URI: 
       # taz.de -- Ernte in der Serra de Tramuntana: Olivensammeln als Freizeitglück
       
       > Viele mallorquinische Erntehelfer kommen aus Amerika und Nordeuropa. Sie
       > arbeiten fürs Naturerlebnis.
       
   IMG Bild: Angeregter Urlaub: Arbeit mit naturreinem Produkt und in frischer Luft.
       
       Hoch oben in den Bergen im Nordosten Mallorcas ist im Winter Hochsaison -
       dann, wenn die Oliven reif sind. Auf Pedruxella Gran, der Finca von Liz und
       Bos Barrat-Brown, ist in dieser Zeit jede zusätzliche Arbeitskraft
       willkommen. Diesmal sind die Pärchen Tanya und Jason aus Kanada und Lisa
       und John aus den Vereinigten Staaten angereist, mithilfe der Organisation
       WWOOF (World Wide Opportunities on Organic Farms), bei der Menschen
       Mitglied werden, die im Urlaub am liebsten auf dem Land arbeiten.
       
       Früher waren es arme Tagelöhner vom Flachland, die in die Berge gestiefelt
       kamen. Inzwischen verdingen sich die Einheimischen ihr Geld lieber in den
       Hotels und Fabriken. Die Erntehelfer des 21. Jahrhunderts kommen aus
       Amerika und Nordeuropa und arbeiten für das Natur- und
       Gemeinschaftserlebnis, bei freier Kost und Logis.
       
       Auf dem 350 Hektar großen Landbesitz Pedruxella krallen sich fünftausend
       uralt aussehender Olivenbäume mit ihren langen Wurzeln an die Felsen.
       Dazwischen wachsen Zwergpalmen und Aloen, abertausende Natursteine, die
       ohne Mörtel, zu gleichmäßigen Mauern aufgeschichtet, ziehen sich als
       endloses Band in tausend Schleifen über den Hang hoch.
       
       Wie viel menschliche Anstrengung in diesen Terrassen steckt, lässt sich
       erst ermessen, wer von der Hauptstraße im Tal auf den Haarnadelkurven die
       drei Kilometer zu Fuß hochgewandert kam. Einst ließ sich auf Mallorca gut
       Geld mit Olivenöl verdienen - es wurde zum Hauptexportartikel -, und so
       sind damals selbst in den unwirtlichsten Lagen wie diesen Olivengärten
       angelegt worden.
       
       Aufgrund des schwierigen Terrains haben sich die Erntetechniken auch nach
       fünfhundert Jahren, als der Großteil der Olivenhaine in der Serra de
       Tramuntana entstand, nicht verändert. „Bei 5 Euro Mindestlohn wäre das
       Bergöl, das wir hier produzieren, unbezahlbar“, kommentiert Liz die
       Situation, „ohne WWOOFer kein Öl“, lobt sie ihre Helfer und Helferinnen.
       Die haben, geschützt mit Wollmützen, Militärhosen und
       Waldarbeiterhandschuhen, Netze unter die Bäume gerollt und schlagen mit
       hölzernen Knüppeln und Stangen die Ölfrüchte von den Ästen. Anschließend
       setzt sich die Truppe in das Erntegut und säubert die Früchte von Blättern
       und Ästchen.
       
       Die Arbeit: eine Kombination von „Dampf ablassen“ und Plauderpausen. Die
       Stimmung ist gut an den Hängen der „Berge des Nordwinds“, wie die Serra de
       Tramuntana übersetzt heißt. Es wird viel gelacht und gesungen. Begleitet
       vom Glockengebimmel von etwa zweihundert Schafen, die, ebenfalls zum Hof
       gehörig, über die Felder schweifen und ihren Kot als wertvollen Dünger
       unter den Olivenbäumen hinterlassen.
       
       „Umweltschutz in Aktion“, das freut Tanya. Sie und ihr Partner Jason
       arbeiten in einem kanadischen Nationalpark und wollen auch im Urlaub mit
       der Natur verbunden bleiben, und sie möchten ihren ökologischen Fußabdruck
       so klein wie möglich halten. „We love hard work and we love to sweat“,
       begrüßen die beiden kräftig gebauten Mittdreißiger jede Schweißperle, die
       sich auf ihrer Stirn bildet.
       
       Lisa und John, eine Dekade jünger, sind hier, weil sie es lieben, in den
       Bergen herumzukraxeln. Am freien Wochenende waren sie den 800 Meter hohen
       Puig de Gironella hochgestiegen, der sich gleich hinter den Olivengärten
       erhebt, flankiert von vom Wind zerklüfteten Kalksteinkuppen, und hatten von
       dort oben einen sensationellen Ausblick auf das Mittelmeer. Außerdem essen
       sie gerne gut. Seit fünf Monaten „wwoofen“ sie durch Mitteleuropa und
       wollen Menschen helfen, die gute Lebensmittel anbauen und genießen. „Wir
       möchten die Länder und seine Menschen auch über unseren Bauch
       kennenlernen“, sagen sie.
       
       Finca Pedruxella ist dafür eine Fundgrube. Denn bereits die Kinder von Liz
       und Bos sind Genießer. Die achtjährige Alica würzt sich ihre Gemüsesuppe
       grundsätzlich nur mit dem teuren Es-Trenc-Salz, einem Meersalz,
       handgeerntet von einer deutschen Salzbäuerin unten an der Südküste. Die
       Leibspeise ihres zehnjährigen Bruders Barratt: kalte andalusische
       Knoblauchsuppe. Mama hat den beiden eine große Steingutschüssel mit
       Rucolasalat auf den Tisch gestellt, dazu geröstetes Bauernbrot und eine
       Schüssel selbst angerührten Kichererbsenbrei. Seit Stunden blubbert ein
       Bohneneintopf mit Wildreis und Pilzen auf dem Holzherd.
       
       Liz hat die Schirmlinge unter den Steineichen im Küchengarten gefunden.
       Dort holt sie auch Weintrauben, Apfelsinen, Mandarinen, Zitronen für
       Limonade, Eier fürs Frühstück und Kürbisse und Persimonen für Kompott.
       Hinter der sechs Meter hohen felsigen Gartenmauer duftet es köstlich nach
       Bohnenkraut, Rosmarin und Pinienharz, Lorbeer- und Johannisbrotbäume
       wachsen in den selbstverständlich blauen Himmel.
       
       Pedruxella Gran ist ein Kleinod in den Bergen Mallorcas. Auf dreihundert
       Meter Meereshöhe protzt es wie eine Festung über dem Tal Vall den Marc,
       eingerahmt von Steineichen und Zedern, einem gepflasterten Vorhof wie von
       anno dazumal. Die Gemächer der Besitzer befinden sich auf der Sonnenseite,
       so wie auch der Lustgarten mit Rosenbüschen, Bougainvilleas und
       Meerkirschenbäumen.
       
       Um einen maurischen Turm aus dem 13. Jahrhundert gruppieren sich das
       Herrenhaus (neun Schlafzimmer, sechs Badezimmer, zehn Kamine), vier
       Nebengebäude für Arbeitsgeräte, Schafe, Hausschwein, Pferd, dann noch ein
       in die Felsen geschlagenes Schwimmbad - und das Schmuckstück in einem weiß
       gekalkten Gebäude in der Größe eines Kirchenschiffs: die zweihundert Jahre
       alte Olivenmühle.
       
       Einmal im Jahr findet hier die Tafona statt, die wichtigste Fiesta der
       Olivenbauern. Liz und Bos haben sechzig Freunde und Verwandte zu dieser
       ersten Olivenölpressung des Jahres eingeladen. In der Rolle der
       Gesellschafter haben sie alle Hände voll zu tun, derweil flitzen ihre vier
       WWOOF-MitarbeiterInnen hin und her, tragen Tortillas und Pizza heran,
       schenken Binissalemer Rotwein ein, holen geräucherte Wurst vom Dachboden,
       legen Holzscheite unter dem riesigen, mit Wasser gefüllten Eisenkessel
       nach, der in einer Lehmmauer über dem Feuer hängt.
       
       Noch vor zwei Tagen lagen in dem Kessel die Ölpressmatten in kochendem
       Wasser zum Einweichen. Danach wurden sie von Ölpresskuchenresten vom
       Vorjahr freigeklopft und zum Trocknen in die Sonne gehängt. Jetzt werden
       dieselben Körbe mit matschigem Olivenbrei gefüllt, der sich auf dem
       Mühlenboden abgesetzt hatte, nachdem sich zwei Stunden lang der vom Pferd
       gezogene schwere Mühlstein über die Ölfrüchte gedreht hatte.
       
       Am anderen Ende eines enormen Eichenstamms stemmt sich Jason gegen einen
       Hebel, bis sich eine klobige, hölzerne Schraube dreht und den Stamm auf die
       übereinandergestapelten Esparatograsmatten herablässt. Gleichzeitig wird
       heißes Wasser über die Matten geschöpft, damit sich das Öl besser löst. Das
       Gemisch aus Öl und Wasser fließt in einen Bottich und bleibt so lange
       stehen, bis sich das zähflüssige Öl nach oben abgesetzt hat.
       
       John wärmt inzwischen Brot im Feuer, reibt Knoblauchzehen und Tomaten über
       die Scheiben, bestreut sie mit Salz und beträufelt sie mit Öl - die
       traditionelle Art, das erste Öl der Saison zu verköstigen. Tanya ist
       mittlerweile beschwipst und schäkert mit den Gästen.
       
       Lisa ist oben bei den Kindern und liest eine Gute-Nacht-Geschichte vor.
       „Was soll ich sagen“, meint Liz gerührt, „was wären wir ohne WWOOFer -
       unsere Kinder lieben sie.“
       
       26 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Petra Jacob
       
       ## TAGS
       
   DIR Reiseland Spanien
   DIR Bio-Lebensmittel
   DIR Landwirtschaft
   DIR Radsport
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Olivenöl-Tester über Qualitätsmängel: „Bio schmeckt auch nicht anders“
       
       Selbst Bio-Olivenöle sind bei der Stiftung Warentest durchgefallen. Der
       erfahrene Olivenöl-Tester Dieter Oberg erklärt, warum.
       
   DIR Olivenbäume in Spanien: „Ebola der Bäume“
       
       Auf Mallorca wurde ein Bakterium nachgewiesen, das in Italien 250.000
       Hektar Olivenhaine vernichtet hat. Spanische Landwirte sind besorgt.
       
   DIR Radsport auf Mallorca: In die Pedale treten statt Strandurlaub
       
       Im Frühjahr wird Mallorca zum Lieblingsort von Hobbyrennradfahrern. Mehr
       als 50 Unternehmen organisieren die Sportreisen.