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       # taz.de -- Kommentar Frankreich: Wenn Diplomaten laut werden
       
       > Sarkozy hat aus wirtschaftlichen Interessen viel zu lange zur arabischen
       > Revolution geschwiegen. Jetzt opfert er seine Außenministerin – um sich
       > selbst zu retten.
       
   IMG Bild: Ist vergleichsweise glimpflich davongekommen: Sarkozys Sonderberater Henri Guaino.
       
       Dass ausgerechnet Diplomaten mit ihrer Kritik an der französischen
       Staatsführung das Gebot der Zurückhaltung und ihre berufliche
       Schweigepflicht brechen, grenzt an Meuterei und ist symptomatisch für einen
       schweren Autoritätskonflikt im Staatsapparat. Die Berufsdiplomaten
       verurteilen die Außenpolitik von Nicolas Sarkozy als "amateurhaft",
       "improvisiert" und "impulsiv".
       
       Sarkozys mangelnde Distanz zu Mubarak, Ben Ali und Gaddafi wird ihm nun zur
       Last. Gerade auf diese drei nämlich hatte er eine ehrgeizige
       Mittelmeerpolitik weitgehend abgestellt. Sie sollten Frankreichs
       Staatsführung Einfluss und der Rüstungs- und Nuklearindustrie
       Milliardenverträge sichern. Dafür drückte man gern mehr als nur ein Auge
       zu.
       
       Dass sich die umschmeichelten Partner nun bei der historischen Wende in den
       arabischen Ländern als kompromittierende Freunde erweisen, war
       vorauszusehen, denn auch in einer "pragmatischen" Außenpolitik heiligt der
       Zweck weder alle Mittel noch den Umgang.
       
       Vor allem aber haben es Sarkozy und seine Regierung versäumt, klar und
       sofort Partei zu ergreifen für die todesmutigen Demonstranten für
       Demokratie und gegen Diktatoren, die auf die Bevölkerung schießen lassen.
       Das Zögern ist mehr als nur peinlich und lässt sich nicht im Nachhinein mit
       einer Fernsehansprache des Präsidenten aus der Welt reden.
       
       Gerade von dem Land der Aufklärung, das sich auch gern als "Wiege der
       Menschenrechte" bezeichnet, hätten die verfolgten Oppositionellen in den
       geschichtsträchtigen Stunden etwas ganz anderes verdient als betretenes
       Schweigen und als Dreingabe eine unglaubliche Serie von Fauxpas einer
       Außenministerin, die der Staatschef zur Sühne öffentlich opfern muss - um
       seinen eigenen Kopf zu retten.
       
       27 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
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