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       # taz.de -- Parteispenden aus der Chemieindustrie: Die schwarz-gelbe Genkoalition
       
       > Gentech- und Nahrungsmittelkonzerne spenden viel Geld an Schwarz-Gelb,
       > aber kaum an die Grünen. Gleichzeitig machen Union und FDP
       > industriefreundliche Politik.
       
   IMG Bild: Das Gegenteil von Gentechnik und Ernährungsindustrie: Alte Kartoffelsorten vom Biohof.
       
       BERLIN taz | Die Chemie- und die Lebensmittelbranche haben im Wahlkampfjahr
       2009 besonders viel an die Parteien der jetzigen schwarz-gelben Koalition
       gespendet. Nun treffen CDU, CSU und FDP Entscheidungen im Sinne der
       Unternehmen.
       
       Der Verband der Chemischen Industrie, der Arbeitgeberverband Chemie
       Rheinland-Pfalz und der inzwischen verstorbene Chemiehändler Hermann
       Schnabel zahlten Union und FDP den aktuellen Rechenschaftsberichten der
       Parteien zufolge insgesamt mindestens 895.000 Euro. Die bis 2009
       mitregierende SPD erhielt nur 71.000 Euro an Spenden, die einzeln jeweils
       mehr als 10.000 Euro betragen und deshalb offengelegt werden müssen. Grüne
       und Linke, die auf strengere Regeln für gentechnisch verändertes Saatgut
       und Pestizide der Chemiekonzerne dringen, gingen leer aus.
       
       Union und FDP sprachen sich in ihrem Koalitionsvertrag klar für
       Gentechpflanzen aus. Ergebnis: Seit 2010 darf die Kartoffel Amflora des
       Chemiemultis BASF in Deutschland angebaut werden. Auch ein weiteres Projekt
       der Koalition spielt der Industrie in die Hände: Agrarministerin Ilse
       Aigner (CSU) arbeitet an einem Gesetzentwurf, wonach das oft kritische
       Umweltbundesamt kein Veto mehr bei der Zulassung vieler Pestizide haben
       soll.
       
       ## 
       
       Die Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG, die Südzucker AG und andere
       Lebensmittelkonzerne oder -unternehmer ließen sich die guten Kontakte zu
       Union und Liberalen mindestens 616.000 Euro kosten. Die SPD erhielt
       lediglich 62.000 Euro an veröffentlichungspflichtigen Spenden, Grüne und
       Linke bekamen dagegen keine. Im Gegensatz zu den beiden Oppositionsparteien
       trug die Koalition dazu bei, dass die EU eine Kennzeichnung etwa des
       Zuckergehalts von Lebensmitteln mit den Ampelfarben verhinderte. Hersteller
       wie Oetker lehnten dieses System vehement ab.
       
       Zudem kämpft die schwarz-gelbe Regierung dafür, dass Agrarsubventionen auch
       weiterhin nicht an besondere Umweltauflagen gekoppelt werden. Alles andere
       könnte Spendern wie Süd- und Nordzucker Ärger bereiten. Beide Unternehmen
       kassierten allein 2009 insgesamt 47 Millionen Euro aus dem EU-Agrarfonds.
       Die Daten, die das belegen, nahm das Aigner-Ministerium kürzlich aus dem
       Internet.
       
       ## 
       
       Ein Beweis, dass die Koalition wegen der Spenden so handelt, fehle zwar,
       sagt die Agrarexpertin der Umweltorganisation BUND, Reinhild Benning. "Aber
       fest steht, dass die Parteien viel Geld und die Unternehmen eine ihnen
       genehme Politik bekommen. Da gibt es möglicherweise eine Verknüpfung."
       
       Die FDP-Agrarsprecherin Christel Happach-Kasan antwortete darauf, sie sei
       "nicht wegen Geldspenden, sondern aufgrund wissenschaftlicher Argumente und
       aus liberalen Gesichtspunkten heraus" für die Agrogentechnik und gegen die
       Lebensmittelampel. Auch der Verband der Chemischen Industrie bestritt einen
       Zusammenhang zwischen Spenden und Politik. Man habe ebenfalls den Grünen
       gespendet, aber weniger als 10.000 Euro. Südzucker teilte mit, seine
       Zuwendungen "berücksichtigten alle großen, demokratischen Parteien". Die
       Union ließ eine taz-Anfrage unbeantwortet.
       
       17 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Parteispenden-Watch
       
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