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       # taz.de -- Goldgräberstimmung in Südamerika: Gier nach Lithium bedroht die Natur
       
       > Im Dreiländereck Argentinien, Bolivien und Chile grassiert das
       > Lithiumfieber. Riesige Vorkommen des Metalls werden hier vermutet. Dafür
       > müssen Mensch und Natur leiden.
       
   IMG Bild: Bolivien versucht's allein: Lithium-Abbau am Uyuni-Salzsee.
       
       BUENOS AIRES taz | Die sich über Argentinien, Bolivien und Chile
       erstreckende Puna beherbergt zahlreiche Salzseen, unter denen sagenhafte
       Schätze wie in Tausendundeiner Nacht vermutet werden. In der Puna mit
       seinen kargen, aber vielerorts farbenprächtigen steppen- und
       wüstenähnlichen Hochebenen sollen knapp über 80 Prozent der weltweiten
       Lithiumvorkommen lagern. Den Flamingos in den hochgelegenen Salzseen der
       Puna aber könnte das Lithiumfieber gefährlich werden.
       
       Vom Lithiumfieber sind vor allem ausländische Firmen angesteckt. Jüngstes
       Beispiel in Argentinien ist die kanadische Lithium America. Die Firma hat
       sich ein rund 44.000 Hektar großes Gebiet mit dem Namen Cauchari
       abgesteckt. Partner von Lithium America sind Magna, die Volkswagen und Opel
       beliefern, sowie Mitsubishi.
       
       Lithium wird vor allen für wiederaufladbare Batterien benötigt. Nicht nur
       die Autoindustrie giert nach dem Leichtmetall, auch für die Akkus der
       Handys und Notebooks ist Lithium unverzichtbar. Der Weltmarktpreis für eine
       Tonne Lithiumkarbonat hat sich in den letzten Jahren auf rund 6.000
       US-Dollar verdoppelt. Der Marktaussichten für Autobatterien mit
       Lithiumanteil sind rosig. So soll nach einer Schätzung der US-Firma A. T.
       Kearney das Nachfragevolumen von den 2009 erreichten 32 Millionen Dollar
       auf knapp 75 Millionen Dollar im Jahr 2020 steigen.
       
       Cauchari wird mittlerweile als das drittgrößte Vorkommen von Lithium
       gehandelt, das bisher gefunden wurde. Größer ist nur das Vorkommen beim
       Salzsee Uyuni im Nachbarstaat Bolivien, wo nach Schätzungen der
       bolivianischen Regierung in einem 10.000 Quadratkilometer großen Gebiet
       rund 100 Millionen Tonnen Lithium lagern sollen. Das würde bereits 50
       Prozent der Weltreserven ausmachen.
       
       Vorsicht ist bei allen veröffentlichten Zahlen angebracht. Auch wenn schon
       seit geraumer Zeit gesucht, probegebohrt und stellenweise Lithium abgebaut
       wird, ist alles noch weitgehend im Anfangsstadium. Sicher ist nur, dass die
       Ausbeute in der Puna weniger kostspielig ist als andernorts. Das Lithium
       kommt in den unterirdischen Wasserläufen der Salzseen der Puna vor.
       
       Mit Sprengungen wird der Zugang freigelegt. Dann wird das mit Lithium
       angereicherte Wasser in große überirdisch angelegte Auffangbecken geleitet,
       in denen das Wasser unter der reichlich vorhandenen Sonne der Puna
       verdunstet. Zurück bleibt Flüssigkeit mit Lithiumkarbonat und reines
       Lithium.
       
       Bolivien versucht die Ausbeute mit staatlichen Firmen voranzutreiben. Nach
       Angaben der Regierung soll von der Gewinnung bis zur Herstellung der
       Batterien alles im eigenen Land erfolgen. Doch die entsprechenden Projekte
       kommen nur allmählich in Gang oder sind ins Stocken geraten. Der Grund ist
       das fehlende Kapital für die nötigen Investitionen. Ausländische Firmen
       sind seit den Verstaatlichungen im Jahr 2006 durch die Regierung von
       Präsident Evo Morales im Erdgas- und Ölbereich äußerst zurückhaltend.
       
       Anders ist die Sache in Argentinien. Zwar sind alle Bodenschätze Eigentum
       der jeweiligen Provinzen, in denen sie vorkommen. Doch die Firmen müssen
       lediglich drei Prozent des Wertes an die Provinzregierungen abführen -
       dagegen richtet sich erste öffentliche Kritik.
       
       Und allmählich wird auch der Protest der betroffenen indigenen
       Gemeinschaften hörbar. Immer häufiger zeigen sie nicht genehmigte
       Probebohrungen an. Matías Quispe von der Gemeinschaft der Kolla in Santa
       Ana de la Puna warnt, dass schon jetzt zu spüren ist, wie sich der
       unterirdische Wasserspiegel senkt. Das könnte schon bald den Bestand der
       Schafe, Ziegen und Lamas bedrohen, von denen viele Gemeinschaften leben.
       Ebenso wie die Flamingos in der Puna.
       
       10 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
       ## TAGS
       
   DIR Reiseland Bolivien
       
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