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       # taz.de -- Nach Gewalt bei "Stuttgart 21"-Demo: Kampf um die Bilder
       
       > Wie konnte es bei der Demonstration gegen "Stuttgart 21" am 30. September
       > zu Gewalt kommen? Polizei und Bahnhofsgegner ringen jetzt um die
       > Deutungshoheit.
       
   IMG Bild: Wasserwerfer gegen Demonstranten: Die Polizei räumt am 30. September den Stuttgarter Schlosspark.
       
       BERLIN/STUTTGART taz | Eine Woche nach den gewalttätigen
       Auseinandersetzungen im Stuttgarter Schlossgarten tobt eine Schlacht um die
       Bilder. Beide Seiten - Demonstranten und Polizei - erheben gegeneinander
       schwere Vorwürfe. Die Projektgegner kritisieren den überzogenen
       Polizeieinsatz.
       
       "Wer so etwas als verhältnismäßig bezeichnet, der disqualifiziert sich
       selbst und muss die politische Verantwortung dafür tragen", sagte Tobias
       Tegl von der Jugendoffensive gegen "Stuttgart 21" am Freitag bei der
       Präsentation neuer Videos. Die Polizei sagt hingegen: Die Gewalt ging von
       den Demonstrierenden aus.
       
       Mittlerweile gibt es überaus viel Filmmaterial, das die Ereignisse vom 30.
       September dokumentiert. Die Polizei verfügt allein über 80 Stunden
       Material, bei einer Pressekonferenz am Dienstag präsentierte sie kurze
       Aufnahmen, die ihre Version der Abläufe stützen sollen. Die jugendlichen
       Teilnehmer der Schülerdemo ließen sich mit der Veröffentlichung ihres
       Videomaterials mehr Zeit, lieferten dafür durchaus stichhaltige Belege. Die
       taz rekonstruiert anhand der Bilder das Geschehen.
       
       Wer hat angefangen? 
       
       Polizeiinspekteur Dieter Schneider sagte am Dienstag, der "massive
       Widerstand" von Protestierenden sei dem Polizeieinsatz vorausgegangen. Um
       11.53 Uhr habe die Einsatzleitung daraufhin den Einsatz von "unmittelbarem
       Zwang" - Wasserwerfer, Schlagstöcke, Pfefferspray - zugestimmt. "Sonst
       hätte der Einsatz abgebrochen werden müssen", rechtfertigt sich
       Polizeipräsident Stumpf: "Ein Einsatz zu einem späteren Zeitpunkt wäre noch
       umfangreicher und schwieriger geworden."
       
       Beweisvideos der Polizei zeigen unter anderem einen schwarz Vermummten beim
       Sprühen von Pfefferspray gegen Polizisten. Laut Zeitkennung stammt die
       Aufnahme aber von 14.00 Uhr, also deutlich nach der Eskalation durch die
       Polizei. Außerdem präsentierte die Polizei einen Filmausschnitt, in dem ein
       Feuerwerkskörper gezündet wird. Deutlich zu sehen ist aber, dass der
       geteerte Untergrund zu diesem Zeitpunkt nass ist - die Bilder wurden also
       vermutlich erst nach Beginn des Wasserwerfereinsatzes um 11.53 Uhr
       aufgenommen.
       
       Wer hat geworfen? Und womit? 
       
       Zunächst sollen es Pflastersteine gewesen sein. Dann hieß es nur noch,
       Gegenstände seien geflogen. Auf ihrer Pressekonferenz zeigt die Polizei ein
       Video, auf dem zu sehen ist, wie ein kastaniengroßer Gegenstand geworfen
       wird. Inspekteur Schneider kommentiert: "Hier kommt ein Steinwurf", um sich
       dann selbst zu korrigieren: "Pardon, Kastanie." Auf einem anderen Video
       soll angeblich wieder ein Stein aus der Menge geworfen worden sein. Doch
       Journalisten, die diese Videos zu sehen bekamen, waren sich einig: Das
       Objekt glich eher einer Alufolie.
       
       Gab es Übergriffe gegen Demonstranten? 
       
       Am Freitag präsentierten die Jugendlichen eine Sequenz, in der ein Polizist
       über die Absperrgitter lehnt und mit der Faust zwei Mal einen friedlichen
       Mann wegstößt. Direkt danach sprüht ein weiterer Polizist Pfefferspray in
       dessen Augen. Der Mann reibt sich etwas orientierungslos die Augen, in
       diesem Moment kommt ein dritter Polizist hinter das Gitter und schubst den
       Mann ein weiteres Mal. Einer andere Szene zeigt, wie einem offensichtlich
       friedlichen Jungen, etwa zwölf Jahre alt, von einem Polizisten mit
       Pfefferspray ins Gesicht gesprüht wird. In einem weiteren Ausschnitt wird
       ein Sitzblockierer von einem Polizisten festgehalten und von einem anderen
       kurz mit Pfefferspray besprüht.
       
       Stuttgarts Polizeipräsident Siegfried Stumpf sagte am Dienstag: "Es tut uns
       leid, dass das so gelaufen ist."
       
       8 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR N. Michel
   DIR N. Wirminghaus
       
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