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       # taz.de -- Kolumne Vuvuzela 26: Dieser Albtraum ist Wirklichkeit!
       
       > Das war kein böser Traum, aus dem wir schweißgebadet erwachen. Es ist
       > Wirklichkeit. Und es gibt – o grausames Rad der Zeit! – es gibt kein
       > Zurück.
       
       Dieser Schmerz geht nicht vorbei. Mehr als 30 Stunden ist die [1][Schande
       von Durban] nun her, und es tut so weh, so weh, so unendlich weh – noch
       mehr weh als in jener schlimmsten 73. Minute der Menschheitsgeschichte, in
       der Zauber-Mörder-Puyol (32, 178 cm) mitten in unser Zauber-Herz stach.
       Denn allmählich begreifen wir: Das war kein böser Traum, aus dem wir
       schweißgebadet und doch mit dem glücklichen Gefühl, dem Schrecken entronnen
       zu sein, erwachen könnten. Dieser Albtraum endet nicht, denn er ist
       Wirklichkeit. Und es gibt – oh grausames Rad der Zeit! –, es gibt kein
       Zurück.
       
       Die kolossale Größe des Verlustes, die wir erst langsam zu verstehen
       beginnen, übertrifft alles, was ein Zauber-Herz, was 80 Millionen
       Zauber-Herzen zu erdulden vermögen. Und: Selbst wenn wir es wollten, können
       wir es dieser Gurken-Truppe (ausgenommen: Miro Klose, 32) nicht verzeihen,
       dass sie unseren Traum von einem
       [2][Sexy-Chilly-Funky-Punky-Trendy-Super-Duper-Knuddel-Wahnsinns-Zauber-Mär
       chen-Deutschland] so kaltblütig ermordet hat.
       
       Vorbei jene Tage, in denen [3][Deutschland nach Himbeereis schmeckte]; eine
       Unendlichkeit weit entfernt das Leben in Leichtigkeit, Frohsinn,
       Gemeinschaft, Glück; wie ein Spuk verflogen aller Zauber, der uns in seinen
       süßen Bann zog.
       
       Wir tragen Trauer, und die ganze Welt (ausgenommen: spanische Mörderbande!)
       teilt unser Leid. Niemand unter uns, der nicht, ohne einen Augenblick zu
       zögern, sein Kostbarstes, sein Liebstes, sein eigen Leib und Leben mit
       Freuden hergäbe, wenn er dadurch die Schande von Durban ungeschehen machen
       könnte!
       
       Alles Lachen ist verstummt, jedes Gespräch erstarrt, jede Tätigkeit ihres
       Sinnes beraubt, schwarz sind unsere Zauber-Seelen. Niemand, der es wagen
       würde, dem anderen ins Gesicht zu sehen. Denn unerträglich ist der Anblick
       des Anderen, spiegelt und vervielfacht er doch unser eigen Leid.
       Schlaftrunkenen gleich versuchen wir, so gut es geht, unseren Pflichten
       nachzukommen.
       
       Allein: Es will uns nicht glücken. Wir sind benommen, jeder Willenskraft
       beraubt, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn zu
       essen, zu trinken oder zu reden. Ab und an finden wir die Kraft, ein paar
       Worte zu sprechen, versuchen dann, uns gegenseitig Trost und Erbauung zu
       spenden (2014!). Aber auch das will nicht gelingen.
       
       Denn tief in unseren Zauber-Herzen spüren wir: Unser Traum ist tot,
       bestialisch hingerichtet, grausam massakriert, unwiederbringlich verloren.
       Und keine irdische oder himmlische Macht, die unseren Schmerz lindern,
       keine Zerstreuung, die uns ablenken, kein Rausch, der uns mit Vergessen
       beglücken könnte. Eine tiefe Düsternis erfüllt das Land, ein Schmerz, der
       nicht vergeht. Ein Schmerz, der, ausgehend von unseren Zauber-Herzen, in
       unsere Zauber-Glieder fährt und in jeder Faser unserer Zauber-Körper so
       lichterloh brennt, dass uns noch das Höllenfeuer als Erlösung erscheint.
       
       In diesem dunkelsten, mit nichts und gar nichts vergleichbaren, schlimmsten
       Moment der Geschichte dieses Zauber-Landes, in dieser Stunde der
       unbeschreiblichen Not, des furchtbarsten Elends ringen auch wir nach
       passenden Worten, ohne sie zu finden.
       
       Wie gerne würden wir jetzt sagen: Grämet euch nicht, liebe Zauber-Fans,
       setzt euch nicht in eins mit dieser Versager-Bande, seid stolz auf euch!
       Wie gerne wären wir euch Labsal in eurer Qual. Wie gerne riefen wir euch
       zu: An euch hat es nicht gelegen! Euch trifft keine Schuld! Ihr seid die
       Besten! Die Zauberhaftesten! Eure Zauber-Herzen sind schön, edel und
       jungfräulich. Eure Zauber-Herzen sind so golden wie der Zauber-Streifen in
       euren Zauber-Fahnen! 
       
       Aber wir wissen, dass wir euch nicht trösten können, so wenig wie wir uns
       selbst trösten können. Wir wissen: Es gibt keinen Trost.
       
       Wir trauern.
       
       9 Jul 2010
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Deniz Yücel
       
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