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       # taz.de -- Sarrazin und die Kirche in Halberstadt: Wahlkampfhilfe für Rechtsextreme
       
       > Zwei Pfarrer in Halberstadt in Sachsen-Anhalt laden Sarrazin zur
       > Diskussion ein. Das lässt sich die NPD nicht entgehen und will den Besuch
       > für ihren Wahlkampf nutzen.
       
   IMG Bild: Wollen sich wieder in Erinnerung rufen: die Halberstädter Neonazis.
       
       Knapp vier Wochen vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt bietet das
       Evangelische Kirchspiel in Halberstadt der NPD eine unverhoffte
       Wahlkampfplattform. Zwei Pfarrer haben Thilo Sarrazin für Donnerstag zu
       einer Diskussion mit Halberstädter Bürgern eingeladen - zum Missvergnügen
       der Kirchenleitung, aber zur Freude der Rechtsextremen. Der
       NPD-Spitzenkandidat Matthias Heyder kündigte prompt an, den
       "Wahlkampfhelfer Thilo Sarrazin" zu begrüßen. Parallel zu Sarrazins
       Auftritt im Halberstädter Dom hat die NPD eine Kundgebung vor der Kirche
       angekündigt. Das Motto: "Wir wissen: Sarrazin hat Recht!"
       
       Die NPD steht laut Umfragen in Sachsen-Anhalt derzeit bei fünf Prozent,
       könnte also in einen dritten ostdeutschen Landtag einziehen. So nutzt sie -
       wie jetzt mit Sarrazin - jede Chance, sich beim Wähler in Erinnerung zu
       rufen.
       
       Die Pfarrer, die Sarrazin eingeladen haben, denken trotzdem nicht daran,
       die Veranstaltung abzusagen. "Die NPD ist eine erlaubte Partei, so leid mir
       das tut", sagte Pfarrer Harald Kunze der taz. Auch zwischen dem Engagement
       der evangelischen Kirche gegen Rechtsextremismus und Rassismus und
       Sarrazins Thesen sieht Kunze keinen Widerspruch: "Ich kann in seinem Buch
       keine eindeutig islamfeindliche Haltung erkennen."
       
       Die Kirchenleitung kritisiert die Veranstaltung zwar, sieht sich aber
       machtlos. Sie finde die Einladung an Sarrazin "nicht richtig", sagte die
       Magdeburger Bischöfin Ilse Junkermann der taz. Die Veranstaltung passe
       nicht zum Anliegen der Kirche, Rechtsextremismus und Rassismus
       entgegenzutreten. Man habe die Pfarrer gebeten, den Termin wenigstens zu
       verschieben, jedoch ohne Erfolg. Und letztlich hätten die Pfarrer das
       Hausrecht.
       
       So argumentiert auch die Superintendentin des Kirchenkreises Halberstadt,
       Angelika Zädow. "Der Kreiskirchenrat hat dringend um eine Verlegung des
       Termins gebeten", sagte Zädow der taz. "Verbieten können wir die
       Veranstaltung aber nicht."
       
       Zädow sieht aber keinen Anlass, nun gegen die NPD und Sarrazin zu
       protestieren. Die Kirche in Halberstadt habe oft genug ihre Kritik an den
       Rechtsextremen öffentlich gemacht: "Die Menschen hier kennen unsere Haltung
       zur NPD."
       
       Doch einigen Gläubigen in Halberstadt genügt das nicht. Sie wollen mit
       Friedensgebeten vor der Sarrazin-Lesung auf dem Domplatz "Gesicht zeigen".
       Die Aktion richte sich dagegen, dass Sarrazin ein kirchliches Podium
       geboten werde, sagt Pfarrerin Angela Kunze-Beiküfner.
       
       Unterstützt werden die Proteste von der "Arbeitsgemeinschaft Kirche und
       Rechtsextremismus" in Mitteldeutschland. Deren Leiter Christian Liebchen
       kritisiert auch die Kirchenleitung. Schon im Januar habe er auf die
       Problematik einer Sarrazin-Lesung im Wahlkampf aufmerksam gemacht und
       gewarnt, dass "das biologistisch-rassistische Weltbild" Sarrazins mit den
       Positionen der Kirche unvereinbar sei, sagte Liebchen zur taz. Dass die NPD
       den Termin nun für ihre Ziele nutze, dürfe niemanden überraschen.
       
       Für die evangelische Kirche in Sachsen-Anhalt ist es schon die zweite
       NPD-Affäre in diesem Landtagswahlkampf. Erst vor wenigen Wochen warf sie
       einen Kirchenvorstand aus dem Amt, weil der als NPD-Direktkandidat zur Wahl
       antritt.
       
       23 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Astrid Geisler
       
       ## TAGS
       
   DIR Konzentrationslager
   DIR SPD
       
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