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       # taz.de -- Sowohl als auch am Schauspielhaus: Flaggschiff gerettet
       
       > Das Hamburger Schauspielhauses soll eine Experimentierbühne bekommen -
       > und sein Jugendtheater behalten, sagen Hamburgs Kultursenator und die
       > designierte Intendantin Karin Beier.
       
   IMG Bild: Hamburger Schauspielhaus 2010: Mitarbeiter demonstrieren gegen Kürzungen.
       
       HAMBURG taz | Die Kölner Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier, derzeit
       für das Hamburger Schauspielhaus im Gespräch, hat sich gegen die Schließung
       des dortigen Jungendtheaters ausgesprochen. "Ich werde das Junge
       Schauspielhaus auf keinen Fall schließen! Ich bin selbst Mutter und weiß,
       wie wichtig es ist, Kinder früh ans Theater heranzuführen", sagte Beier. Am
       Abend davor hatte der Leiter des Jugendtheaters, Klaus Schumacher, bei
       einer Podiumsdiskussion die Befürchtung geäußert, ein neuer Intendant
       könnte die Spielstätte des Jugendtheaters, den Malersaal, als
       Experimentierbühne zurückfordern - "und das völlig zu Recht".
       
       In der Tat dräut hier ein Problem, denn Intendant Friedrich Schirmer, der
       im September 2010 hinwarf, hatte das Junge Schauspielhaus - gemeinsam mit
       der damaligen Kinderkultur-freundlichen Kultursenatorin, Karin von Welck
       (parteilos), fest ans Große Haus angegliedert, aus dessen Etat finanziert
       und die Karten quersubventioniert.
       
       Das Jugendtheater lief gut, bot bis zu 95 Prozent Platzauslastung, wurde zu
       renommierten Festivals eingeladen. Es wurde das Flaggschiff des ansonsten
       schwächelnden Schauspielhauses und war bundesweit eins der wenigen an eine
       große Bühne gebundenen Jugendtheater mit eigenem Ensemble.
       
       "Trotzdem", sagt Florian Vogel, künstlerischer Interims-Leiter des
       Schauspielhauses, "braucht man dringend eine Experimentierbühne. Dort kann
       man etwas ausprobieren und das Ensemble weiterentwickeln." Er schätze das
       Junge Schauspielhaus sehr, "aber das Fehlen einer Experimentierbühne war
       für uns alle eine harte Selbstbescheidung".
       
       Die möchte Karin Beier, sollte sie - wie vom Senat gewollt - 2013 kommen,
       aufheben. "Eine Experimentierbühne braucht man zur Profilierung eines
       Hauses. Aber nicht im Austausch gegen das Jugendtheater." Der
       Vertragsentwurf, den Hamburgs Kulturbehörde ihr zugesandt habe, sehe den
       Erhalt des Jungen Schauspielhauses auch explizit vor. Genauer: die
       "Ansiedlung am Standort Gaußstraße", wie die Kulturbehörde am Freitag
       mitteilte. Ob damit ein Neubau oder die Mitnutzung der dortigen
       Experimentierbühne des Thalia Theaters gemeint sei, konnte Behördensprecher
       Stefan Nowicki nicht sagen.
       
       Klar ist indessen, dass Karin Beier keinen Vertrag unterschreiben wird, der
       die vom Senat geplante Kürzung des Schauspielhaus-Etats um 1,2 Millionen
       vorsieht. Es sei zwar schmeichelhaft, für ein so großes Haus angefragt zu
       werden, sagt sie. "Aber dieses Theater ist extrem schwer zu stemmen. Und da
       müssen die Voraussetzungen so sein, dass man eine Chance hat. Und so, wie
       das Haus aktuell dasteht, hat man keine." Sie wolle keine "unmäßigen
       Forderungen" stellen. Aber sie habe während ihrer Kölner Intendanz gelernt,
       "sehr genau in Einzelposten zu definieren, wie viel ich brauche", sagt die
       45-Jährige.
       
       Zudem will sie nicht zwischen die politischen Fronten geraten und noch vor
       der Wahl am 20. Februar voreilig einen wackligen Vertrag unterschreiben.
       "Ich werde nächste Woche auch mit Oppositionspolitikern sprechen. Ich
       möchte einen Konsens aller Parteien."
       
       Sie stehe nicht unter Zeitdruck und sei auch nicht auf ihre Karriere
       fixiert, sagt Beier. Außerdem gebe es da noch ihre Kölner Verpflichtungen:
       Ihr dortiger Vertrag läuft bis 2014. "Und in den letzten Tagen ist der
       moralische Druck zu bleiben hier stark gewachsen." Nicht nur
       Kulturdezernent Georg Quander hatte öffentlich auf der Einhaltung des
       Vertrags bestanden. Ab 2012 steht die Sanierung des Kölner Theaters an, die
       Beier maßgeblich mit durchsetzte - gegen den Widerstand der Politik, die
       einen großen, teuren Neubau plante. "Und die Interimszeit bis zum
       Wiedereinzug 2016 möchte ich wenigstens teilweise noch begleiten", sagt
       sie.
       
       Auch Hamburgs Schauspielhaus wird in dieser Zeit renoviert, genauer: ab
       2012. Dann wird man weniger, wird anders spielen müssen - aber das wollen
       Florian Vogel und Geschäftsführer Jack Kurfess, die laut Kulturbehörde die
       Interimsleitung fortführen sollen, sorgsam planen. "Es hat am
       Schauspielhaus schon oft Interimslösungen gegeben", sagt Vogel. Und die
       Rede von der ohne Intendanz schwindenden "Strahlkraft" verstehe er ohnehin
       nicht. "Der Spielplan für 2012 steht, und es wird keine qualitativen
       Einbußen geben."
       
       28 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Petra Schellen
   DIR Petra Schellen
       
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   DIR Deutsches Schauspielhaus
       
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