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       # taz.de -- Nachrufseite Stayalive: Noch mehr Unsterblichkeit online
       
       > Früher versprach Helmut Markwort "Fakten, Fakten, Fakten", jetzt
       > verspricht er Unsterblichkeit. In München präsentierte er Stayalive –
       > eine Art "Facebook für Tote".
       
   IMG Bild: "Fakten, Fakten, Fakten" kann er sich diesmal zum Glück sparen.
       
       Vorne krabbelt ein Kleinkind über den Bühnenrand und Helmut Markwort
       murmelt: "Kinder und Hunde stehlen einem die Show." Die Pressekonferenz hat
       noch gar nicht angefangen, da gibt Markwort schon den abgebrühten
       Bühnenprofi.
       
       Seit er vor einem Monat als Chefredakteur des Focus in Rente gegangen ist,
       redet Markwort in Talkshows vor allem über seine Versuche als
       Laienschauspieler. Die größte Rolle: Der Tod, in einer Aufführung des
       "hessischen Jedermann" diesen Sommer. Markworts Auftritt habe "bleierne
       Lethargie" ausgestrahlt, fand die FAZ. Gut, dass Markwort an diesem
       Dienstag-Vormittag nur sich selbst spielen muss. Er wirkt frisch und
       lebendig.
       
       "Wir gründen kein Theater, wir gründen auch keine Partei", spricht Markwort
       in sein Mikrofon. Es sei auch kein Angriff auf Focus oder Focus Online,
       einfach eine phantastische komplette Online-Idee." So bescheiden hatte das
       in der Einladung nicht geklungen: Man werde ein Portal präsentieren "mit
       dem Sie sich im Internet unsterblich machen können", hatte Markwort vor
       zwei Wochen in einer rätselhaften Mail geschrieben. Dazu ein Goethe-Zitat.
       Weitere Informationen: Fehlanzeige.
       
       Nun steht Markwort im Kellergewölbe des Münchner Hofbräukellers, zweites
       Untergeschoss, hinter ihm leuchtet die Leinwand in seltsam an das
       Corporate-Design von Facebook erinnerndem Blau, darauf steht in dicken
       weißen Buchstaben "Stayalive". "Facebook für Tote" nennt es der
       Internetunternehmer Matthias Krage, der [1][Stayalive] erfunden hat. Er
       würde es lieber "Unsterblichkeitsportal" nennen, meint Markwort. Der
       Ex-Chefredakteur hält ein Sechstel der Anteile an Stayalive. Er sei
       "Business-Angel und Prophet meiner jungen Partner", erklärt Markwort. Die
       Ideen kommen von Krage. Markwort kümmert sich um die Aufmerksamkeit.
       
       Auf der Leinwand poppen Screenshots auf, von Internetseiten, die aussehen
       wie etwas aufgeräumtere Facebook-Profile, frei von all dem Kitsch wie ihn
       Bestattungsunternehmen so lieben: Private Fotos, Freunde, Videos. Die Idee
       hinter Stayalive klingt erst einmal vielversprechend: Während in anderen
       Social-Media-Portalen die persönlichen Daten nach dem eigenen Tod
       unkontrolliert weiterleben, verspricht Stayalive die umfassende Kontrolle
       über das eigene Online-Nachleben: Ein Online-Profil eingerichtet zu
       Lebzeiten, gespeichert für die Zeit nach dem eigenen Tod.
       
       Schon das Anmelde-Formular auf Stayalive.com macht Versprechungen, wie sie
       sonst nur gestandene Weltreligionen wagen: Der Nutzer kann wählen zwischen
       den Optionen "Mich digital unsterblich machen" und "Einen Verstorbenen
       digital unsterblich machen." Das kostet eine Jahresgebühr von 9,90 Euro
       oder 499,90 Euro für unendliche Online-Unsterblichkeit.
       
       Online-Trauerportale wie [2][Emorial] oder [3][Trauer.de] gibt es schon
       seit Jahren. Das sei "die alte Welt ins Internet übertragen", meint
       Stayalive-Erfinder Krage. "Wir haben das Internet mit dem Tod vereint und
       nicht umgekehrt." Mitglieder des Portals können wie bei Facebook
       Freundschaften schließen. Es gibt die Möglichkeit, Online-Freunden letzte
       Wünsche zu überlassen, die ihnen mit dem Tod automatisch zugänglich gemacht
       werden. Eine Google-Maps-Ansicht zeigt den Standort des realen Grabs zum
       virtuellen Gedenkstein.
       
       Helmut Markwort witzelt, er hätte sich auch eine Funktion namens "Stayaway"
       gewünscht, um der Nachwelt mitzuteilen, wer nicht auf seine Beerdigung
       kommen solle. Wie viele Nutzer er mit seinem Portal ins Leben nach dem Tod
       erreichen will, mag Matthias Krage nicht sagen. Er sei aber zuversichtlich,
       denn: "Alles was Helmut Markwort anfasst, wird zu Gold."
       
       Während die anderen Gäste schon am Buffet stehen, gibt der
       Ein-Sechstel-Besitzer von Stayalive, Helmut Markwort noch entspannt
       Interviews für den regionalen Rundfunk. Dort wo er früher einmal sein Geld
       investiert hat. Als ihm ein Reporter das Mikrofon hinhält deutet er nur auf
       das Logo und meint: "Da habe ich auch noch Anteile".
       
       9 Nov 2010
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://stayalive.com/de
   DIR [2] http://www.emorial.de/
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