URI: 
       # taz.de -- Tornado-Einsatz bei G-8-Gipfel: Freibrief für Bundeswehr im Inland
       
       > Karlsruhe will den Einsatz von Jets und Panzern in Heiligendamm nicht
       > prüfen. Eine Klage der Grünen wurde abgelehnt. In Deutschland sei die
       > Bundeswehr keine Parlamentsarmee.
       
   IMG Bild: Beim G-8-Gipfel im Juni 2007 hatten auf Wunsch des Landes Mecklenburg-Vorpommern Bundeswehr-Tornados in sieben Einsätzen Luftaufnahmen gemacht.
       
       FREIBURG taz | Die Bundeswehr kann im Inland auch ohne ausdrückliche
       Zustimmung des Bundestags eingesetzt werden. Dies hat jetzt das
       Bundesverfassungsgericht entschieden. Der Zweite Senat lehnte dabei eine
       Klage der Bundestags-Grünen gegen den Einsatz der Bundeswehr beim G
       8-Gipfel in Heiligendamm ab. Der Einsatz habe keine Rechte des Bundestags
       verletzt.
       
       Der Gipfel im Osteebad Heiligendamm war 2007 von massiven
       Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Auf Wunsch des Landes
       Mecklenburg-Vorpommern leistete die Bundeswehr technische Amtshilfe. Mit
       Tornado-Jets überflog sie das Gelände, auf dem auch Tausende von
       Demonstranten campten, um Erddepots und Manipulationen an Straßen zu
       erkennen. Zudem wurde das Gelände mit dem Spähpanzer Fennec beobachtet. Den
       Luftraum sicherten AWACS-Aufklärungsflugzeuge. Die Kanonen waren jeweils
       ausgebaut worden.
       
       Die Grünen rügten, dass der Einsatz der Bundeswehr ohne Mandat des
       Bundestags erfolgte. Sie beriefen sich auf ein Urteil des
       Bundesverfassungsgerichts, das 1994 einen Parlamentsvorbehalt für
       Auslandseinsätze der Bundesswehr erfunden hatte. Die Bundeswehr sei eine
       "Parlamentsarmee" argumentierten die Richter damals.
       
       Im Inland sehen die Verfassungsrichter die Bundeswehr nun offensichtlich
       nicht als Parlamentsarmee. Das Grundgesetz schreibe für Einsätze in
       Deutschland keine Pflicht vor, den Bundestag vorher um Erlaubnis zu fragen.
       So müsse ein Armeeeinsatz gegen Aufständische zwar abgebrochen werden, wenn
       der Bundestag dies verlange; der Einsatz müsse aber nicht vorab vom
       Parlament genehmigt werden. Deshalb wollen die Richter auch keinen
       Parlamentsvorbehalt vorschreiben, wenn die Bundeswehr Amtshilfe für die
       Polizei leistet.
       
       Auch mit ihrer zweiten Rüge hatten die Grünen keinen Erfolg. Hier machten
       sie geltend, dass der Einsatz der Armee in Heiligendamm generell
       verfassungswidrig gewesen sei, weil das Grundgesetz solche Einsätze im
       Umfeld von Demonstrationen nicht zulasse. Die Richter ließen dabei offen,
       ob der Einsatz verfassungskonform war und ob Grundrechte verletzt wurden.
       Die Klage wurde abgelehnt, weil der Bundestag (und damit auch die
       Grünen-Fraktion) durch den Armee-Einsatz jedenfalls nicht in eigenen
       Rechten beeinträchtigt wurde. Die Abgeordneten hätten keine allgemeine
       Rechtsaufsicht über die Regierung und durfte deshalb hier nicht das
       Verfassungsgericht anrufen.
       
       Gegen den Bundeswehr-Einsatz in Heiligendamm hätten nur betroffene
       Demonstranten klagen können, so die Richter. In Karlsruhe liegen jedoch
       keine entsprechenen Klagen vor. Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland
       bezeichnete das Urteil als "unbefriedigend". Es sei "paradox", wenn die
       Bundeswehr nur im Ausland als Parlamentsarmee angesehen werde.
       
       1 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Tornados über Heiligendamm: Einschüchterung mit Kampfflugzeugen
       
       Zwei Grüne klagen gegen den Tornado-Einsatz der Bundeswehr 2007 in
       Heiligendamm. Sie argumentieren, der Lärm sei schockierend gewesen.
       
   DIR G-8-Gipfel in Heiligendamm 2007: Prügelnder Polizist vor Gericht
       
       Unverhältnismäßige Gewalt angewendet? Ein Berliner Polizist ist angeklagt,
       weil er während des G-8-Gipfels 2007 in Heiligendamm einen Demonstranten
       geschlagen haben soll.
       
   DIR Kommentar Bundeswehr: Im Verteidigungsfall ohne Parlament
       
       Die Richter berufen sich in ihrem Urteil auf "Spannungen", die aber durch
       den Aufmarsch der Bundeswehr überhaupt erst erzeugt wurden. Das ist
       Paradox.