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       # taz.de -- Fritz Teufel, der taz-Kolumnist: "Wodka mit Jod macht Wangen rot"
       
       > Fritz Teufel schrieb für die taz. Hier die Dokumentation einer seiner
       > Kolumnen aus dem Sommer 1986. Es geht um die Fußball-WM, irgendwie. Um
       > "Tschernobühl" und LSD.
       
   IMG Bild: In Ketten gelegt: Fritz Teufel und Gefolgschaft auf dem Weg zum Moabiter Gefängnis im August 1967.
       
       taz-Kolumne von Fritz Teufel, 12. Juni 1986
       
       Wer wird Weltmeister? 
       
       Socrates hat gesagt, Fußball sei im öffentlichen Leben von Mexiko und
       Barbarasilien viel zu wichtig, als daß man die Resultate den Fußballern
       überlassen dürfe. Die werden vorher ausgehandelt. Nun krümmen sie sich zwar
       wieder mit schmerzverzerrtem Grinsen auf dem grünen Rasen dort und der
       matten Scheibe hier wie die Regenwürmer in frisch umgegrabenener Scholle –
       doch sorgt eine weise Reschie dafür; der Ball bleibt unter Kontrolle!
       
       Daß der Meister als Kinderarzt wiedergekommen ist, der im Mittelfeld die
       Fäden zieht, spricht für seinen ironieversiegenden Spielwitz. Man darf
       gespannt sein, in welcher Form ihm diesmal der Schierlingsbecher kredenzt
       wird. Seine erste Amtshandlung bei der WM: den namensmäßig
       terrorismusverdächtigen spanischen Torhüter Carlos die Kugel ins Netz zu
       jagen, erwies sich alsmeisterlicher Schachzug. Aufatmen bei der
       Bundesanwaltschaft in Carlosruhe, Genugtuung im Weißen Haus, dickes Lob im
       Bayernkurier.
       
       Ein ganz witziger Schachzug von unserem Bundes-Träner wars ja auch, das
       Frankfurter Mulit-Würstchen überallmann als Reaktorwart und Bundesgauleiter
       nach Bonn zu holen. Gau macht schlau, und wie beim Faußball isses ratsam,
       alles bis ins Detail vorauszuplanen. So könnten etwa die an Krebs zu
       Erkrankenden rechtzeitig mit dem Mittwochslotto ausgelost werden. Wenn man
       die Feuerwehrleute im sowjetischen Fernsehen hört, die den Einsatz in
       Tschernobühl überlebt haben, denen geht’s ja so gut, daß man neidisch
       werden könnte. Wodka mit Jod macht Wangen rot. Schwarzer Afghan im
       Lebertran schützt Kinder gegen Strahlenwahn. Lottist Unsinn. Jeder hat ne
       Chance. Im weiteren Umkreis von Tschernowühl genossen wir das Inferno kühl.
       Der Juni ist so naß und kalt, den Bürgerkrieg probt die Staatsgewalt, dafür
       wird sie bezahlt. Wem nützen diese Bauzaunscharmützel? Fragt von hinterm
       Ofen das alte Fritzl. Tschernowühl hat doch gezeigt, daß von oben
       zugeschüttet wird. Wem also kommt die Aufgabe zu, die heimischen Akawehs
       zuzuscheißen? Den Vögeln!
       
       Nicht nur die Brüder Vogel von SPD und CDU, auch große Vögel wie Strauß und
       kleine Vögel wie Fink und ganz kleine wie mein ehemaliger Mitangeklagter
       ausm Lorenzprozeß Emsi Embi (MCMB = Mad Crack Mocking Bird), also Andreas
       Thomas Vogel, alles was fleucht und flattert – bei soviel drohende
       gereckten Gesäßen sind Kernkraftfreunde ganz verdattert.
       
       Nur einer freut sich ungeheuer in seiner Eigenschaft als Teufel am
       nuklearen Höllenfeuer. Ich gebs ja zu. Wehrlosen Kindern im süddeutschen
       Raum wurde schon in den falschen Fuffjajahren per Werbefunk eingehämmert:
       „PERSODENT MIT IRIUM MACHT DIE ZÄHNE SCHWARZ UND KRUMM!“ Also bellt Pluto
       der Höllenhund: Kernkraft macht uns kerngesund. Deutsche Akawehs sind die
       reinste Hurrahkawehs:
       
       Eine Kritikabwehrkanone und eine dreifache Doppelknautschzone, vier
       Kühlsüsteme, fünf Überrollbügel und kostenlos Strom aufm Armenhügel! Sechs
       Früh- und sieben Spätwarnsüsteme und dazu acht brühwarme Kreme-Töpfchen
       voll Irium, sowie neun Teelöffel Hoffmanns Stärke (LSD flüssig) – deshalb
       sind deutsche Kerkraftwerke WELTMEISTER-Werke. Das haben wir uns selbst
       eingebrokdorft und jetzt wird’s ausgelöffelt.
       
       Gehören radikale sozialistische Rüstungsgegnerinnen in den Staatsdienst
       oder in den Landwehrkanal? Fragt man Friedrich Zimmermann, dann fängt der
       gleich zu wimmern an: „Rosa Luxemburg war Zeitgeschichtlerin, ich bin auch
       Zeitgeschichtler.“ Insofern hat es ihn auch nicht gestört, Rosa Luxemburg
       mit dem Filmband in Gold zu schmücken.
       
       Heute würde Ingried Siepmann 42: Apothekerstochter aus Schwelm,
       Kommunardin, als sogenannte Bank-Lady verhaftet, im Austausch für den
       entführten Peter Lorenz in den Südjemen geflogen, bei einem israelischen
       Luftangriff auf ein Beiruter Palästinenserlager umgekommen – auch ein
       Lebenslauf, der danach schreit, in einem Meer von Druckerschwärze ertränkt,
       unter einem Berg von Zelluleutseligkeiten erstickt zu werden. Wie die
       Morgenröte in China war Ina.
       
       8 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fritz Teufel
       
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       an Fritz Teufel.