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       # taz.de -- Peter-Paul Zahl gestorben: Der Halbjamaikaner
       
       > Die Kontaktadresse war die schwimmende Kneipe "Huntress Marina": Der
       > Schriftsteller Peter-Paul Zahl hatte seine späte Heimat in der Karibik
       > gefunden.
       
   IMG Bild: Die Strände von Jamaica waren die späte Heimat von Peter-Paul Zahl.
       
       Das Häuschen des Dichters liegt an einem der schönsten Strände Jamaikas.
       Seit 1985 lebte Peter-Paul Zahl dort mit seiner Frau und seinen Kindern.
       Lange Jahre war das Haus an der Long Bay für deutsche Reisende eine der
       interessantesten Adressen in Jamaika. Man konnte sich im hübschen kleinen
       Guesthouse einmieten, das Abendessen mit dem sprudelnden Dichter und seiner
       reizenden Familie war eingeschlossen. Kontaktadresse war die schwimmende
       Kneipe "Huntress Marina" in Port Antonio, wo Zahl jeden Freitagmittag
       vorbeischaute und seine Faxe abholte.
       
       Hier im Norden Jamaikas hatte der antiautoritäre Umtreiber nach den wilden
       60er Jahren und dem Knast der 70er und 80er ein wunderbares Zuhause
       gefunden. 1976 war er nach Revision der Staatsanwaltschaft wegen "doppelten
       Mordversuchs" zu 15 Jahren verurteilt worden, "weil Zahl ein Gegner des
       Staates ist und zur allgemeinen Abschreckung". Ein Urteil, das damals nicht
       nur Linke empörte. Zehn Jahre musste er absitzen.
       
       Die "karibische Sozialisierung" gelang auf das Prächtigste. Als wir ihn
       1998 in Long Bay für ein taz-Interview besuchten, war Zahl ein vergnügter
       und gelassener, aber weiterhin streitlustiger und sehr produktiver
       Halbjamaikaner. Und nebenbei wohl der wichtigste Langprosa-Autor Jamaikas.
       Seine Krimiserie über den schwarzen Privatdetektiv Ruffneck, die er als ein
       großes Porträt seiner Wahlheimat angelegt hatte, war das Beste, was
       Jamaika-Besucher im Gepäck haben konnten. Geplant waren 14 Bücher, den 14
       Parishes der Insel entsprechend - vier sind erschienen.
       
       Das nötige Wissen sammelte PPZ in akribischen Recherchen, das Patois, den
       jamaikanischen Dialekt, lernte er von seiner Tochter und übersetzte es in
       ein Zahlsches Spezialidiom zurück. Da er die Romane zunächst für den
       deutschen Markt schrieb, leistete sich Zahl "über die Bande" auch Hiebe
       gegen die deutsche Politik, indem er etwa die schönen Redensarten Jamaikas
       zur allgemeinen Benutzung freigab. Zum Beispiel den Kommentar von Valerie
       (der Freundin Ruffnecks), als sie den ehemals linken Professor aufsucht,
       der inzwischen auf den liberalen Turbokapitalismus schwört. Da sagt sie,
       obwohl er zur selben linken Sozialdemokratie gehört wie sie, als einzigen
       Kommentar: "Je höher der Affe klettert, desto mehr zeigt er seinen Arsch."
       Das wollte Zahl seinerzeit durchaus auch auf Joschka Fischer und Kollegen
       gemünzt verstehen.
       
       Überhaupt Deutschland: Einmischen wollte sich der Altanarcho auch von
       seiner Insel noch. Er schrieb Bücher (u. a. die "Länderkunde Jamaika" beim
       Beck Verlag) und Artikel, auch für die taz, er reiste regelmäßig nach
       Deutschland zu Lesungen, gern auch mit Band. Bloß: Leben wollte und konnte
       er nicht mehr in dem Land "der großen Verflachung und Dickbäuchigkeit", was
       er im Interview so erklärte: "Ich habe Deutschland die Möglichkeit zur
       tätigen Reue gegeben, es hat die Bewährung aber nicht bestanden. Als ich
       als Freigänger in Berlin tagsüber an der Schaubühne gearbeitet habe - das
       war eine ungeheuer spannende Zeit. Aber als ich die Hausbesetzerdemos
       erlebt habe und die Militanz aufseiten der Polizei, habe ich gesagt: Ich
       kann mich keine fünf Jahre bewähren, wenn ich da mitmache, dann bin ich
       irgendwann wieder im Knast."
       
       Auch der Weg nach Jamaika führte über Enttäuschungen: Die antiautoritäre
       Regierung von Maurice Bishop in Grenada fiel, die Amerikaner marschierten
       ein. In Nicaragua, wo ihn Ernesto Cardenal für die Mitarbeit in einem
       Volkskulturhaus gewann, entsetzten ihn die Hardliner der Sandinisten mit
       ihrer Mischung aus Rassismus und Machismus. Natürlich war auch Jamaika
       nicht die Verwirklichung seiner antiautoritären Träume.
       
       Doch die Lebensweise, die Art des Widerstands, des Witzes, der Fantasie,
       der Sabotage - all das heimelte sowohl den Dichter wie den Sponti an. Da
       mitzumachen verhieß politisches Engagement mit Spaß und ohne viele
       Verbiegungen. Da konnte PPZ bleiben - da ist er auch geblieben. Und wohl
       nicht unzufrieden, wenn man bedenkt, was er damals im Interview sagte: "Ich
       bleibe hier. Ich habe mir schon ein schönes Grab ausgesucht auf meinem
       eigenen Grundstück, mit Blick aufs Meer."
       
       25 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Pampuch
       
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