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       # taz.de -- Kommentar Dioxinskandal: Die Retro-Agrarpolitiker
       
       > CDU und SPD erklären die Dioxineier als Einzelfall ab. Dabei sind
       > verunreinigte Lebensmittel das systematische Ergebnis einer
       > industrialisierten Turbo-Landwirtschaft.
       
       Im Skandal um vergiftete Lebensmittel werden die Verbraucher von der
       Politik gezielt in die Irre geführt. Ilse Aigner gibt ein paar Schurken die
       Schuld, weil Dioxine im Frühstücksei, im Schweine- und Putenschnitzel
       auftauchen. Alt-SPD-Mann und Bauernlobbyist Karl-Heinz Funke kaut im
       Fernsehen genüsslich ein Ei. Die Botschaft von beiden: Wir haben alles im
       Griff. Dabei haben sie überhaupt keinen Plan.
       
       Es ist fahrlässig, wie Union und SPD ein Zukunftsthema vernachlässigen:
       Immerhin stellt die Agrarpolitik die Weichen dafür, wie sich Städter und
       Dörfler weltweit ernähren. Noch immer verstehen die Talkshow-Experten
       beider Parteien Agrarpolitik als reine Industriepolitik.
       
       Sie schützen die mächtige Lebensmittelwirtschaft, eine der größten Branchen
       Deutschlands. Sie tun, als seien Antibiotika in Shrimps, Mäusekot in
       Mozzarella und Dioxin im Essen Einzelfälle. Dabei sind die verunreinigten
       Lebensmittel das systematische Ergebnis einer industrialisierten
       Landwirtschaft, die auf Turboerträge zu Turbobilligpreisen ausgerichtet ist
       – und wenigen Konzernen, aber sonst keinem gut tut.
       
       Sie treibt viele Bauern in den Ruin, sie belastet das Trinkwasser mit
       Nitraten, sie heizt das Klima auf. Das hat selbst die Europäische
       Kommission verstanden, die einen ökologischeren Weg einschlagen und
       Agrarsubventionen entsprechend umtopfen will.
       
       Unionsleute und SPDler aber zeigen sich hart. Sie nehmen die Schäden durch
       die Agrarindustrie in Kauf und verstehen nicht, dass sie langfristig damit
       die Grundlagen der Ernährung zerstören.
       
       Die Möchtegern-Volksparteien brauchen dringend Fachleute, die die
       Agrardebatte modernisieren. Ihre Wähler sind längst weiter. Sonst wären
       Bücher wie "Anständig essen" von Karen Duve oder "Tiere essen" von Jonathan
       Safran Foer keine Bestseller.
       
       10 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanna Gersmann
       
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