URI: 
       # taz.de -- Schiffbauer in der Krise: Deutschen Werften droht Ausverkauf
       
       > Trotz ausländischer Investoren stecken die Schiffbauer im Norden
       > weiterhin in der Krise. Neue Aufträge sind nicht in Sicht. ThyssenKrupp
       > beteiligt arabischen Investor an Kriegsschiffbau.
       
   IMG Bild: Ein Schiff macht noch keinen Aufschwung: Die Nordic-Werften kriegen kaum noch Aufträge.
       
       Die industriellen Flaggschiffe Norddeutschlands drohen "leer zu laufen",
       warnt die IG Metall: die Werften. Die meisten alten Aufträge sind bald
       abgearbeitet, neue kaum in Sicht. Als besonders heikel gilt die Situation
       bei den U-Boot-Bauern von ThyssenKrupp und bei den Nordic-Werften an der
       Ostseeküste.
       
       Ein Jahr nach der Übernahme der insolventen Nordic-Werften durch den
       russischen Investor Igor Jussufow herrscht bei der IG Metall eine
       "ungeheuer große Enttäuschung", sagt Gewerkschaftschefin Jutta Blankau:
       "Die Perspektive der beiden Standorte ist völlig offen." Bislang hat
       Jussufow in zwölf Monaten nur einen vorzeigbaren Auftrag an Land gezogen.
       
       Selbst dieser Tankerauftrag einer russischen Reederei kam nur zustande,
       weil Bund und Land eine Bankbürgschaft abgaben. Jussufow will "mehrere
       konkrete Projekte in der Pipeline" haben. Mittlerweile arbeiten auf den
       Nordic-Werften in Rostock und Wismar nur noch etwa 700 Leute, und Ende Juli
       liefen die Beschäftigungsgesellschaften für 1.200 frühere Werftarbeiter
       aus.
       
       41 Prozent weniger Umsatz 
       
       Nordic ist ein besonderer, aber kein Ausnahmefall. Der Umsatz der deutschen
       Werften brach im Krisenjahr 2009 um beispiellose 41 Prozent ein. Eine
       nachhaltige Besserung scheint, trotz einzelner Neuaufträge, selbst bei den
       wenigen Vorzeigewerften wie Meyer oder der Flensburger
       Schiffbau-Gesellschaft nicht in Sicht. Ein Dutzend Werften an der Küste
       funken SOS, die Hälfte dümpelt bereits durch ein Insolvenzverfahren.
       
       Der deutsche Schiffbau leidet unter der staatlich hoch subventionierten
       Konkurrenz in Südkorea und China. Schuld an dem Niedergang sind aber vor
       allem hausgemachte Probleme: Missmanagement, überholte Schiffstypen,
       Qualitätsrückstände und in den meisten Werften veraltete
       Produktionsverfahren.
       
       Branchenprimus ThyssenKrupp versucht sein Heil im Ausverkauf. Dabei war
       ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) erst unter politischer Hilfe des
       Kanzlers Gerhard Schröder als nationales Leuchtturmprojekt unter dem Dach
       des Stahlkonzerns aus Essen zusammengefügt worden. Alle folgenden
       Bundesregierungen erklärten bislang die Werften zu einer "strategischen
       Industrie" und zum technologischen Vorreiter wie Auto- und Flugzeugbau.
       Bund und Länder subventionierten die Branche seit den Neunzigerjahren mit
       Milliardenbeträgen.
       
       Doch ThyssenKrupp verkaufte nun die traditionsreichen Nordseewerke in Emden
       an den Windmüller SIAG und seine Werft in Rendsburg an den arabischen
       Investor Abu Dhabi Mar. Werften in Hamburg und Kiel sollen folgen. Der Deal
       mit den Arabern dürfte Ende des Monats vollzogen werden.
       
       Auch Rüstungsbereich betroffen 
       
       Pikant dabei: Auch der Rüstungsbereich ist betroffen. Abu Dhabi Mar und
       ThyssenKrupp gründen ein 50:50-Joint-Venture für den
       Überwasserkriegsschiffbau. Gleichzeitig bestätigt Thyssen-Krupp auf Anfrage
       Gespräche über den Verkauf von Hellenic Shipyards in Griechenland. Dort
       lässt ThyssenKrupp U-Boote zusammenschweißen. Dem deutschen Stahlkonzern
       blieben dann HDW und die U-Boot-Entwicklung. Doch auch hier scheint eine
       Beteiligung von Abu Dhabi Mar mittlerweile möglich. Die Firma ThyssenKrupp
       will sich an solchen "Spekulationen" nicht beteiligen.
       
       Abu Dhabi Mar könnte zum Weltmarktführer im militärisch brisanten Bau von
       Marathon-U-Booten aufsteigen. Eigentlich sind damit Sicherheitsinteressen
       betroffen. Das Außenwirtschaftsgesetz erlaubte es der Bundesregierung,
       einen Ausverkauf von TKMS zu stoppen. Aber wie im zivilen Schiffbau weigert
       sich die Bundesregierung, nachhaltig einzugreifen.
       
       20 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hermanus Pfeiffer
       
       ## TAGS
       
   DIR ThyssenKrupp
   DIR Werften
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Emdener ThyssenKrupp-Werft gerettet: Über Wasser gehalten
       
       220 Beschäftigte der Emdener ThyssenKrupp-Werft haben wieder eine
       Perspektive – zumindest für die nächsten drei Jahre. Milliardenauftrag der
       Bundesmarine in Aussicht.
       
   DIR Wie Werften Gewinne abwerfen: „Was schwimmt, das geht“
       
       Deutsche Schiffbauer machen auch ohne üppige staatliche Hilfen gute
       Geschäfte.
       
   DIR Maritime Tourismus-Branche: Dumpinglöhne auf dem Traumschiff
       
       Trendurlaub Kreuzfahrt: Die maritime Tourismusbranche boomt und qualmt aus
       allen Schornsteinen. Doch auf vielen Kreuzfahrtschiffen werden nur
       Dumpinglöhne gezahlt.