# taz.de -- US-Netzdebatte nach Arizona-Attentat: Argumente im Fadenkreuz
> Warum kam es in Arizona zum Blutbad? Unter US-Bloggern tobt der
> Meinungskampf. Für die Linke liegt die Schuld bei rechten Einpeitschern.
> Die schlagen zurück.
IMG Bild: Tea-Party-Ikone Sarah Palin: Bei linken Bloggern alles andere als beliebt.
Das öffentliche Schweigen nach dem Attentat von Arizona währte nur kurz.
Während einer offiziellen Schweigeminute verstummte für einen kurzen Moment
die Debatte über die Hintergründe der Tat von Jared Lee Loughner. Doch das
Netz kennt keine Atempause. Linke und rechte Meinungsmacher in den USA
streiten ununterbrochen, ob die hasserfüllte Rhetorik, die die politische
Debatte in den USA seit Monaten prägt, zur Tat geführt hat.
Barbara Morrill auf [1][Daily Kos] sieht die politische Rechte und ihre
Rhetorik klar in der Verantwortung: "Seit der Wahl von Barack Obama hat die
Rechte – sowohl die gewählten Republikaner als auch ihre Lakaien in den
Medien – zum stetig gleichen Beat getrommelt: Dass Obama/die Demokraten/die
Linke das Land zerstören und unsere Großmütter töten wollen, mit
Terroristen sympathisieren, uns unsere Waffen wegnehmen wollen und die
Regierung der Feind ist." Dieser Sprachgebrauch könne Extremisten, geistig
Verwirrte oder Einzelgänger jederzeit zum Handeln bewegen, glaubt Morrill.
"Und letzten Samstag handelte einer von ihnen."
Noch deutlicher wird "Killer of Sacred Cows", ebenfalls auf Daily Kos: "Wir
sollten uns nichts vormachen, Leute: Das ist genau, was Palin und ihre
Leute bezweckt haben, als sie die Landkarte mit den Fadenkreuzen
erstellten."
Sarah Palin und ihr Fadenkreuz – darauf zielen die meisten Angriffe der
Linken im Netz. Die Ikone der Tea-Party-Bewegung macht stets mit einem
recht plakativen Sprachgebrauch auf sich aufmerksam. Die Konservativen
sollten nicht zurücktreten, sondern "nachladen" lautet ein berüchtigtes
Palin-Zitat, auf das sich die Linke stürzt.
Genauso wie auf eben jene Grafik mit Fadenkreuzen, die die ehemalige
Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner ins Netz gestellt hatte.
Die Karte zeigte mit Symbolen, die an die Fadenkreuze von Zielfernrohren
erinnern, welche Wahlbezirke Konservative von demokratischen Amtsinhabern
bei der Wahl zu erobern hätten. Darunter war auch der Wahlbezirk der
Kongressabgeordneten Gabrielle Giffords.
Jacob Weisberg setzt sich auf [2][Slate] mit der Tea-Party-Bewegung
auseinander. Aus seiner Sicht hat die konservative Gruppe dazu beigetragen,
dass Loughner die Tat beging. "Konservative Entertainer wie Glenn Beck oder
Sarah Palin lieben es, ihre Zuhörer mit Hinweisen auf berechtigte Gewalt
anzuregen – inklusive ständiger Erinnerungen, dass sie bewaffnet und
gefährlich sind."
Die Landkarte ist nach dem Attentat von Palins Homepage verschwunden und
die Politikerin kondolierte via Facebook den Familien der Opfer des
Anschlags. Die Angriffe gegen Palin mobilisieren die Rechte ihrerseits, zu
ihrer Verteidigung zu eilen. Auf Facebook hat sich eine Gruppe "defendpal",
"verteidigt Palin", gegründet.
Der rechte Blogger [3][Erick Erickson] verweist auf die Demokratische
Partei, die "ebenfalls [4][Landkarten mit Zielscheiben]" genutzt habe und
verurteilt den Versuch der Linken, das Ereignis zu instrumentalisieren.
"Lasst uns nicht zulassen, dass die Linke – mal wieder – versucht, es gegen
die Tea-Party-Bewegung, Rush Limbaugh, Glenn Beck oder eine Gewalt
anstachelnde Sarah Palin zu verwenden." Das sei eine Lüge.
Auf [5][us4palin.com] kritisiert "Dewaines" scharf die Angriffe der linken
Medien in den USA, die direkt nach dem Amoklauf in Tucson einsetzten: "Die
irren linken Medien begannen, vorwurfsvoll mit dem Finger auf die Rechte zu
zeigen. Sie behaupteten, dass die rechten Medien Loughner angestachelt
hätten, rauszugehen und Menschen zu töten."
Tatsächlich kann mit dem, was bisher über den Täter bekannt ist, bis dato
kaum belegt werden, dass die rechte Hassrhetorik oder die die Massen stets
aufpeitschende Tea-Party-Bewegung schuld an der Tat sind. Doch auch die
rechten Blogger schaffen es nicht, der politischen Debatte wieder mehr Maß
zu verleihen. "Es war die Rhetorik der Linken, die den kranken Mann zu
seiner schrecklichen Tat inspirierte", schreibt "Dewaines" weiter. Belege
liefert er nicht.
Die Rechte nutzt die Tragik des Ereignisses, um ihre Agenda zu pushen. Ganz
oben auf der Liste: die Waffengesetze der USA. Denn die Frage, ob die
laschen Waffengesetze in den USA – der Schütze kaufte seine
halbautomatische Glock 19 ganz legal in einem Geschäft – schuld an dem
Amoklauf sind, stellt sich nicht. Nicht für die waffenverehrende Rechte.
"Wir fragen uns, hätte es Jared Lee Loughner geschafft, zwanzig Schüsse
abzufeiern, die sechs Menschen tötete und ein Dutzend mehr verletzte, wenn
mehr Leute in der Masse eine Waffe bei sich getragen hätten?", fragt sich
zum Beispiel Alexander Marlow im konservativen Blog [6][bigjournalism.com].
Es gibt in den Tagen nach dem Anschlag aber auch Versuche, die Debatte
sachlicher zu führen. Die [7][Coffee Party USA], eine linke Gegenbewegung
zur omnipräsenten Tea Party Bewegung, schreibt auf ihrer Seite: "Das ist
nicht der Moment, Hass und Wut gegen unserer Gegner zu rechtfertigen. Dies
ist der Moment, zusammenzustehen."
Auf der Plattform [8][globalgrind.com] spricht Roger Ailes, Präsident von
Fox News, dem Hausfernsehsender der Rechten, über die Berichterstattung und
Meinungsmache nach der Tragödie von Tucson: "Er war einfach nicht mit der
Tea Party Bewegung verbunden." Er selbst habe seine Redaktionen gebeten,
den Tonfall in der Debatte etwas zu senken. So etwas sind Moderatoren vom
Schlage Glenn Becks normalerweise nicht gewohnt.
Russell Simmons, Gründer von globalgrind.com fasst zusammen, was sich die
Meinungsmacher sowohl des rechten als auch des linken politischen Spektrums
grundsätzlich zu eigen machen sollten: "Wütende Linke, wütende Rechte …
nichts davon ist gut. Wir müssen es schaffen, einen Dialog in Gang zu
bringen." Nicht erst seit dem Attentat in Arizona ist dies derzeit in den
USA ein schwieriges Unterfangen.
11 Jan 2011
## LINKS
DIR [1] http://dailykos.com
DIR [2] http://www.slate.com
DIR [3] http://www.redstate.com/erick
DIR [4] http://www.redstate.com/laborunionreport/2011/01/09/the-ends-justify-the-means-the-day-emma-goldman-shot-president-mckinley/
DIR [5] http://www.us4palin.com
DIR [6] http://www.bigjournalism.com
DIR [7] http://www.coffeepartyusa.com/
DIR [8] http://www.globalgrind.com
## AUTOREN
DIR Rieke Havertz
## TAGS
DIR taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
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