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       # taz.de -- Bergsteigerdörfer: Der Geschmack der Berge
       
       > Der Aufstieg dort in den ursprünglichen Winkeln Österreichs ist auch für
       > Ungeübte zu schaffen
       
   IMG Bild: Oberstes Gebot der Bergsteigerdörfer: Idylle.
       
       Auf dem steilen Waldweg zur Grazer Hütte versüßen Heidelbeerhecken den
       Marsch. Doch wenige Stunden später ist man im Hochgebirge, wo das
       Murmeltier pfeift und die Gämsen über Felsen springen. Der Preber in den
       Niederen Tauern ist mit 2.741 Metern Höhe keiner der Giganten der
       österreichischen Alpenwelt: er überragt das Krakautal in der südwestlichen
       Steiermark, einen der verborgensten und ursprünglichsten Winkel des Landes.
       
       Der einzige Schilift wurde schon vor Jahren abmontiert. Im Winter werden
       weder Pistenraupen noch Schneekanonen eingesetzt. Der dosierte Einsatz von
       Technologie und der Verzicht auf expansiven Wintertourismus gehören zu den
       Kriterien, die der Österreichische Alpenverein (ÖAV) für die Gemeinden
       definiert hat, die als Bergsteigerdörfer besonders gefördert werden.
       
       Das Konzept gibt es schon seit mehr als fünf Jahren. 2008 gab es erstmals
       einen staatlichen Zuschuss von 700.000 Euro für drei Jahre. Krakau war von
       Anfang an dabei. Aus anfänglich 15 Dörfern sind inzwischen 17 geworden.
       Beherbergungsbetriebe sind für das Siegel Bergsteigerdorf genauso
       Voraussetzung wie die Existenz von Schutzhütten in den Bergen. Die Grazer
       Hütte, auf 1.897 Meter Höhe gelegen, bietet sich als Nachtquartier für die
       Besteigung des Preber an.
       
       Wer dort einzig die deftige Kost der klassischen Hütten erwartet, hat nicht
       mit Pächter Christian Dengg gerechnet. Der Gourmetkoch, der einst die VIPs
       des Formel I Rennzirkus bekochte und mit Schumachers und Bernie Ecclestone
       auf Du und Du war, hat sich aus der schrillen Welt der schnellen Autos und
       eitlen Promis zurückgezogen.
       
       "Seit acht Jahren habe ich eine Hütte gesucht", erzählt er. Durch Zufall
       erfuhr er vor zwei Jahren, dass die Grazer Hütte, unweit seiner
       Heimatregion Lungau, zu haben war. Jetzt kocht er seinen göttlichen
       Schweinsbraten und den - laut Eigenwerbung - flaumigsten Kaiserschmarrn der
       Welt. Dengg kocht nicht nur gut, die von ihm verwendeten Lebensmittel
       entsprechen auch dem von den Alpenvereinen Österreich, Deutschland und
       Südtirol vor wenigen Jahren geschaffenen Gütesiegel "So schmecken die
       Berge". Sie müssen regional eingekauft werden, vorzugsweise bei Bergbauern.
       
       Dengg legt den Ursprung seiner Zutaten offen: die Eierschwammerl
       (Pfifferlinge) und die Eachtling (Kartoffeln) stammen aus dem Lungau, auf
       der anderen Seite des Berges. Das Schweinefleisch ist vom Bauern im Tal,
       der Zwetschgenröster, unentbehrliche Beilage des Kaiserschmarrns: "von der
       Schwiegermutter".
       
       Die Krakau, die aus den drei Gemeinden Krakaudorf, Krakauebene und
       Krakauschatten besteht, hält seit 600 Jahren eine konstante Einwohnerzahl
       von 1.500 Menschen. Der karge Gebirgsboden, der wenig Getreideanbau
       erlaubt, aber durch die Almwirtschaft das Überleben der Viehzüchter
       garantiert, war während der Kälteperiode im 16. Jahrhundert so wenig
       ertragreich, dass die Gutsherren das Land ihren Leibeigenen überschrieben
       und sie damit zu freien Bauern machten.
       
       Strenge Regeln, die sich die Bauern selbst auferlegten, sorgten dafür, dass
       die Höfe nicht durch Erbteilung entwertet wurden. Genossenschaften und
       gelebte Solidarität sorgten für gemeinsames Überleben unter widrigen
       Umständen. Noch heute leben die meisten Bauern von ihrer Wirtschaft.
       
       Als in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts rundum die
       Schigebiete ausgebaut wurden, zogen die Investoren an der abgelegenen
       Krakau vorbei. Aus heutiger Sicht ein Glück. Ihr Kapital ist heute die
       unberührte Natur, die Wanderer, Bergsteiger und Schitourengeher anzieht.
       Bettenburgen und lärmende Discos sind den drei Gemeinden fremd.
       
       Der Lohn ist die Treue der Urlauber. "Manche Familien kommen seit 40 Jahren
       zu uns", freut sich Joseph Schnedlitz, der "Schallerwirt", der neben einer
       Pension mit Edelgasthof auch einen Tälerbus betreibt, der Gäste am Bahnhof
       abholt und an die verschiedenen Tourenziele heranbringt. Die Krakau zeichne
       sich durch besondere Energieflüsse aus, sagt Schnedlitz.
       
       Die Topografie des Tals verhindere, dass die Energie, die aus den Bergen
       und sieben Hochmooren kommt, abfließe. Verschiedene Punkte hätten speziell
       beruhigende oder belebende Wirkung auf den Organismus. Das habe sogar die
       Wissenschaft bestätigt. Ein Professor für Geomantie an der Wiener
       Universität für Bodenkultur schicke seine Studenten jedes Jahr in die
       Krakau, um die Energieplätze zu studieren.
       
       1 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
       ## TAGS
       
   DIR Reiseland Österreich
       
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