vom Netz gehen.
       Die Reststrommengen sollen verfallen, also nicht auf andere Meiler
       übertragen werden können.
       
       3.16 Uhr: Behörde verteilt Aufklärungs-Comic 
       
       Die japanische Atom-Behörde NISA hat eine comicartige Aufklärungsbroschüre
       für den atomaren Notfall veröffentlicht. Anhand kleiner Zeichnungen erklärt
       die NISA darin, wie sich Menschen im Ernstfall verhalten sollen und wie
       eine Panik vermieden werden kann. "Höre ganz genau zu. Bleibe ruhig und
       folge den Anordnungen, die die Behörden verbreiten", heißt es darin.
       Ausdrücklich warnt die NISA vor Desinformation im Fall atomarer Gefahr:
       "Pass auf, dass Du nicht auf Gerüchte hereinfällst", lautet eine Mahnung.
       
       3.03 Uhr: Firmen in Deutschland erwägen Kurzarbeit 
       
       Mehrere deutsche Unternehmen mit Lieferanten in Japan erwägen die
       Beantragung von Kurzarbeit. Es lägen "erste Anfragen aus dem
       Automobilbereich" vor, sagte eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit
       der Süddeutschen Zeitung. Die Agentur rechnet damit, dass in den kommenden
       Wochen die ersten Anträge auf Kurzarbeitergeld eingingen. Noch könnten
       Betriebe, die auf Lieferungen aus Japan angewiesen seien, Engpässe jedoch
       ausgleichen, sagte die Sprecherin. "Wir spüren aber schon jetzt einen
       gestiegenen Beratungsbedarf bei den Unternehmen."
       
       2.36 Uhr: Neue Gefahr durch Salz 
       
       Der ehemalige Reaktorsicherheitschef des US-Konzerns General Electric hat
       vor neuen Risiken im Atomkraftwerk gewarnt. Nach der Kühlung der Anlagen
       mit Meerwasser hätten sich in den Reaktoren große Mengen Salz angesammelt,
       das die Brennstäbe verkrusten und damit die Wasserkühlung blockieren könne,
       sagte Richard Lahey der Zeitung New York Times. General Electric hat die
       Siedewasserreaktoren in Fukushima entwickelt.
       
       Lahey schätzt, dass sich im Reaktorblock 1 etwa 26 Tonnen Salz angesammelt
       haben könnten, in den größeren Blöcken 2 und 3 sogar jeweils 45 Tonnen. Ein
       Teil des Salzes könnte sich am Boden der Reaktoren abgelagert haben. Bei
       einer Erhitzung des Meerwassers sei es aber wahrscheinlich, dass sich Salz
       vor allem an den Brennstäben ablagere. Die Betreibergesellschaft Tepco hat
       erklärt, dass die massive Kühlung der Reaktorblöcke mit Meerwasser von
       außen in den nächsten Tagen ersetzt werden solle durch die reguläre Kühlung
       mit Süßwasser. Dazu muss allerdings erst das Pumpsystem mit der
       Hauptkühlleitung der Reaktoren instand gesetzt werden.
       
       2.08 Uhr: Am Reaktor 3 wird wieder gearbeitet 
       
       Nach einer fast eintägigen Pause werden die Arbeiten am Unglücksreaktor 3
       wieder aufgenommen. Die Ingenieure seien auf das Geländer zurückgekehrt,
       meldet Kyodo. Die Arbeiten waren ausgesetzt worden, nachdem am Mittwoch
       schwarzer Rauch aus dem Reaktor aufgestiegen war.
       
       1.30 Uhr: Erneut Nachbeben 
       
       Ein Erdbeben der Stärke 4,9 hat erneut den Osten Japans erschüttert. Es
       lägen zunächst keine Berichte über Schäden vor, berichtet NHK. Eine
       Tsunami-Warnung wurde nicht ausgesprochen.
       
       1.14 Uhr: Fukushima geht erst los 
       
       Die Situation im Katastrophen-AKW Fukushima ist nach Meinung des
       Präsidenten der Gesellschaft für Strahlenschutz, Sebastian Pflugbeil,
       keineswegs entschärft. "Wir sind in der Liga von Tschernobyl", sagte
       Pflugbeil im Deutschlandradio Kultur. Der Zerfall des radioaktiven
       Materials gehe weiter.
       
       Pflugbeil wies auf Messergebnisse der Internationalen Atomenergiebehörde
       (IAEA) in der Umgebung von Fukushima hin: Die Strahlenbelastungen dort
       seien vergleichbar mit den Belastungen nach dem Unglück von Tschernobyl.
       Der Experte bezeichnete es als "Medienproblem", dass die Nachrichten von
       der Reaktorkatastrophe langsam in den Hintergrund rückten: "Faktisch geht
       das Problem in Japan erst los."
       
       1 Uhr: Trinkwasser ist ausverkauft 
       
       Nach der Warnung vor radioaktivem Jod im Leitungswasser der japanischen
       Hauptstadt Tokio gibt es in den Geschäften kaum noch abgefülltes Wasser in
       Flaschen. Viele Bewohner der Hauptstadt versuchen nun, in Online-Shops
       Wasser zu bestellen. Das verfügbare Angebot reiche aber nicht für alle aus,
       berichtet NHK. Die Stadtverwaltung von Tokio kündigte an, abgefülltes
       Wasser für Familien mit Kindern unter zwölf Monaten bereitzustellen. Rund
       80.000 Haushalte sollen mit Wasser in 3,5 Liter-Flaschen versorgt werden.
       
       0.39 Uhr: Kraftwerksmitarbeiter hoch verstrahlt 
       
       Der japanische Fernsehsender NHK zeigt eine dramatische Szene von einem der
       50 Kraftwerksmitarbeiter, denen in den ersten Tagen nach den
       Reaktorunfällen verboten wurde, das Gelände zu verlassen. Er ist so
       verstrahlt, dass er seinen Sohn nicht umarmen darf. Experten befürchten,
       die Radioaktivität ist so groß, dass ein Großteil dieser 50 Mitarbeiter
       schon bald dem Strahlentod erliegen wird.
       
       0.37 Uhr: Autobahn ins Katastrophengebiet wieder frei 
       
       Die wichtigste Autobahn in der betroffenen Region ist wieder für den
       öffentlichen Verkehr freigegeben worden. Die Tohoku-Schnellstraße konnte
       nach dem Erdbeben vom 11. März nur mit Sondererlaubnis genutzt werden. Die
       Beschränkungen für den öffentlichen Verkehr sollte die Beförderung von
       Einsatzkräften und den Transport von dringend benötigten Hilfsgütern
       beschleunigen. Jetzt ist die Autobahn wieder freigegeben worden, damit die
       Aufräumarbeiten und der Wiederaufbau auf breiter Front in Gang kommen,
       meldet die Nachrichtenagentur Kyodo.
       
       23:30 Uhr: Kanada verstärkt Lebensmittel-Kontrollen 
       
       Die kanadische Lebensmittelüberwachung hat umfangreichere Kontrollen der
       Importe aus japan angekündigt. Milchprodukte, Früchte und Gemüse aus der
       näheren Umgebung der havarierten Atomanlage sollen künftig nicht mehr
       eingeführt werden, wenn sie nicht auf ihre Unbedenklichkeit hin überprüft
       wurden und dies schriftlich festgehalten wurde, teilte die Behörde mit. Mit
       der Entscheidung folgt Kanada anderen Staaten wie den USA, die bereits
       zuvor angekündigt hatten, Importe von Molkereiprodukten und
       landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus dem Gebiet um das havarierte
       Atomkraftwerk zu stoppen.
       
       23:24 Uhr: Tokio verteilt Wasserflaschen für Kleinkinder 
       
       Die Stadtverwaltung von Tokio hat angekündigt, abgefülltes Wasser für
       Familien mit Babys bereitzustellen. Die lokalen Behörden seien
       aufgefordert, an diesem Donnerstag rund 80.000 Haushalte mit 3,5
       Liter-Flaschen zu versorgen, berichtet NHK. Zudem rief die Stadtverwaltung
       Mineralwasser-Hersteller dazu auf, ihre Produktion hochzufahren.
       
       Die Behörden ziehen damit die Konsequenz aus Messergebnissen in einer
       Wasseraufbereitungsanlage, wo erhöhte Werte an radioaktivem Jod 131
       festgestellt worden waren. Die Behörden ordneten an, dass Babys in 23
       Stadtteilen Tokios sowie in fünf weiteren Städten kein Leitungswasser mehr
       trinken dürfen.
       
       23:18 Uhr: Zahl der Toten steigt auf 9.500 
       
       Die Zahl der Toten ist auf 9.523 gestiegen. Nach Polizeiangaben werden
       weiterhin etwa 16.000 Menschen vermisst. 
       
       23:11 Uhr: Kein Leitungswasser für Kleinkinder 
       
       Tokios Kleinkinder sollen kein Leitungswasser mehr trinken, Babynahrung
       soll nur noch mit Flaschenwasser zubereitet werden. Das sagte der
       Regierungschef der Hauptstadtregion, Shintaro Ishihara, nachdem im
       Trinkwasser erhöhte Werte radioaktiven Jods gemessen wurden.
       
       22:48 Uhr: Teuerste Naturkatastrophe der Geschichte 
       
       Das Erdbeben und der Tsunami im Nordosten Japans dürften die bisher
       teuerste Naturkatastrophe gewesen sein. Nach Schätzungen der japanischen
       Regierung könnten sich die Kosten auf 16 bis 25 Billionen Yen (138,9
       Milliarden bis 217 Milliarden Euro) belaufen. Damit lägen die Kosten noch
       deutlich über den 125 Milliarden Dollar, die der Hurrikan "Katrina" 2005 in
       New Orleans und Umgebung verursacht hat.
       
       Quellen: dpa, reuters, dapd, kyodo, nikkei, nhk
       
       24 Mar 2011
       
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