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       # taz.de -- Neue Regierung in Frankreich: Konkurrenz für Sarkozy
       
       > Der neue Außenminister Alain Juppé tritt unter klaren Bedingungen an: Er
       > will die Diplomatie leiten. Dafür wird er schon jetzt von der
       > französischen Presse gefeiert.
       
   IMG Bild: Alain Juppé wird nicht einfach ein Sprachrohr seines Chefs sein, so viel ist jetzt schon klar.
       
       PARIS taz | Der neue Außenminister Alain Juppé wird von mehreren
       französischen Zeitungen als "starker Mann" in der umgebildeten Regierung
       und als "Retter" für den angeschlagenen Ruf der französischen Diplomatie
       bezeichnet. Er gilt aufgrund seiner Erfahrung als politisches Schwergewicht
       und dürfte sich nicht mit der Rolle eines bloßen Sprachrohrs des
       Staatschefs in der Außenpolitik begnügen.
       
       Juppé war von 1993 bis 1995 Chef der Diplomatie und danach erster Premier
       von Präsident Jacques Chirac, dessen engster Mitarbeiter er schon im
       Rathaus von Paris und in der Führung der gaullistischen Partei RPR gewesen
       war. Mehrfach war er politisch für erledigt erklärt worden, konnte jedoch
       immer wieder sein Comeback feiern.
       
       Für einen Präsidenten, der bisher uneingeschränkt die Außenpolitik bestimmt
       und verkörpert hat, kann durch eine solche Persönlichkeit Konkurrenz
       erwachsen. Die Notlage, in der sich die Staatsführung nicht zuletzt durch
       die Tunesien-Affäre der abgesetzten Außenministerin Alliot-Marie befand,
       ließ Sarkozy aber keine andere Wahl.
       
       In manchen Kommentaren wie in Sud-Ouest wird bereits gefolgert: "Die
       Rückkehr von Juppés ins Quai dOrsay (Außenministerium) ist ein Ausdruck der
       Schwäche von Nicolas Sarkozy." Und eine andere Regionalzeitung, Courrier
       Picard, prophezeit, der Staatschef starte nun "geschwächt, ermüdet und
       fiebrig in die letzte Etappe seiner Amtszeit", die in etwas mehr als einem
       Jahr zu Ende geht.
       
       Gerüchten zufolge hat Juppé seinen Job als Nachfolger von Alliot-Marie nur
       unter der Bedingung akzeptiert, dass künftig der Außenminister und nicht
       ein Berater des Staatschefs die Diplomatie leitet. Die Kontakte zu Syrien
       oder Afrika waren ein exklusiver Bereich des Generalsekretärs im
       Élysée-Palast, Claude Guéant. Über die restliche Welt entschied der
       diplomatische Berater, Jean-David Levitte.
       
       Juppés Forderung nach einer Klärung der Kompetenzen zwang Sarkozy zu einem
       doppelten Opfer. Er musste auch seinen langjährigen Freund, Innenminister
       Brice Hortefeux, über die Klinge springen lassen und auf Guéant im Élysée
       verzichten, der Hortefeux Nachfolger wird.
       
       Eine andere Frage ist, ob es sich der Präsident, der aus seinem Wunsch nach
       einem zweiten Mandat keinen Hehl macht, leisten kann, dass sich neben ihm
       auf dem internationalen Parkett ein "starker Mann" profiliert. Zweifellos
       setzt Sarkozy darauf, dass es ihm der doppelte G-8- und G-20-Vorsitz
       erlauben wird, nach dem Debakel seiner Diplomatie in Tunesien, Ägypten und
       Libyen rasch zu neuem Prestige zu kommen und so auch innenpolitisch seine
       Aussichten auf eine Wiederwahl zu retten.
       
       28 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
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