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       # taz.de -- DDR-Atommüll soll nach Majak: Die Sammelkäfige stehen schon bereit
       
       > Die Bundesregierung hält an der umstrittenen Atommüll-Lieferung nach
       > Majak fest – dabei haben selbst ihre eigenen Gutachter
       > Sicherheitsbedenken.
       
   IMG Bild: Ein Warnschild vor der ehemaligen Schule von Muslimowo, hier ereignete sich 1957 die Katastrophe im russischen Atomkomplex Majak.
       
       BOCHUM taz | Im Umweltausschuss des Bundestags blieb die parlamentarische
       Staatssekretärin im Umweltministerium, Katharina Reiche (CDU), betont
       zweideutig. Nach den geplanten Atommüll-Lieferungen nach Russland gefragt,
       bestätigte Reiche zwar, dass ein entsprechender Staatsvertrag noch nicht
       unterschrieben ist. Meldungen, die Castor-Transporte seien abgesagt,
       dementierte Reiches für die Atomaufsicht zuständiges Ministerium aber
       umgehend: "Die Prüfung des Antrags ist noch nicht abgeschlossen", sagte
       eine Sprecherin von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU).
       
       Atomkraftgegner sprechen deshalb von einem "Täuschungsmanöver" der
       Regierung, das dazu dienen solle, Proteste gegen die geplanten drei
       Transporte "kleinzuhalten". Gegen die Lieferung des hochradioaktiven
       Materials protestieren Umweltschützer aus Russland und Deutschland schon
       seit Monaten. Denn Ziel der Brennelemente, die ursprünglich aus dem
       DDR-Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden stammen, ist das noch aus
       Sowjetzeiten stammende Atomkombinat Majak.
       
       Die marode Atomanlage hat bei Störfällen ähnlich viel Radioaktivität
       freigesetzt wie beim Super-GAU von Tschernobyl. Das bestätigt auch ein im
       Auftrag der Bundesregierung erstellter [1][Bericht der Gesellschaft für
       Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS)], der der taz vorliegt: "Insgesamt
       wurde eine Fläche von 25.000 Quadratkilometern kontaminiert, etwa 500.000
       Menschen haben erhöhte Strahlendosen erhalten."
       
       Dokumentiert ist auch die Verseuchung des Flusses Tetscha, der an die
       Anlage grenzt. "Alle Gewässer in der Umgebung des Anlagenkomplexes Majak
       sind durch die Entsorgung von radioaktiven Abfällen mehr oder minder stark
       belastet", heißt es in der Analyse.
       
       Trotzdem hält auch die Bundesregierung diese Art der "Entsorgung" offenbar
       für denkbar, schließlich ist die versprochene "Wiederaufbereitung" des
       deutschen Atommülls in Russland nicht in Sicht: Derzeit sei "die Anlage
       nicht in Betrieb, sodass die Brennelemente zunächst auf dem Anlagengelände
       in Majak zwischengelagert werden müssen", schreiben die GRS-Gutachter. Ein
       Rücktransport des Atommülls sei "nicht vorgesehen" - dabei gebe es in
       Russland kein Endlager für radioaktiven Atommüll.
       
       "Das Tetscha-Kaskadensystem, der Karatschaisee und der See Staroje Boloto
       in Majak sind de facto als oberflächennahe Endlager anzusehen", heißt es
       weiter. Die Regierung müsse den Atommüllexport endlich absagen, fordern
       deshalb auch die Grünen im Bundestag: "Das GRS-Gutachten enthält bereits
       genug Gründe, den Transport nicht zu genehmigen", sagte die Grüne Sylvia
       Kotting-Uhl.
       
       Nach den Vereinbarungen des Russian Reactor Fuel Return, mit denen die
       Rücknahme von radioaktivem Material aus der ehemaligen Sowjetunion geregelt
       wird, müssten die geplanten drei Castor-Transporte noch in diesem Jahr
       abgeschlossen werden.
       
       Das CDU-regierte Bundesland Sachsen, das den Atommüll unbedingt loswerden
       will, macht deshalb Druck: Schon 2005 ließ die dortige Staatsregierung das
       hochradioaktive Material aus dem Freistaat schaffen. Seitdem lagern die 951
       Brennelemente im Zwischenlager Ahaus in Nordrhein-Westfalen.
       
       Um Russland zufriedenzustellen, sei zumindest einer der drei geplanten
       Transporte noch in diesem Jahr wahrscheinlich, warnen Atomkraftgegner dort.
       Röttgens Umweltministerium wolle die Anti-Atom-Bewegung offenbar
       überraschen, glaubt Felix Ruwe von der Ahauser Anti-Atom-Initiative: "Wir
       gehen davon aus, dass der erste Castor unmittelbar nach Erteilung der
       Ausfuhrgenehmigung rollen soll, um Klagen russischer Umweltschützer vor
       deutschen Gerichten zu vermeiden."
       
       Schon heute bereiteten sich in Ahaus Polizeieinheiten auf den
       Atommüllexport vor. "Am Mittwochabend sind bereits Gefangenensammelkäfige
       angeliefert worden", berichtet Ruwe. Die rot-grüne Landesregierung in
       Düsseldorf versichert dagegen, ihre Beamten seien aus den Vorbereitungen
       für den Atommüllexport ausgestiegen: "In diesem Jahr wird es definitiv
       keinen Transport geben", heißt es aus dem NRW-Innenministerium.
       
       Auch das für die Atomaufsicht im größten Bundesland zuständige
       Wirtschaftsministerium versichert, die billige Entsorgung in Russland "aus
       Sicherheitsgründen" bereits abgelehnt zu haben - allerdings sei das Veto
       Nordrhein-Westfalens "rechtlich nicht bindend".
       
       3 Dec 2010
       
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