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       # taz.de -- Spionage-Prozess in Havanna: Naives Opfer oder versierter US-Spion?
       
       > Alan Gross wollte nur die Internetkommunikation der jüdischen Gemeinde in
       > Kuba verbessern, sagt seine Frau. Die kubanische Regierung sieht in ihm
       > einen US-Spion.
       
   IMG Bild: 20 Jahre soll er ins Gefängnis. Alan Gross und seine Frau Judy zu Besuch in Jerusalem 2005.
       
       Vierzehn Monate nach der Festnahme von Alan Gross auf dem Flughafen von
       Havanna hat die kubanische Staatsanwaltschaft nach "einem aufwendigen
       Prozess der Untersuchungen" jetzt Anklage gegen den vermeintlichen
       US-Entwicklungshelfer erhoben. 20 Jahre Haft wegen "Verletzung der
       Unabhängigkeit und territorialen Integrität" fordert sie. In Washington
       wird die Anklageerhebung kritisiert. Alan Gross habe, so eine
       Presseerklärung aus dem Weißen Haus, nur geholfen, "den freien
       Informationsfluss zum und zwischen dem kubanischen Volk zu verbessern".
       
       Das ist auch die Version von Ehefrau Judy Gross. Laut ihren Angaben ist der
       61-jährige IT-Spezialist 2009 gleich fünfmal in Havanna gewesen, um "die
       Kommunikation innerhalb der jüdischen Gemeinde und deren Internetzugang zu
       verbessern". Dafür war Gross, selbst jüdischen Glaubens, der richtige Mann,
       denn mit Satellitentechnik kannte er sich aus.
       
       Für seinen Arbeitgeber, Joint Business Development Center (JBDC), war er in
       Irak, Afghanistan, Armenien und Kuwait im Einsatz. Immer im Auftrag von
       Development Alternatives Inc., einem Auftragnehmer von USAID, der
       staatlichen Entwicklungsagentur der Vereinigten Staaten, die dem
       Außenministerium Hillary Clintons untersteht. Quasi in "humanitärer
       Mission" wähnte sich Gross, so die Aussagen seiner Kollegen und seiner
       Frau, als er in Havanna begann, die Internetkommunikation jüdischer
       Einrichtungen zu verbessern.
       
       Doch an diesem Punkt häufen sich die Fragezeichen. Bekannte Repräsentanten
       der rund 1.500 Mitglieder zählenden jüdischen Gemeinde wie Adela Dworin
       geben vor, von Alan Gross nichts zu wissen. Dass der vermeintliche
       Entwicklungshelfer im Auftrag von USAID gleich fünfmal in neun Monaten mit
       einer Touristenkarte nach Havanna einreiste, ist nicht nur naiv, sondern
       auch ein Verstoß gegen die kubanischen Einreisebestimmungen, urteilt Wayne
       Smith. Der pensionierte US-Diplomat, der einst die US-Interessenvertretung
       in Havanna leitete, beschäftigt sich seit Jahren als Analyst mit den
       verfahrenen US-amerikanisch-kubanischen Beziehungen.
       
       "Der zweite Fehler ist, dass Gross in Havanna Satellitentelefone und andere
       Kommunikationsgeräte verteilt hat." In Kuba ist der Vertrieb der sündhaft
       teuren Telefone ohne entsprechende Lizenz strikt verboten. Obendrein ist es
       untersagt, Geld oder jegliches Material, das von der US-Regierung, ihren
       Einrichtungen oder Repräsentanten stammt, zu verteilen. Darauf stehen laut
       Gesetz Nummer 88 von 1999 Haftstrafen von drei bis acht Jahren.
       
       Darüber hinaus soll Alan Gross Equipment auch an Oppositionelle verteilt
       haben, angeblich ohne über die Risiken gewusst zu haben, wie Ehefrau Judy
       Gross betont. Enttäuscht von der US-Regierung sei sie. So habe sich zwar
       Hillary Clinton im Juli 2010 mit ihr getroffen und danach mehrfach die
       kubanische Seite aufgefordert, ihren Mann freizulassen, aber mehr sei nicht
       passiert.
       
       Das eigentliche Problem ist jedoch, so Wayne Smith, dass Alan Gross in
       einem dieser Programme zur "Förderung der Demokratie in Kuba" unterwegs
       war. "Die kennen kein diplomatisches Protokoll und genießen keinerlei
       Autorisierung des betreffenden Landes" so der Exdiplomat. Letztlich sei
       Alan Gross ein Opfer dieser überholten Programme.
       
       Das wird in Washington niemand offen zugeben. Aber auch dort wird längst
       hinter den Kulissen debattiert, ob es nicht sinnvoll wäre, über einen
       Austausch von Alan Gross mit einem oder mehreren der Miami Five, der fünf
       kubanischen Agenten in US-Haftanstalten, zu verhandeln. Das ist eine
       Option, die Wayne Smith sich genauso vorstellen kann wie der Demokrat und
       Exilkubaner Alfredo Duran.
       
       Für Alan Gross sieht die Lage aber erst einmal bedrohlich aus. Laut einer
       Pressemeldung der Staatsanwaltschaft in der Granma solle der Prozess in
       Kürze beginnen.
       
       7 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Knut Henkel
       
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