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       # taz.de -- Doku über Teeniestar Justin Bieber: Erregung bis zu den Zahnspangen
       
       > Die Doku "Never say never" zeigt Justin Bieber in 3-D. Das wirft Fragen
       > auf: Hat der Teeniestar außer Musik was in der Birne? Oder ist er der
       > erste Pop-Android?
       
   IMG Bild: Justin singt und tanzt, die Mädchen heulen. So einfach funktioniert das.
       
       Falls es jemand noch nicht weiß: Justin Bieber ist ein Sänger aus Kanada,
       dessen Auftritt 2010 im Madison Square Garden innerhalb von 22 Minuten
       ausverkauft war. Er wurde 2008 von einem Manager entdeckt, dem ein von
       Justins Mutter bei Youtube eingestelltes, bis heute über 27 Millionen Mal
       angeklicktes Homevideo gefallen hatte.
       
       Darauf sitzt ein kleiner Junge zwischen Bart-Simpson- und Tupac-Plakaten
       auf einem Sofa und singt einen R-n-B-Chartshits nach. Vor einer Woche ist
       Justin 17 Jahre alt geworden. Die Mädchenschwärme bei seinen Konzerten sind
       meistens jünger, können jeden Song auswendig und halten selbstgekritzelte
       Heiratsaufforderungen in die Luft, während ihnen Tränen der Erregung aus
       den geschminkten Kinderaugen bis zu den Zahnspangen laufen.
       
       Dass "Never say never", die Justin-Bieber-Geschichte in 3-D, dennoch nicht
       nur das alte "Lebe deinen Traum"- und "Jeder kann es schaffen"-Geseiere
       bebildert, sondern einen eher ratlos als ärgerlich zurücklässt, liegt an
       der Machart: Von Justin, dem Star des Films, dem Teenager, der in
       sämtlichen weiblichen, noch nicht erwachsenen US-amerikanischen Herzen
       residiert, hört man während der 105 Minuten zwar Songs satt, aber nur fünf
       gesprochene Sätze.
       
       ## Überirdisch timingfest
       
       Einmal muss er vor einem Auftritt ein grünes Kräutergebräu hinunterwürgen,
       sein Freund Usher hat es ihm gegen Erkältung in die Hand gedrückt. "Das
       schmeckt wie Dinosaurierpisse", sagt Justin. Ein anderes Mal bittet er den
       Kameramann um eine Drehpause, er müsse die Hose wechseln.
       
       Und als die Filmemacher ihn ins Haus seiner Großeltern begleiten, zeigt er
       auf einen ausgestopften Fuchs und erzählt die pointenlose Geschichte, wie
       er und seine Kumpels dem Fuchs aus Versehen ein Bein abschlugen und den
       Vorfall auf jemand anders schoben. Ansonsten singt Justin, er tanzt groovy
       und wackelig, er trommelt schon mit zwei Jahren überirdisch timingfest, und
       er guckt so süüüüüüüüüüüß, dass alle Dämme brechen.
       
       Wissen möchte man also, während die Kamera Justins altersgemäße Nervosität
       einfängt, seine körperlichen Clownereien abseits der Bühne, sein
       professionelles Entertainment darauf, während sie aber sämtliche
       Informationen, Einschätzungen und Anekdoten von anderen, Erwachseneren, von
       Coaches, Managern, alten Hasen, Mutter und Opa abgeben lässt, wer dieser
       kleine Junge eigentlich ist. Und was er eigentlich ist: Einfach nur ein
       musikalisch absolut hochbegabter Teenstar mit nicht viel außer Musik in der
       Birne, der das Glück hatte, eine junge, Social-Network-affine Mutter zu
       haben?
       
       Ist er, obwohl der Film genau das Gegenteil propagiert, das Machwerk eines
       subtil arbeitenden Managers, der auf David gegen Goliath, also Fleiß und
       Youtube-Klicks gegen professionelle Vermarktungsstrategien setzt und damit
       den umschwärmtesten Unterhaltungsmarkt, die Pickelteenies, eroberte? Oder
       ist er vielleicht - nach den virtuellen Popstars Hatsune Miku und E-Cyas -
       der erste echte Pop-Android? Würde er in der Hochzeitsnacht mit einem
       schmachtenden "less lonely girl" schon unter dessen Pulli wollen? Ist
       Justin überhaupt ein Mensch?
       
       "Never say never" ist sich dieser Zweifel bewusst und setzt Biebers
       menschliche Stimmbandprobleme groß in Szene: Noch drei Tage bis zum Madison
       Square Garden, der als Ziel über der gesamten Dramaturgie schwebt, und
       Justin ist heiser. Ein HNO-Arzt leuchtet in den juwenilen Rachen, findet
       Rötungen und verschreibt eine Auftrittspause. Oder hat er in Wirklichkeit
       Ritalin gespritzt? Hat hinten in Justins Kehle den Stimmbruch lauern sehen?
       Oder ein paar Schrauben festgezogen?
       
       Doch die Spannung steigt, Justin liegt zwei Tage stumm twitternd im Bett,
       am Ende ist alles paletti. Justin singt und tanzt, die Mädchen heulen und
       man lässt seine Gedanken zu anderen begabten Kinderstars schweifen. Michael
       Jackson ist tot, Aaron Carter ist in der Reha, Lindsey Lohan meist auch.
       Aber die letzteren zwei waren eindeutig weniger talentiert.
       
       10 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jenni Zylka
   DIR Jenni Zylka
       
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