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       # taz.de -- Exiltibeter wählen neue Regierung: Wahlkampffieber am Himalaja
       
       > In ihrer indischen Hochburg Dharamsala diskutieren die Exiltibeter vor
       > der Wahl am Sonntag heftig. Auch wegen des angekündigten Rückzugs des
       > Dalai Lama.
       
   IMG Bild: Wahlkampfplakate von Lobsang Sangay, der für das Amt des Exilpremierministers kandidiert, im indischen Dharamsala.
       
       DHARAMSALA taz | In den rustikalen Cafés und Momo-Restaurants im indischen
       Dharamsala debattieren in diesen Tagen Mönche und Gruppen junger Tibeter
       bei einer Tasse Instant-Cappuccino heftig über Politik sowie die Vor- und
       Nachteile ihrer Kandidaten.
       
       Denn am Sonntag will die weltweit verstreut lebende Gemeinschaft der
       Exiltibeter, die heute rund 150.000 Mitglieder zählt, ihre neue Regierung
       wählen. Dabei geht es erstmals um mehr als bloße Akklamation. Der Dalai
       Lama, spiritueller Führer und Regierungschef in einer Person, hatte
       vergangene Woche in Dharamsala erneut bekräftigt, den Rückzug antreten zu
       wollen.
       
       Es ist vor allem der Wunsch des 76-Jährigen, bald alle seine politischen
       Ämter niederzulegen, der die tibetischen Wähler elektrisiert. Zum anderen
       ist es die Tatsache, dass es erstmals einen echten Wahlkampf um das Amt des
       Exilpremiers gibt. Der wird weltweit und im Internet geführt, mit reichen
       Sponsoren und vielem Händeschütteln.
       
       Aus den weltweiten Vorwahlen im letzten November sind als Favoriten drei
       Kandidaten hervorgegangen. Allen voran der smart wirkende
       Harvard-Juradozent Lobsang Sangye. Er trägt Anzug und Krawatte statt
       Mönchskutte und ist kein Tibetflüchtling wie seine Mitkämpfer.
       
       Gegen ihn werden der Exexilpremier Tenzin N. Thethong und der
       Exaußenminister Tashi Wangdi antreten. Thetong ist den Tibetern seit
       Jahrzehnten als erfolgreicher US-Lobbyist bekannt und gilt als "erfahrener
       Macher".
       
       Der künftige Premier wird in eine Regierungskrise stolpern. Den Rückzug des
       Dalai Lama sieht die Exilcharta von 1959 nicht vor. Nochpremier Samdhong
       Rinpoche fürchtet eine "Legitimitätskrise". Zudem wächst die Ungeduld
       junger Tibeter angesichts der schlechten Lage der Tibeter in Tibet.
       
       "Der Dalai Lama ist mit seiner Politik des mittleren Weges gescheitert",
       sagt Dhondup Lhadar, 36, Vizepräsident des Tibetischen Jugendkongresses,
       der mit 35.000 Mitgliedern größten tibetischen Exil-NGO. Wie er fordern
       viele junge WählerInnen, dass die ergebnislosen Dialoge mit Peking
       abgebrochen und nur weitergeführt werden sollten, wenn das Ziel neu
       justiert werde.
       
       Sie träumen nicht wie der Dalai Lama von "Autonomie", die schon jetzt nicht
       funktioniere, sagen einige der jungen Mönche. Sie träumen von der
       Unabhängigkeit Tibets und hoffen, dass eine neue politische Führung der
       Exilgemeinde eine mehr aktivistische Note hinsichtlich Chinas verpasst. Mit
       seinem Rückzug ist der Oberhirte seinem eigentlichen Ziel einen großen
       Schritt näher gekommen: Er wollte seine Exilgemeinde politisch aufrütteln.
       Das hat funktioniert.
       
       18 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Adrienne Woltersdorf
       
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