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       # taz.de -- Berlin zieht an: Die Touristenplage
       
       > Die Reisestadt boomt und damit der Eventtourismus. Das macht Touristen
       > Spaß. Und nervt Berliner.
       
   IMG Bild: Der rollende Tresen für exhibitionistische Trinker.
       
       Rollender Tresen für 16 Bierbäuche 
       
       Darauf hat die Welt gewartet. Ein rollender Tresen, samt Bierfass und
       richtigen Kerls. Saufen und schwitzen: So sehn Sieger aus, schalalalala.
       
       Dass der Ballermanntourismus endgültig in Berlin angekommen ist, hat der
       geplagte Ureinwohner einem Kölner zu verdanken. Der schickte 2007 sein
       erstes BierBike auf die Piste - und hat das Ganze gleich auch patentieren
       lassen. So sind also auch die Berliner BierBikes eine Art
       Franchiseunternehmen. Zwar legen die BierBiker viel Wert darauf, dass der
       Fahrer 0,0 Promille intus hat und die bis zu 16 Bierbäuche nicht mehr als
       10 Liter pro Stunde tanken. Doch diese Rücksichtnahme auf die Umwelt machen
       die BierBikes mit ihrem Dauergeklingel gleich wieder zunichte.
       
       Übrigens gilt das BierBike tatsächlich als Fahrrad und braucht keine
       Zulassung - und das in einem Land, in dem sonst alles geregelt ist. Bleibt
       als Verzweiflungstat nur noch ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit. Und
       die Hoffnung, dass die Prenzelberger nicht aufs Bionade-Bike steigen. WERA 
       
       Freizeitfaktor: Für alle Exhibitionisten super. 
       
       Nervfaktor: Da hilft nur eins: Bierfass kapern. 
       
       Breit, aber alkoholfrei 
       
       Zugegeben: Die Dinger nerven. Wer den runden Tisch auf Rädern überholen
       will, muss weit auf die Autospur ausscheren. So breit sind die
       Conference-Bikes, das selbst eine Fahrradrikscha schlank wirkt. Trotzdem
       sind die Dinger sympathisch. Einmal, weil sie, alles in allem betrachtet,
       weniger Platz brauchen. Sieben Touris auf einem Conference-Bike
       beanspruchen etwa vier Quadratmeter Straßenraum. Sieben Touris auf sieben
       Rädern brauchen dagegen so viel Platz wie eine Lkw-Kolonne.
       
       Die Siebenräder sind aber nicht nur nachhaltig, sondern auch sozial. Man
       kann plaudern, gucken, winken. Der New Yorker Künstler Eric Staller hätte
       seine 1989 kreierte soziale Plastik besser "Social Bike" genannt. WERA 
       
       Freizeitfaktor: Perfekt für ökologische Gruppenreisen. 
       
       Nervfaktor: Die Fahrer grölen selbst ohne Alkohol. 
       
       Auf und Ab auf dem Markt der Kutschen 
       
       Schwitzende Gäule - und die Kutscher rochen auch nicht immer nach Frühling.
       Vor einigen Jahren eroberte das Land die Stadt und lockte die Touristen mit
       einer Kutschfahrt. Fiaker Unter den Linden? Genau so wars. Neben einigen
       Anbietern aus Brandenburg tummelten sich auf dem Berliner
       Pferdekutschenmarkt auch solche aus Wien und Polen.
       
       Und nun? Alles vorbei. Fast. Grund war ein Unfall, bei dem drei Gäule
       durchgingen und den Kutscher mit sich schleiften. Im April 2009 beschloss
       der Senat deshalb mehrere Auflagen. Nicht mehr als 9 Stunden durften die
       Gäule unterwegs sein, Pausen im Schatten sollten sie haben, der Kutscher
       sollte ein Fahrtenbuch führen. So ist Berlin 2010 also fast fiakerlos. Ein
       Verlust? Eher nicht. Die Luft ist wieder besser, dem Fahrradreifen droht
       kein Pferdeapfel mehr. Politik kann also, wenn sie will. WERA 
       
       Freizeitfaktor: Nur für Romantiker. 
       
       Nervfaktor: Klakklakklakklakklakklakklak. 
       
       Der radelnde Gesangverein 
       
       Auf gehts zur "Third Reich/Nazi Germany Bike Tour" oder zur "All in one
       City Bike Tour": Rudelradeln von Anbietern wie "Fat Tire Bike Tours" oder
       "Berlin on bike" sind die Dauerbrenner unter den Touristenplagen.
       
       Vorne einer mit Signalweste, hinten auch, dazwischen ein radelndes Völkchen
       meist ohne Radfahrerfahrung, das überallhin glotzt, nur nicht auf den
       Verkehr. Wer den radelnden Gesangsverein überholen will, braucht viel
       Geduld und noch mehr Langmut.
       
       Angefangen haben die Stadtführungen auf zwei Rädern 2004. Damals hat Wollo,
       einst taz-Redakteur, Punk und Kreativmann in einem, "Berlin on bike"
       gegründet. Dass er nun die Einheimischen nervt und nicht mehr, wie in den
       80ern, die Touris - seis drum. Nur eines unterscheidet die Touriradler von
       der Kulturbrauerei von der Fat-Tire-Konkurrenz. "Nazi Germany Bike Tours"
       gibts bei ihnen nicht. Dafür hat Wollo "Osten ungeschminkt" ins Programm
       genommen. WERA 
       
       Freizeitfaktor: Touris in Bewegung, das ist gut für die Gesundheit. 
       
       Nervfaktor: Je größer, desto größer das Rudel. 
       
       Mobil dumm rumstehen 
       
       Irgendwie ist es zauberhaft, das "Segway" - und es scheint auch in Berlin
       beliebter zu werden. Dabei waren Rundfahrten nie im Sinne des Erfinders
       Dean Kamen. Eigentlich entwickelte er das Prinzip für einen
       Elektrorollstuhl, Codename: Fred.
       
       Heute zirkeln auf dem futuristischen Gefährt aus Plattform, Rädern und
       Haltestange Hunderte durch die Straßen. Ist der Akku im Gerät aufgeladen,
       fährt das Touri-Mobil in die Richtung, in die man sich lehnt. Wie
       Vogelschwärme ziehen sie vorbei, die organisiert unorganisierten
       Reisegruppen, bewegen sich (an)mutig durch die Stadt. Manchmal fahren sie
       nebeneinander, rotten sich an Engstellen zusammen. Und manchmal sieht man
       einen Fahrer, der sich an die Lehn-Technik noch nicht so ganz gewöhnt hat,
       Rodeo-like mit seiner Maschine kämpfen - Fremdschäm-Alarm.
       
       Fazit: Innovation oder Schnapsidee? Keine Ahnung, aber amüsieren kann man
       sich bei dem so gebotenen Anblick definitiv. FLT 
       
       Freizeitfaktor: Amüsant, nicht nur für Fahrer. 
       
       Nervfaktor: Wenigstens machts keinen Lärm. 
       
       Die Stadt als Auto-Zoo 
       
       Ganz Berlin ist ein Zoo - und die Berliner sind die Tiere. Von wo aus würde
       sich das besser beobachten lassen als aus der Trabi-Safari? Seit 2001
       tuckeln und stinken die bunt bemalten Kleinwagen durch die Stadt. Erst
       waren es nur zwei, mittlerweile sind es 80. Wer sich durch Mitte bewegt,
       kommt nicht drum rum.
       
       Und wie das in einem Zoo so ist, gelten für Besuchte und Besucher nicht
       dieselben Regeln. Die Fahrzeuge dürfen dank Sondergenehmigung ohne Plakette
       in der Umweltzone unterwegs sein. Und die Trabi-Safari-Fahrer haben ihren
       Ausnahmezustand vorbildlich verinnerlicht. Sie missachten Radfahrer und
       Fußgänger genauso konsequent wie rote Ampeln. Von der Stadt dürften sie
       derweil nicht allzu viel mitbekommen, bei ihren Bemühungen, ständig auf den
       Vordermann fixiert zu sein, um auch ja nicht den Anschluss zu verlieren.
       
       Nur Fütterungsversuche wurden bislang nicht gesichtet. Wahrscheinlich
       trauen sich die Fahrer einfach nicht, im gefährlichen Berlin die Fenster
       nach unten zu kurbeln. SVE 
       
       Freizeitfaktor: Wer Berlin nur von der Straße aus kennenlernen will, mag
       Spaß haben. 
       
       Nervfaktor: Deutlich mehr gefährlich als nervig.
       
       24 Jul 2010
       
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