URI: 
       # taz.de -- "Tatort" mit Richy Müller und Felix Klare: Der Bulle mit Undercover-Vergangenheit
       
       > Eine Urkrainerin liegt tot am Seeufer. Die Stuttgarter Tatort-Kommissare
       > Lannert und Bootz ermitteln im Flüchtlingsmilieu. "Tatort: Die
       > Unsichtbare" (Sonntag 20.15 Uhr, ARD).
       
   IMG Bild: Kommissar Thorsten Lannert hat sich von dem 12jährigen Deniz übertölpeln lassen.
       
       HAMBURG taz | Als sie stirbt, wird sie endlich sichtbar. Da liegt die
       Leiche der Ukrainerin am verschneiten Bärenseeufer; vor dem Ableben wurde
       das Opfer mit einem Elektroschockgerät traktiert, danach erwürgt. Die Frau
       lebte ohne gültige Papiere in Stuttgart und lässt nun zwei Kinder zurück,
       die sich aus Angst vor den Behörden verstecken.
       
       Kommissar Lannert (Richy Müller) nimmt die Spur auf – und unterschätzt die
       in der Illegalität antrainierten Selbstschutzfähigkeiten der Kleinen: In
       der besten Szene sieht man den Ermittler in einer Telefonzelle, in die er
       vom zwölfjährigen Flüchtling durch einen Trick eingesperrt wurde.
       
       Zur Rettung ruft er den Kollegen Bootz (Felix Klare) herbei, der dann mit
       dem Handy einen schönen Erinnerungsschnappschuss vom gelinkten Kollegen
       macht. Der Bulle mit Undercoververgangenheit – er ist längst nicht einem
       Jungen aus der Illegalität gewachsen.
       
       Für die beiden Polizisten beginnt nun eine Odyssee durch die Parallelwelt
       ohne Aufenthaltsgenehmigung in Stuttgart lebender Flüchtlinge, vom
       Ausländeramt über eine Bar, wo sich Frauen aus dem Osten reichen Schwaben
       andienen, bis zu einer dubiosen Wäscherei am Stadtrand. An den meisten
       Orten treffen sie auf einen ganz bestimmten Menschenschlag: Deutsche, die
       hinter der Fassade der Mildtätigkeit perfide Ausbeutung betreiben.
       
       Bei ihren Ermittlungen, bei der sie sich manchmal selbst an der Grenze zur
       Illegalität bewegen, weil sie ihre Informanten nicht preisgeben wollen,
       kriegen Bootz und Lannert Rückendeckung von der strengen Staatsanwältin
       Emilia Alvarez – eine interessante öffentlich-rechtliche Intertextualität
       übrigens: Denn die ARD-Juristindarstellerin Carolina Vera Squella, selbst
       gebürtige Chilenin, durchlebte unlängst in der Rolle einer
       südamerikanischen Flüchtlingsmutter in dem ZDF-Migrantendrama „Schutzlos“
       die Ausbeutung in der Illegalität. Der Film wird am Sonntag übrigens
       zeitgleich auf 3sat als Kandidat in dem „Zuschauerpreis“-Wettbewerb des
       Senders gezeigt.
       
       Gegen das schlichte, aber wirkungsvolle ZDF-Lehrstück, das rigoros aus der
       Perspektive der rechtlosen Frau erzählt wird, kommt dieser gut gemeinte
       „Tatort“(Regie: Johannes Grieser, Buch: Eva und Volker A. Zahn) dann auch
       nicht wirklich an. Immer wieder verzettelt er sich in der Präsentation
       möglicher Verdächtiger und springt dann in der Handlung zu den jungen
       ukrainischen Waisen, die im Kinderkrimi-Modus Reißaus vor ihren Verfolgern
       nehmen.
       
       Ganz verkehrt ist „Die Unsichtbare“ trotzdem nicht. Mal abgesehen davon,
       dass es durchaus eine reelle Sache ist, auf dem populärsten Sendeplatz des
       deutschen Fernsehens die Widersinnigkeiten des hiesigen Ausländerrechts
       aufzuzeigen, gibt es in den besseren Momenten ein paar böse Spiegelungen
       zwischen dem Kulturkampf der „Legalen“ und den Überlebenskampf der
       „Illegalen“: In der Schule der beiden untergetauchten Kinder trifft
       Kommissar Bootz auf jenen Direktor, der Bootz’ zehnjährige Tochter auf die
       Realschule schicken will, obwohl der Cop sie doch auf dem Gymnasium sieht.
       Die Abstiegsängste des Deutschen, sie wirken vor den Abschiebeängsten der
       Ukrainer einfach nur mickrig.
       
       „Tatort: Die Unsichtbare“, Sonntag, den 14.11.2010 um 20.15 Uhr, ARD
       
       14 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Buss
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA