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       # taz.de -- ARD-Epos über Russen-Mafia in Berlin: Pathos, Melancholie, Wahnsinn
       
       > Drehbuchautor Rolf Basedow ist tief ins kriminelle russische Milieu in
       > Berlin eingetaucht. Herausgekommen ist eine ARD-Serie "Im Angesicht des
       > Verbrechens", die heute startet.
       
   IMG Bild: Feiern in der Russendisko: Schauplatz von "Im Angesicht des Verbrechens" ist das kriminelle russische Milieu in Berlin.
       
       Rolf Basedow ist wieder eingetaucht. Ist wieder auf der Suche nach den
       kleinen, verräterischen Details, den Typisierungen, die einen glaubwürdigen
       Polizisten oder Kriminellen ausmachen. Wie er redet, sich bewegt, handelt,
       fühlt, denkt, träumt. Er ist aus seinem Wohnort München angereist, um seine
       Berliner Polizeikontakte für ein neues Projekt zu nutzen.
       
       Rolf Basedow ist 63 Jahre alt. Ein langer, freundlich schauender Mann mit
       grauen Locken. Und von Beruf Drehbuchautor, zuletzt für die Serie "Im
       Angesicht des Verbrechens", bei der Dominik Graf Regie geführt hat und die
       ab heute im Ersten läuft. Er sei ein Schwamm, sagt Basedow. "Ich sauge mich
       quasi voll und dann verarbeite ich alles zur Fiktion."
       
       So wie bei "Im Angesicht des Verbrechens", dem zehnteiligen Mafia-Epos, das
       eigentlich ein acht Stunden langer Film ist. Schauplatz ist das kriminelle
       russische Milieu in Berlin. Den Zugang zu diesem Milieu hat Rolf Basedow.
       
       Seine Eintrittskarte dort ist der Film "Hotte im Paradies" von 2002. Regie
       hat auch hier Dominik Graf geführt. Der Film über einen Berliner Zuhälter
       basierte auf dem Fachwissen der Charlottenburger Kiezgröße Steffen Jacob.
       Basedow hat ihn über ein Jahr hinweg immer wieder getroffen und auch bei
       den Dreharbeiten betreut, als Jacob sich in einer Nebenrolle selbst
       spielte. Die Hauptrolle übernahm Misel Maticevic, der auch bei "Im
       Angesicht des Verbrechens" in einer wichtigen Rolle als Restaurantbetreiber
       und Mafiaboss Mischa zu sehen ist. "Ohne diesen Film hätten wir nicht mit
       dir geredet", hätten seine Gesprächspartner Basedow bestätigt.
       
       Der Autor, immer begleitet von einem Russischdolmetscher, begab sich auf
       Feldforschung in eine ihm unbekannte Welt. Das russische und
       russisch-jüdische Milieu in Berlin hat ihn fasziniert - die Feste, "das war
       gleich wie großes Kino", schwärmt der nüchterne Rechercheur. "Ein Freund
       hat mich mitgenommen zu einem Fest, da habe ich die russische Lebensfreude
       erlebt, ihre Herzlichkeit, die Gefühlswelt, den Pathos, die Melancholie,
       den Wahnsinn und ihre gegenseitige Verbundenheit."
       
       Der "Dreiklang von Erde, Himmel und Seele", den er aus den Klassikern des
       russischen Kinos kannte, den Satz über Banditen, die "außen wie Geschosse
       und innen wie Blumen" seien, alles das wollte er zum großen deutschen
       Mafiafilm verdichten. Eine Geschichte, deren Ursprünge in den 1990er Jahren
       liegen, als in Berlin Millionen zirkulierten, als die Stadt "mit großer
       krimineller Energie angefüllt" war, wie Basedow sagt. Insofern ist "Im
       Angesicht des Verbrechens" fast ein historisches Produkt. Aber eine
       Geschichte, die Dominik Graf kompromisslos ins Heute übertragen hat.
       
       Graf und Basedow sind alte Bekannte. Schon in den Siebzigern besuchten sie
       gemeinsam die Münchner Filmhochschule, schnell stellten sie fest, dass sie
       die gleichen filmischen Vorlieben haben. Es entwickelte sich eine Symbiose.
       Basedow weiß, wie Graf arbeitet, Graf erkennt, was Basedow mit seinen
       knappen, verdichteten Drehbüchern zeigen will. Das Handwerk von Polizei und
       Mafia, den Alltag. Und die Suche nach dem Glück. Das Große im Kleinen.
       
       "Im Angesicht des Verbrechens" nennt Basedow "die Summe unserer gemeinsamen
       Arbeit". Eine Serie, die in Verirrungen erzählt, die massenhaft lose Enden
       baumeln lässt und manche wieder zusammenbringt. "Man hat eine Vielzahl von
       Figuren, nicht alle brauchen ein Happy End", sagt Rolf Basedow über diese
       Unübersichtlichkeit. "Einige von ihnen schaffen es, sich zu behaupten.
       Andere straucheln." Für ihn ist das eine Befreiung von den Handschellen der
       Dramaturgie des 90-Minüters, sagt er. Hin zur Dramaturgie des Lebens.
       
       "Im Angesicht des Verbrechens", jeweils Freitags eine Doppelfolge um 21.45
       Uhr und 22.35 Uhr auf ARD
       
       22 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Sternberg
       
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