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       # taz.de -- Debatte Frauenquote: Wer von der Quote profitiert
       
       > Eine Frauenquote für Aufsichtsräte zu fordern ist fragwürdig. Besser wäre
       > es, wenn traditionelle Frauenberufe besser entlohnt würden.
       
   IMG Bild: Wo ist der Sinn? Frauen fühlen sich in sozialen Berufen oft erfüllter.
       
       Eines ist sicher: Auch nach dem Machtwort der Kanzlerin, die sich jetzt
       gegen eine Frauenquote für die Wirtschaft ausgesprochen hat, werden die
       Diskussionen, wie mehr Frauen in Aufsichtsräte zu bringen sind, nicht
       aufhören. Sie werden weiter um die Frage kreisen, ob dies durch eine 30-
       oder 40-Prozent-Quote oder mittels einer Zielquote - also durch ein von den
       jeweiligen Unternehmen freiwillig selbst gestecktes Ziel - erreicht werden
       kann. Doch der Eifer, mit dem für eine solche Quotierung gekämpft wird, ist
       fragwürdig.
       
       Stutzig machen muss es, wenn BefürworterInnen einer Frauenquote darauf
       hinweisen, dass Unternehmen, in denen Frauen stärker vertreten sind als im
       Bundesdurchschnitt, eine höhere Rendite erwirtschaften als andere. Falls
       tatsächlich ein solcher Zusammenhang besteht, muss die Frage erlaubt sein:
       Liegt es im Interesse von Frauen, Unternehmen lediglich zu größerem Gewinn
       zu verhelfen? Fragwürdig ist dies, weil hohe Gewinne oft erst dann möglich
       werden, wenn Personal abgebaut oder die Produktion in ein Billiglohnland
       ausgelagert wird. Für Unternehmensvorteile, die auf diese Art und Weise
       zustande kommen, möchte ich mich persönlich nicht starkmachen.
       
       Bislang waren Frauen in Aufsichtsräten oft jene, die von Gewerkschaften
       entsendet wurden. Wie aber ist es um deren Einflussmöglichkeiten bestellt,
       wenn es etwa darum geht, humanen Arbeitsbedingungen einen höheren
       Stellenwert einzuräumen als der Gewinnmaximierung? In die Öffentlichkeit
       dringt nichts darüber. Denn dort wird die Debatte nicht über Inhalte,
       sondern über die Verteilung der Geschlechter geführt. Das greift zu kurz.
       
       Callgirls für die Konzernspitze 
       
       Auch eine andere Frage wird nur oberflächlich debattiert. Wenn es denn
       stimmt, dass es sich für Unternehmen rechnet, wenn mehr Frauen im
       Aufsichtsrat sind - warum sperren sich diese Unternehmen so vehement nicht
       nur gegen ein Gesetz, sondern seit Jahrzehnten auch dagegen, mehr Frauen in
       ihre Aufsichtsräte zu holen? Warum handeln die Verantwortlichen hier so
       unökonomisch irrational, wenn es doch angeblich in ihrem eigenen Interesse
       liegen würde? Kurz: Was sind das für Männer in Aufsichtsräten, denen so
       sehr daran gelegen ist, unter sich zu bleiben? Was für eine
       Unternehmenskultur herrscht dort?
       
       Immer mal wieder sickern Affären durch, in denen es etwa um Callgirls für
       die Männer an der Spitze geht. Es würde sich lohnen, die Irrationalität und
       die Männerkultur in solchen Führungsgremien zu skandalisieren. Man könnte
       fordern, dass wichtige Führungspositionen - nicht nur in der Wirtschaft -
       nicht an Menschen vergeben werden sollten, die Persönlichkeitsmerkmale
       aufweisen, die auf unerwünschtes Verhalten hindeuten.
       
       Die Auslese müsste hier deutlich verbessert, die Praxis derzeit angewandter
       Rekrutierungsverfahren überprüft werden. Das wäre sicher lohnender, als
       "Quote gegen Quali" auszuspielen, wie es selbst die taz in einer
       LeserInnenumfrage getan hat. Das war schließlich nie ein Gegensatz: Im
       Gegenteil war die Quote dazu gedacht, dafür zu sorgen, dass die
       Qualifikation bei der Personalauswahl den Sieg über sachfremde Kriterien
       wie Männerbündelei davonträgt. Doch darüber wird viel zu wenig geredet.
       
       Stattdessen richten Gewerkschaften und Linke ihren Blick gern auf die
       unteren Ebenen der Einkommensleiter, und dort etwa auf die Lohndifferenz
       zwischen Frauen und Männern, den sogenannten Gender Pay Gap. Und zumindest
       auf den ersten Blick gibt es daran wenig auszusetzen. So hat der
       DGB-Vorsitzende Michael Sommer in diesem Zusammenhang erst jüngst darauf
       hingewiesen, dass Frauen und Männer bei gleicher Arbeit oft ungleich
       bezahlt würden.
       
       Gleicher Lohn für gleiche Arbeit 
       
       Vor drei Jahren haben die Gewerkschaften darum den jährlichen Equal Pay Day
       ins Leben gerufen: Er fällt in diesem Jahr auf den 25. März und markiert
       jenen Tag, bis zu dem Frauen in Deutschland über den Jahreswechsel hinaus
       arbeiten müssten, um auf das durchschnittliche Vorjahresgehalt von Männern
       zu kommen.
       
       Für Frauen müsste das Arbeitsjahr im Schnitt fast drei Monate länger sein,
       damit sie das gleiche Jahreseinkommen wie ihre männlichen Kollegen bekämen.
       An den jährlichen Aktionstagen zum Equal Pay Day trifft man in den
       Fußgängerzonen der Republik immer wieder auf Aktivisten, die paarweise in
       T-Shirts auftreten, auf denen ihr Beruf - zum Beispiel Köchin und Koch -
       und ihr durchschnittliches Monatseinkommen zu lesen ist. Das ist
       wirkungsvoll inszeniert! Allerdings illustrierten diese T-Shirts nur, wie
       notwendig die uralte Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit ist.
       
       Das Lohngefälle schönrechnen 
       
       Bezieht man die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern nur auf gleiche
       Tätigkeiten, beträgt sie nur noch 8 Prozent, wurde kürzlich errechnet.
       Alles halb so schlimm also? Nein. Denn der Gender Pay Gap geht in hohem
       Maße auf die unterschiedliche Bezahlung in Frauen- bzw. Männerberufen
       zurück: Frauenberufe sind solche, in denen überwiegend Frauen beschäftigt
       sind, Männerberufe entsprechende Männerdomänen. Wie hoch die Lohndifferenz
       zwischen Frauen- und Männerberufen ist, lässt sich erahnen, wenn man weiß,
       dass zwischen Frauen und Männern bei gleicher Tätigkeiten nur 8 Prozent
       Einkommensunterschied besteht, insgesamt aber 23 Prozent. Grund dessen ist
       die tarifliche Eingruppierung.
       
       Damit sind die Gewerkschaften gefordert. Vor ein paar Jahren hat Ver.di die
       niedrige Entlohnung von Erzieherinnen auf den Verhandlungstisch und im
       Rahmen des Erzieherinnenstreiks auf die Straße gebracht. Seither ist es
       wieder still geworden um dieses Thema. Nun gehen wir auf den nächsten Equal
       Pay Day und auf den Internationalen Frauentag zu, der in diesem Jahr sein
       100-jähriges Jubiläum feiert. Zugleich gibt es einen wirtschaftlichen
       Aufschwung, der selbst den Wirtschaftsminister zu höheren Löhnen raten
       lässt. All das sind gute Ausgangsbedingungen, um die niedrige tarifliche
       Eingruppierung in Frauenberufen anzuprangern und hier höhere Tarife und
       Löhne zu fordern. Dies wäre besser, als für eine Frauenquote in
       Aufsichtsräten zu kämpfen, von der nur eine privilegierte Minderheit
       profitiert.
       
       15 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ursula Müller
       
       ## TAGS
       
   DIR Lohn
   DIR Ungerechtigkeit
       
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