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       # taz.de -- Machtwechsel in Ostafrika: Es gibt ein friedliches Somalia
       
       > Der erste demokratische Machtwechsel nach fast zwei Jahrzehnten: Die
       > abgespaltene "Republik Somaliland" hat einen neuen Präsidenten gewählt -
       > nach internationalen Standards.
       
   IMG Bild: Hat die Präsidentschaftswahl in Somaliland gewonnen: Oppositionsführer Ahmed Mohammed Silaanyo.
       
       NAIROBI taz | Am Horn von Afrika sind gute Nachrichten selten. Umso
       glücklicher strahlte Essa Yusuf Mohammed, der Chef von Somalilands
       Wahlkommission, als er am Donnerstag die Ergebnisse der Wahl vom
       vergangenen Samstag bekannt gab. Der bisherige Oppositionsführer Ahmed
       Mohammed Silaanyo wurde demnach mit fast 50 Prozent der Stimmen zum neuen
       Präsidenten gewählt. Amtsinhaber Dahir Riyale Kahin erhielt hingegen nur
       ein Drittel der Wählerstimmen.
       
       "Diese Wahl ist sehr wichtig für Somaliland", freut sich Mohammed.
       Internationale Beobachter erteilten der Wahl ihren Segen. "Trotz einzelner
       Unregelmäßigkeiten war der Wahlprozess frei und fair", bestätigt der Brite
       Conrad Heine. Die Abstimmung, die am 50. Jahrestag der Unabhängigkeit
       Somalilands von Großbritannien stattfand, habe internationalen Standards
       entsprochen.
       
       Die friedliche Abwahl einer Regierung alleine ist in Afrika rar genug. Doch
       in Somaliland galten die Hindernisse als besonders groß. Kahin war 2003 mit
       nur 80 Stimmen Vorsprung vor Silaanyo Präsident geworden. Als sein Mandat
       fünf Jahre später auslief, verschob er die Wahl trotz Protesten mehrfach.
       Der Streit um die Erstellung eines Wahlregisters gipfelte in einem
       Faustkampf im Parlament.
       
       Dazu kommt das Hauptproblem Somalilands: Die 1991 als Abspaltung von
       Somalia gegründete Republik hat zwar eine eigene Flagge, eine Hymne und
       eine Währung, doch anerkannt wird sie von keinem Staat der Welt.
       Völkerrechtlich ist das ehemalige Britisch-Somaliland, das sich am 1. Juli
       1960 mit Italienisch-Somaliland zu Somalia vereinigte, eine abtrünnige
       Provinz Somalias, obwohl es der einzige Landesteil mit einer
       funktionierenden Regierung ist. Die Folgen erklärt der bisherige
       Außenminister Abdillahi Duale so: "Wir schaffen es, unser Land am Laufen zu
       halten, aber für die nötige Infrastruktur reicht es nicht."
       
       Im Wahlkampf hatte Amtsinhaber Kahin seinem Rivalen Silaanyo zu große Nähe
       zu Äthiopien vorgeworfen. Der jetzige Wahlsieger Silanyo sei außerdem zu
       einer Vereinigung mit dem Süden Somalias bereit, hieß es. Gestern erklärte
       Silaanyo, er werde mit Äthiopien weiterhin enge Beziehungen unterhalten,
       denn "die Äthiopier sind unsere Nachbarn und waren immer Freunde
       Somalilands".
       
       Die Frage der Rohstoffausbeutung im umstrittenen Grenzgebiet zu Puntland
       gilt als innenpolitischer Konfliktpunkt. Kahin wurde wiederholt Korruption
       vorgeworfen. Die in Somaliland vermuteten Rohstoffe - vor allem Öl und Uran
       - können trotz des relativen Friedens wegen der fehlenden internationalen
       Anerkennung nicht abgebaut werden.
       
       Dass kein Land Somaliland anerkennt, ist umso erstaunlicher, wenn man sich
       die Entwicklung im Süden des Landes ansieht. Den 50. Unabhängigkeitstag
       beging der Präsident der machtlosen Übergangsregierung in Somalias
       Hauptstadt Mogadischu, Sheikh Sharif Ahmed, an der Front gegen die
       islamistischen Rebellen. Auf Fotos, die Somalias Informationsminister
       persönlich verschickt hat, ist Ahmed zu sehen, wie er in Uniform vor Ruinen
       steht. Wie erfolgreich die Offensive gegen zwei von islamistischen Milizen
       kontrollierte Stadtteile verlief, ist unklar. Nach unbestätigten Angaben
       sollen seit Anfang der Woche acht Menschen getötet und mehr als achtzig
       verletzt worden sein.
       
       In einer per Email verbreiteten Jubiläumsansprache rief Sheikh Sharif Ahmed
       die Bevölkerung auf, durchzuhalten. "In den kommenden zehn Jahren müssen
       wir aufbauen, was wir in den vergangenen zwanzig Jahren zerstört haben."
       2020 sei das Jahr des nationalen Aufschwungs.
       
       2 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marc Engelhardt
       
       ## TAGS
       
   DIR Somaliland
       
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