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       # taz.de -- die wahrheit: Keith Richards litt am Arschloch der Welt
       
       > Dass Mick Jagger nichts in der Hose hat, weiß jetzt endlich jeder, Keith
       > sei Dank. Wer die Autobiografie des Rolling-Stones-Gitarristen noch nicht
       > gelesen hat, dem wird ...
       
       ... eine Nachricht entgangen sein, die in Aotearoa für so viel Wirbel sorgt
       wie die Enthüllungen über des Sängers emsigen Bonsai-Pimmel. Dunedin, "fast
       die südlichste Stadt der Welt", laut Richards, sei ein "schwarzes Loch. [ …
       ] Es sah aus wie ein Grabstein und fühlte sich so an." Das sitzt.
       
       Dunedin ist eine schottisch angehauchte Universitätsstadt auf der Südinsel
       Neuseelands - kalt, klein, aber fein. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass
       sie a) die steilste Straße der Welt hat, auf der mal eine 19-Jährige zu
       Tode kam, als sie in einer Mülltonne herunterrollte, b) eine
       Albatroskolonie, eine Schokoladenfabrik und viele scheue Pinguine
       beheimatet, c) Schauplatz eines Massakers unter Bewohnern des benachbarten
       Strandörtchens Aramoana im Jahre 1990 war und d) einmal im Jahr von
       Studenten im Zuge eines Autorennens in ein Schlachtfeld verwandelt wird.
       Und jetzt noch e) durch eine exklusive Schmähung im Bestseller "Life".
       
       "Es war ein nasser Sonntag im Jahre 1965", schreibt "Keef", der sich im
       Datum geirrt haben muss, denn die Stones spielten an einem Mittwoch auf
       ihrer Tournee mit anderen Bands in der Stadthalle auf. "Ich glaube, man
       kann nirgendwo etwas Deprimierenderes finden. Der längste Tag meines
       Lebens."
       
       Die gesamte Band sei in Dunedin schlagartig depressiv geworden. Kein
       Gelächter, kein Licht am Horizont, selbst betrinken konnte man sich in all
       der Trostlosigkeit nicht. Nur ein Klopfen an der Zimmertür: "In zehn
       Minuten beginnt die Kirche." Er habe sich so tödlich gelangweilt, so der
       Rock n Roller, dass er sich überlegte: "Ich mache einen Kopfstand und
       recycle so die Drogen."
       
       Von der Lokalpresse wurde die Band damals verrissen. Sie sei die
       "ungekämmteste und langhaarigste aller Gruppen", die es zu jener Zeit ans
       Ende der Welt verschlug, stellte ein Rezensent fest und urteilte: "Zu
       anthropoid". Den Beatles könnten diese schmuddeligen Newcomer schon gar
       nicht das Wasser reichen.
       
       Frostig war auch der Empfang der Rolling Stones am Vortag in Invercargill
       gewesen, Neuseelands südlichste Stadt und mindestens so unspannend wie
       Dunedin. Dort buhte man die jungen Engländer aus und warf ihnen halb
       gegessene Pies an den Kopf, als Roy Orbison keine Zugabe mehr geben wollte.
       
       Wegen ihm waren die Südländer gekommen, die Stones als Rahmenprogramm waren
       ihnen ziemlich egal. Davon steht nichts in Richards Buch. Aber der
       legendäre Stones-Kommentar von damals ging in die Annalen Neuseelands ein:
       "Invercargill ist das Arschloch der Welt."
       
       Auf dieser Auszeichnung besteht der Bürgermeister von Invercargill immer
       noch - viel PR hat die Farmerstadt seit Mitte der Sechziger offensichtlich
       nicht bekommen. Tim Shadbolt, selber ein alter Entertainer, behauptet
       sogar, dass all die Dunedin-Zitate in "Life" in Wirklichkeit Invercargill
       zuzuschreiben seien: "Keith Richards hat die beiden Städte verwechselt."
       
       18 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anke Richter
       
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