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       # taz.de -- Schwere Fußball-Randale in Moskau: Pogromstimmung in Moskau
       
       > Nach dem Mord an einem Fan von Spartak Moskau schließen sich
       > Fußball-Hooligans und rechte Schläger zusammen. Auf ihrer Hatz verprügeln
       > sie alle, die nicht slawisch aussehen.
       
   IMG Bild: Brutale Schläger stehen einer überforderten Polizei gegenüber.
       
       MOSKAU taz | Die Lage in Moskau sei unter Kontrolle, beruhigte Präsident
       Dmitri Medwedjew die Hauptstädter am Montag. Krawalle hatten am Wochenende
       Moskaus Zentrum in einen Kriegsschauplatz verwandelt. Rund 5.000
       aufgebrachte Fußballfans und Rechtsradikale lieferten sich am Samstag eine
       blutige Schlacht mit der Polizei. Dutzende Verletzte mussten in
       Krankenhäuser eingeliefert werden. Die öffentliche Kontrollbekundung des
       Kreml ist gewöhnlich ein Zeichen dafür, dass die Staatsmacht überfordert
       ist.
       
       Anlass der Massenschlägerei war eine Gedenkveranstaltung der Fußballfans
       des Moskauer Klubs Spartak. Anfang letzter Woche war der Spartakfan Jegor
       Swiridow in einer Auseinandersetzung mit einem Emigranten aus dem Kaukasus
       erschossen worden.
       
       Der Verdächtige stammt aus der nordkaukasischen Republik
       Kabardino-Balkarien und wurde wenig später von der Polizei festgenommen.
       Die Mitverdächtigen indes setzten die Ordnungshüter auf freien Fuß. Die
       Fans vermuten, dass diese die Polizei bestochen haben.
       
       Die Demonstration auf dem Platz der Manege war eine spontane Aktion der gut
       organisierten Fanklubszene, die enge Kontakte zum breit gefächerten
       Spektrum nationalistischer und rassistischer Gruppierungen unterhält.
       Genehmigt war sie nicht. Als Hunderte von Demonstranten auf dem Platz
       eintrafen, standen nur drei Polizeibusse in Bereitschaft - nicht mehr als
       an einem gewöhnlichen Tag.
       
       Moskaus Ordnungshüter hätten jedoch gewarnt sein müssen. Nach der
       Beerdigung Jegor Swiridows am Dienstag blockierten mehrere hundert Fans
       eine Moskauer Hauptverkehrsstraße. Die Polizei war machtlos und schaute nur
       zu. Am Sonnabend verlangten die Fans von den Ermittlern, den Mord an ihrem
       Kumpel genau zu untersuchen. Der Druck der aggressiven und angetrunkenen
       Masse veranlasste sogar den Moskauer Polizeichef Wladimir Kolokolzew, vor
       dem pöbelnden Mob die Aufklärung des Mordes persönlich zu geloben.
       
       Zur Entspannung der Lage trug dies nicht bei. Randalierende Jugendliche
       zogen daraufhin grölend durch die Innenstadt. Wer nicht dem äußeren Bild
       eines Slawen entsprach, wurde verprügelt. "Russland den Russen" und
       "Fürchtet euch!", skandierte die Menge. Den Bewohnern aus Russlands Süden
       versprachen sie "Deportation". Stalin hatte die Völker zuletzt 1944 aus dem
       Kaukasus zwangsumgesiedelt.
       
       Als die Polizei die Masse aufforderte, durch einen Sicherheitskordon in
       eine Metrostation zu gehen und sich aufzulösen, antwortete diese mit "Wir
       sind die Sicherheit". Wer Augenzeuge wurde, dem leuchtete dies ein. In der
       ungesicherten Metrostation setzte der Pöbel das Pogrom fort. Sobald sich
       Waggontüren einfahrender Züge öffneten, sprangen Schläger mit dem Kampfruf
       "Wagen für Weiße" hinein und verprügelten alle, die dem Bild des slawischen
       Übermenschen nicht entsprachen.
       
       Nach den Ausschreitungen im Zentrum setzte sich die Hatz in den Moskauer
       Vororten fort. Gruppen von Jugendlichen fielen über "Personen kaukasischer
       Nationalität" und "Gastarbeiter" aus Zentralasien her. Ein Kirgise wurde
       erstochen, ein Aseri angeschossen und ein Usbeke schwer verletzt. Für
       Mittwoch kündeten die Rechtsradikalen an, sich vor dem Kiewer Bahnhof zu
       versammeln.
       
       Die Atmosphäre in der Emigrantenszene ist angespannt. Der Hass auf die
       russischen Bürger aus dem Kaukasus und Zentralasien ist in Russland weit
       verbreitet. Die nationalistische Politik in der Putin-Ära hat die Ablehnung
       alles Fremden jedoch erst hoffähig gemacht. Pogrome gegen Georgier 2006
       wurden vom Kreml gesteuert. Dabei taten sich besonders die
       nationalistischen und chauvinistischen Stoßtrupps der Kremljugend hervor,
       allen voran die Organisation Naschi (die Unsrigen) und Molodaja Gwardija
       (Junge Garde).
       
       Die vom Kreml großzügig finanzierten Gruppen scheuten den Schulterschluss
       mit Skinheads und Fußball-Hooligans nicht. Des Öfteren mischten
       rechtsradikale Schläger auch Demonstrationen der Opposition auf oder
       bedrohten bekannte Menschenrechtler. Vor Gericht konnte dies jedoch nie
       bewiesen werden. Auch ein Bekannter Wladimir Putins unterstützt die
       Forderungen der Fanszene: der Chef des Motorradclubs Night Wolves,
       Alexander Saldostanow. Er wolle sich im eigenen Land nicht wie in der
       Diaspora fühlen, sagte er. Saldostanow saß im Sommer zusammen mit dem
       Premier bei einem Bikertreffen auf demselben Bock.
       
       13 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
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