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       # taz.de -- Luis Posada Carriles: Das traurige Ende des Castro-Jägers
       
       > Er plante mehrere Attentate auf Fidel Castro, arbeitete für die CIA.
       > Heute will in den USA niemand mehr etwas mit Luis Posada Carriles zu tun
       > haben. Er steht in Texas vor Gericht.
       
   IMG Bild: Auch Terroristen werden irgendwann alt: Luis Posada Carriles im November 2010 in Miami.
       
       Es muss Luis Posada Carriles in seiner dunklen Seele schmerzen. Seit zehn
       Tagen steht der 82-jährige Exilkubaner im texanischen El Paso vor Gericht
       und muss alles leugnen, worauf er stolz ist. Nur so kann der fanatischste
       aller Agenten, die es auf Fidel Castro abgesehen haben, seine Haut retten.
       
       Er muss abstreiten, im Jahr 1997 eine Serie von Bombenattentaten auf Hotels
       in Havanna organisiert zu haben. Die meisten dieser Anschläge richteten nur
       Sachschaden an. Doch bei der Explosion am 4. September im Hotel Copacabana
       kam der italienische Tourist Fabio di Celmo ums Leben. "Er war zur falschen
       Zeit am falschen Ort", kommentierte Posada Carriles ein Jahr später in
       einem Interview mit der New York Times. 
       
       Damals brüstete sich Carriles mit den Attentaten. Jahre später sagte er der
       Einwanderungsbehörde der USA, er habe mit den Anschlägen nichts zu tun. Hat
       er gelogen? Darum geht es im aktuellen Prozess.
       
       Es ist absurd: Da ist die US-Justiz des umtriebigsten Terroristen
       Lateinamerikas habhaft geworden und stellt ihn nur deshalb vor Gericht,
       weil er die Einwanderungsbehörde belogen haben soll – das stellt in den USA
       eine schwere Straftat dar. Wird Posada Carriles verurteilt, verschwindet er
       für mindestens fünf Jahre im Gefängnis. Angesichts seines fortgeschrittenen
       Alters dürfte er dann dort sterben – und die USA wären ein peinliches
       Problem los. Peter Kornbluh, Leiter des Archivs für Nationale Sicherheit an
       der George-Washington-Universität, fasst das Dilemma so zusammen: "Luis
       Posada Carriles ist ein Terrorist, aber er ist unser Terrorist."
       
       Die Geschichte des Luis Posada Carriles mit dem US-Geheimdienst CIA beginnt
       1961. 1959 war der Sprössling einer gutbürgerlichen Familie und gelernte
       Chemiker nach der kubanischen Revolution in die USA geflohen. Er ist einer
       der 1.500 Männer der Brigade 2506, die von der CIA trainiert wurden, um am
       17. April 1961 in der Schweinebucht vor Kuba zu landen. Ihr Ziel, Fidel
       Castro zu stürzen, scheitert kläglich. Posada Carriles kommt in
       Kriegsgefangenschaft und wird später gegen Lebensmittellieferungen
       ausgetauscht.
       
       ## Sprengstoff in Colgate
       
       In den folgenden Jahren spioniert er im Auftrag der CIA seine kubanischen
       Landsleute in Miami aus und wird dann von seinen Gönnern in Venezuela beim
       Geheimdienst untergebracht. Nach inzwischen veröffentlichten Geheimpapieren
       der US-Bundespolizei FBI stand er bis mindestens Juni 1976 im Sold der CIA.
       Diese Dokumente belegen auch die Vorbereitung des schlimmsten Attentats
       seines Agentenlebens: Eine mit Plastiksprengstoff gefüllte Zahnpastatube
       der Marke Colgate reißt am 6. Oktober 1976 eine kubanische Verkehrsmaschine
       auf ihrem Flug von Guyana nach Puerto Rico auseinander. 73 Menschen
       sterben.
       
       Auch wenn die FBI-Dokumente seine Täterschaft nahelegen und die
       Staatsanwaltschaft in Venezuela davon überzeugt ist: Carriles hat nie
       zugegeben, für dieses Attentat verantwortlich zu sein. Ein Prozess gegen
       ihn in Venezuela verzögert sich immer wieder, und bevor ein Urteil
       gesprochen wird, kann sich der Angeklagte 1985 nach neun Jahren
       Untersuchungshaft, als Priester verkleidet, aus dem Gefängnis stehlen. Die
       Wärter waren bestochen. Angeblich hat die Exilorganisation Cuban-American
       National Foundation (CANF) dafür 50.000 Dollar gezahlt.
       
       In den darauffolgenden 15 Jahren lebt Posada Carriles hauptsächlich im
       damals ultrarechts regierten El Salvador. Ein Dorfbürgermeister stellt ihm
       eine falsche Geburtsurkunde aus, das Innenministerium einen falschen Pass.
       Seine Kontakte zur CIA nützen ihm noch immer: Mal verschiebt er im Auftrag
       von Oliver North, dem damaligen militärischen Berater im Nationalen
       Sicherheitsrat der USA, illegal Waffen an die antisandinistische Contra in
       Nicaragua, mal dient er dem rechten salvadorianischen Präsidenten Napoleón
       Duarte oder dessen guatemaltekischem Kollegen Vinicio Cerezo als
       Sicherheitsberater.
       
       Das sind eher Gelegenheitsjobs. Richtig gut geht es dem Exilkubaner in
       diesen Jahren nicht. Immer wieder bettelt er bei der CANF, und wenn gar
       nichts mehr geht, malt er schwülstige Ölschinken mit kubanischen
       Fantasielandschaften und verscherbelt sie an heimwehkranke Exilanten.
       
       ## 12 Schüsse überlebt
       
       1990 hätte es ihn fast erwischt. Ein Kommando aus salvadorianischen
       Guerilleros, das ihn im Auftrag Fidel Castros in Guatemala jagt, spürt ihn
       auf und streckt ihn mit zwölf Schüssen nieder. Eine Kugel steckt neben dem
       Herzen, eine andere zerschmettert seinen Unterkiefer. Monatelang liegt
       Carriles im Krankenhaus. Seither ist sein Gesicht entstellt, und er
       nuschelt.
       
       Nach der Genesung ist er plötzlich wieder wer. Castro hatte ihn ernst
       genommen, also tut es auch die ultrarechte Agentenszene. Er bekommt wieder
       Geld, und seine Attentatsversuche häufen sich. 1993 konspiriert er
       gemeinsam mit Guillermo Pinel Cálix, dem damaligen Geheimdienstchef der
       honduranischen Armee, gegen den liberalen Präsidenten Carlos Roberto Reina.
       Der bemüht sich um diplomatische Beziehungen zwischen Honduras und Kuba und
       will die Macht der Armee begrenzen.
       
       Posada Carriles verspricht, den Präsidenten aus dem Weg zu räumen. Pinel
       Cálix will im Gegenzug helfen, ein kubanisches Frachtschiff vor der
       honduranischen Küste zu sprengen. Tatsächlich explodierten damals in
       Honduras einige Bomben. Doch Reina war immer meilenweit entfernt. Pinel
       Cálix zweifelt an der Ernsthaftigkeit seines Partners und bläst das
       Attentat auf den Frachter ab.
       
       Danach konzentriert sich Posada Carriles auf Fidel Castro und seine
       Auftritte bei ibero-amerikanischen Gipfeltreffen. Doch 1994 im
       kolumbianischen Cartagena ist Castro so gut abgeschirmt, dass der
       Exilkubaner ihn nur von Ferne in einer Kutsche vorbeifahren sieht. 1998 in
       Santo Domingo verrät ein Mitverschwörer Carriles im Vorfeld. Dazwischen lag
       1997 die Bombenserie von Havanna, die Posada Carriles mithilfe von drei
       salvadorianischen Kleinkriminellen durchzog.
       
       Im Jahr 2000 beim Gipfel in Panama-Stadt soll Castro während einer Rede in
       der Universität in die Luft gesprengt werden. Posada Carriles ist mit drei
       Komplizen angereist. Doch der kubanische Geheimdienst hat die Polizei von
       Panama informiert, die bereits wartet. Das Quartett wird verhaftet und zu
       Haftstrafen von sieben und acht Jahren verurteilt.
       
       Carriles muss die Strafe nicht ganz absitzen. Im August 2004 wird er von
       Präsidentin Mireya Moscoso "aus humanitären Gründen" begnadigt. Moscoso,
       die ihr Amt wenige Tage später an den linken Martín Torrijos abgeben muss,
       befürchtete, Torrijos werde Carriles an Venezuela oder Kuba ausliefern.
       Angeblich hat der damalige US-Präsident George W. Bush um die Begnadigung
       gebeten. Posada Carriles flieht nach Honduras und bleibt zunächst
       verschwunden.
       
       Ende März 2005 taucht er in Miami auf. Es gibt drei Geschichten, wie er
       dort hingekommen ist. Eine besagt, er sei an Bord eines als Shrimpkutter
       getarnten Schmugglerboots gekommen. Nach einer anderen haben ihn Schlepper
       illegal über die Grenze von Mexiko nach Texas gebracht. Er selbst
       behauptet, er sei über einen ganz normalen Grenzübergang eingereist.
       
       ## Der Unabschiebbare
       
       Seither versuchen die USA, ihn wieder loszuwerden. Zunächst wird Posada
       Carriles für zwei Jahre in Auslieferungshaft genommen. Venezuela stellt
       einen entsprechenden Antrag. Doch dem dortigen Präsidenten und
       Castro-Freund Hugo Chávez wollen die USA ihren Mann nicht in den Rachen
       werfen. Sie versuchen stattdessen, ihn nach Costa Rica, El Salvador,
       Guatemala, Honduras, Kanada, Mexiko oder Panama abzuschieben. Alle lehnen
       ab.
       
       Im Mai 2007 wird er gegen eine Kaution von 350.000 Dollar mit einer
       elektronischen Fußfessel entlassen. Schon einen Monat später werden diese
       Auflagen aufgehoben. Aber an einem Prozess in den USA führt kein Weg mehr
       vorbei, und sei es wegen Belügens der Einwanderungsbehörde. Wird Posada
       Carriles verurteilt, verschwindet er aus der Öffentlichkeit. Alles andere
       kann man dann wieder vertuschen.
       
       20 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Toni Keppeler
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