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       # taz.de -- KUNSTWELT: Medienmacht missbraucht
       
       > Das Museum Weserburg versucht morgen mit der Versteigerung eines
       > Richter-Bildes den finanziellen Befreiungsschlag. Zur Vorgeschichte
       > gehört der Versuch der Bremer Sammlerin "Madame Tu", das Museum für die
       > Wertsteigerung ihrer Kunstwerke zu instrumentalisieren. Und der Versuch
       > des Geschäftsführers des "Weser Kuriers", Ulrich Hackmack, Druck für die
       > Interessen der Geschäftsfrau zu machen.
       
   IMG Bild: Kooperation auf wackeligem Boden: Weserburg und Weser Kurier
       
       Alle Künstleraugen sind am 9. November nach New York gerichtet: Dort wird
       bei Sothebys Gerhard Richters Gemälde "Matrosen" aus dem Jahr 1966
       versteigert. Sechs bis acht Millionen Euro soll es bringen - für die
       Kriegskasse des Bremer Sammlermuseums Weserburg. Der Verkauf von Bildern
       ist ein Sakrileg für ein Museum. Das Bremer Haus will seinen Verkauf aber
       nicht als Tabu-Bruch gewertet wissen, sondern betrachtet die
       Geldbeschaffung als Ausnahme. Die sei nur zu rechtfertigen, weil es nicht
       der Auftrag eines "Sammlermuseums" sei, Kunst im Eigentum zu haben.
       
       Als der Verkauf im September der Presse vorgestellt wurde, benutzte
       Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD) auffallend oft Formulierungen, nach
       denen das Museum nicht "erpressbar" sein solle. Warum wollte ihr dieses
       Wort ausgerechnet an jenem Tag nicht aus dem Kopf?
       
       Kooperation zieht Massen 
       
       Das Museum ist für seine Bedeutung und seine gewollte Aktivität vom klammen
       Bremer Kulturhaushalt nicht hinreichend mit Geld ausgestattet; der
       jährliche Zuschuss beträgt 1,1 Millionen Euro. Die reichen für Heiz- und
       fixe Personalkosten. Für die künstlerische Arbeit, Ausstellungen, Kataloge,
       ist nichts da - es sei denn, es gibt Spender, Sponsoren oder
       Kooperationspartner. Denn moderne Kunst spricht kein Massenpublikum an, ist
       also auf Zuschüsse angewiesen.
       
       2008 gab es einmal eine Ausnahme: Da wurden Bilder von "Helmut Newton -
       Werke aus einer Bremer Privatsammlung" gezeigt. "Sex sells" - auch in der
       Kunst. Wenn man will, gehören die Frauen-Fotos von Newton auch zur modernen
       Kunst. Schließlich sollte die Ausstellung Geld in die Kasse spülen und
       Besuchern, die in den Jahren der reinen Lehre nicht in das Museum gefunden
       hatten, die Adresse nahe bringen. Das zweite Standbein für den
       kaufmännischen Erfolg sollte - neben Newton - die Medienpartnerschaft mit
       dem Weser Kurier bilden: Der Weser Kurier warb redaktionell für die
       Ausstellung und die hauseigene Ticket-Firma vermarktete die
       Eintrittskarten. So weit, so gut. Das Modell hätte Schule machen können.
       
       Weser Kurier meldet falsch 
       
       Nach der Ausstellung wurden allerdings alle Bilder der Privatsammlerin -
       nicht nur die soeben ausgestellten Newton-Werke - Richtung
       Picasso-Grafikmuseum in Münster "abgezogen". Dessen Leiter, Markus Müller,
       erklärte öffentlich warum: Es gebe "Unstimmigkeiten" zwischen der Sammlerin
       und der Weserburg, für ihn bedeute das "enormen Zugewinn an musealem
       Wechselgeld". Was der Gegenstand der Unstimmigkeiten war, wurde nie
       öffentlich erklärt. Und auch nicht, warum der Weser Kurier seitdem jegliche
       "Medienpartnerschaft" ablehnt.
       
       Während der Kulturteil des Weser Kuriers zu dem Museum hielt, fanden sich
       seitdem im Lokalteil immer wieder schlechte Nachrichten. Regelrechte
       Falschmeldungen. "Im Kreis von Kunstsammlern gibt es Unmut", war da zu
       lesen. "Trotz der Angebote aus dem Sammlerkreis, ebenso publikumswirksame
       wie künstlerisch anspruchsvolle Exponate zur Verfügung zu stellen", komme
       das Museum aus den roten Zahlen nicht heraus. Es gebe "Forderungen nach
       Ablösung von Museums-Chef Ahrens". Und: "Da in Bremen die Stiftungsaufsicht
       beim Innensenator angesiedelt ist, ging mit diesem Hintergrund jetzt ein
       Schreiben an Ressortchef Ulrich Mäurer (SPD) mit der Bitte, das Neue Museum
       Weserburg zu überprüfen".
       
       Wer ist unzufrieden? 
       
       Wer forderte die Ablösung? Wer wandte sich an den Innensenator? Den Brief
       geschrieben hat Ulrich Hackmack, Geschäftsführer des Weser Kuriers. Er
       forderte die Ablösung von Museums-Chef Ahrens. Unzufrieden war "Madame Tu",
       Privatsammlerin - und Hackmack eng verbunden.
       
       Die Geschichte ihres "Unmuts" geht zurück auf die Ausstellung "Helmut
       Newton - Werke aus einer Bremer Privatsammlung". Warum nur "aus einer"? Der
       Direktor des Museums, Carsten Ahrens, hätte gern eine künstlerisch
       anspruchsvolle Newton-Schau gezeigt. Wichtige Newton-Bilder sind seit
       Jahren in privater Hand. Die Bremer Sammlerin hatte im Vorfeld der
       Ausstellung jemanden beauftragt, einige Dutzend Newton-Bilder, die auf dem
       Markt zu haben waren, aufzukaufen. Gegenüber dem Museum soll sie mit dem
       Anspruch aufgetreten sein, dass nur ihre Bilder gezeigt werden. Klar, dass
       so eine Ausstellung den Wert der gezeigten Bilder erhöht. Sogar das Rathaus
       - wo Kultursenator Jens Böhrnsen (SPD) residiert - schaltete sich ein, um
       dem Museumsdirektor klarzumachen, dass künstlerische Gesichtspunkte diesmal
       zurücktreten müssten. Ahrens musste sich beugen - siehe Ausstellungstitel.
       Anderen Sammlern, die wichtigere Newton-Bilder besitzen, wurde abgesagt.
       "Madame Tu" spricht mit Journalisten nur, wenn die ihr zusichern, dass ihr
       Name nicht fällt. Als im Kulturteil des Weser Kuriers einmal unter der
       kryptischen Überschrift "Geschichte einer Meldung" berichtet wurde, dass es
       um eine "Sammlung Tu" gehe, drohte sie mit Klage: Die Geschäftsführung
       hatte ihr zugesichert, dass ihr Name in der Zeitung nicht erwähnt würde.
       
       Bestens vernetzt 
       
       Wer herumfragt, was den Geschäftsführer des Weser Kuriers geritten haben
       könnte, sich solchermaßen mit den Interessen der Geschäftsfrau zu
       verbinden, stößt auf ein eindeutiges Achselzucken: Hackmack und "Madame Tu"
       sind eben gut befreundet, "er kocht für sie auch Spargel". Auf großen
       Festen in ihrem Garten sah man sie zusammen Museums-Politik verabreden.
       
       Nach dem großen Knatsch um die Newton-Ausstellung war klar: "Madame Tu"
       will den Museumsdirektor weg haben. Und sie verfügt aus ihrer
       taiwanesischen Familien über das nötige Kleingeld und Verbindungen. Anfang
       der 90er Jahre platzte die sonst übliche geschäftliche Diskretion, als auf
       einem Schiff in ostasiatischen Gewässern ein hoher Marineoffizier der
       taiwanesischen Armee tot über die Reling fiel. Mit an Bord: "Madame Tu" und
       der Bremer Rüstungs-Schiffbauer Lürssen. Die Brüder Lürssen sind seit
       Jahren der Weserburg freundlich zugetan. Ahrens-Vorgänger Thomas Deeke
       beriet sie bei ihren Kunstgeschäften. Als Deeke einmal kurzfristig eine
       sechsstellige Summe brauchte, gab ihm "Madame Tu" den Tipp, zu Lürssen nach
       Vegesack zu fahren. Deeke kam nach zwei Stunden zurück und erzählte, so
       schnell habe er noch nie einen Scheck bekommen.
       
       "Wir sind zufrieden" 
       
       Doch wie unzufrieden sind die Sammler mit dem aktuellen Museums-Chef? Georg
       Böckmann, Sammler und Mitglied im Stiftungsrat: "Ich wüsste nicht - bis auf
       eine Sammlerin - wer unzufrieden sein soll, wir sind mit Ahrens zufrieden."
       Walter Schnepel, Mitglied im Stiftungsrat: "Als Sammler habe ich hier noch
       nie Probleme gehabt." Die genannten Vorwürfe kämen von "einer einzelnen
       Leihgeberin", diese sei mit ihrem Vorgehen auch schon in anderen Museen
       gescheitert und tauge kaum als Kronzeugin. Das ist eine Anspielung auf
       Bremerhaven: Dort sollte das Kunstmuseum leer geräumt werden für die
       Präsentation von Bildern von "Madame Tu". Es kam zum Zerwürfnis. Ein
       Vorstandsmitglied diskret: "Wir machen mit der Dame keine Geschäfte."
       
       Aus der Kulturredaktion des Weser Kuriers gibt es diverse Geschichten
       darüber, wie Geschäftsführer Hackmack sich mit "Anregungen" und
       Meinungsäußerungen einmischen wollte in die Berichterstattung. In Münster
       ist "Madame Tu" mit ihren Bildern übrigens unglücklich gelandet. Anfangs
       war angekündigt, dass es dort im Sommer 2010 eine Markus
       Lüpertz-Ausstellung geben sollte. Stattgefunden hat die bislang nicht.
       
       Verkauf nach Moderation 
       
       Für den Verkauf des Richter-Bildes hat sich die Weserburg bei einer
       Moderation entschieden. Seit einem Jahr hat der Bremer Kaufmann und
       Kunst-Mäzen Bernd Hockemeyer den Auftrag, als "Moderator" für das Museum
       eine solide Finanz-Struktur zu schaffen. Da der Staat nicht mehr Geld geben
       will, bedeutet das vor allem auch die Suche nach privaten Mäzenen.
       
       Mit der eigenwilligen "Madame Tu" gab es keine Moderation. Und so gibt es
       auch keine Anzeichen dafür, dass der Weser Kurier wieder mit einer
       "Medienpartnerschaft" das Museum unterstützen wird.
       
       7 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Wolschner
       
       ## TAGS
       
   DIR Museum Weserburg
   DIR Martin Kippenberger
       
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