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       # taz.de -- Rechte Gewalt: Angst vor Nazi-Rockern in Lübeck
       
       > Am "Trauermarsch" der Rechtsextremen Ende März werden wohl auch Rocker
       > teilnehmen. Politiker denken angesichts des Gewaltpotenzials über
       > Demonstrationsverbot nach. Spruchreif ist das aber noch nicht.
       
   IMG Bild: Mischen sich bedenkenlos unter die Rechten: Rocker im Anmarsch.
       
       "Kein Vergeben, kein Vergessen", unter diesem Motto will die rechtsextreme
       Szene in Lübeck am 27. März einen "Trauermarsch" veranstalten. NPD und
       Freie Kameradschaften an der Treve wollen erneut den alliierten
       Bombenangriff von 1942 nutzen, um einzig der deutschen Opfer des Zweiten
       Weltkriegs zu gedenken und die Angehörigen von Wehrmacht und Waffen-SS als
       "die besten Soldaten der Welt" zu ehren. Seit Jahren ist dies ein fester
       Termin auf der Agenda der Rechtsextremen im Norden. In diesem Jahr werden
       sich aber wohl auch Rocker in den Marsch einreihen.
       
       "Der Polizei sind Aufrufe der ,Bandidos' bekannt", sagte Lübecks
       Innensenator Thorsten Geißler (CDU) gestern zur taz. Zudem hätten die
       Rocker ihre Sympathisanten per Internet aufgefordert, an dem Marsch
       teilzunehmen. "Diese Entwicklung werden wir jetzt sehr genau beobachten",
       sagt Lübecks Innensenator.
       
       Doch die Sicherheitsbehörden sind vorsichtig. Sich unmittelbar unter die
       Demonstranten zu mischen, kann sich die Polizei nicht vorstellen. Wohl aber
       wollen sie vor Ort Präsenz zeigen.
       
       Stefan Jung, Sprecher des Landeskriminalamts, weiß um die Gespaltenheit
       auch der Rockerszene. "Diese ,Motorradklubs' wollen nicht Politik, sondern
       Profit machen", sagte Jung der taz. Seit Monaten schon kämpften zwischen
       Nord- und Ostsee die "Bandidos" und "Hells Angels" um Markt und Macht. Jung
       betont: "Wir rechnen diese Rockerklubs der organisierten Kriminalität zu."
       Ihre kriminellen Geschäfte machten sie mit Drogenhandel, Waffendeals,
       Schutzgelderpressung und Prostitution.
       
       Im Norden hat sich nicht nur Peter Borchert, einst NPD-Chef
       Schleswig-Holsteins und später Anführer der "Aktionsgruppe Kiel", den
       "Bandidos" angeschlossen. Auch einige Rechtsextreme aus dem Umfeld des
       Neonazizentrums "Club 88" in Neumünster kommen jetzt als Rocker daher.
       Einer von ihnen ist Alexander Hardt. Er ist ein Freund Peter Borcherts und
       trägt die schwarze Lederweste mit den Rot-Gelben-Schriftzug der "Bandidos".
       Anders als Borchert hat Hardt bislang allerdings nicht nachweislich mit
       Waffen gehandelt. Er war aber an der strafrechtlich verfolgten Produktion
       des Rechtsrock-Projekts "Kommando Freisler" beteiligt, das
       NPD-Bundesvorstandsmitglied Thorsten Heise initiiert hatte. Im Internet bot
       Hardt zudem einen "Polenschlüssel" an - einen Generalschlüssel, wie ihn
       Autodiebe benutzen. Als Büroanschrift diente der "Club 88".
       
       In den Krieg zwischen "Bandidos" und "Hells Angels", in dem Borchert
       mittendrin steckt, wollen andere Rechte aus den Kameradschaften allerdings
       nicht hineingezogen werden - wohl aus Sorge, zwischen die Fronten zu
       geraten. Der "Nationale Widerstand Schleswig-Holstein" erklärte am Sonntag
       jedenfalls auf dem Szeneportal "Altermedia": "Wir pflegen auch weiterhin
       unsere Kontakte und Freundschaften in den Reihen der MCs in
       Norddeutschland." Aber, so hieß es weiter, "wir lassen uns vor ,keinen'
       Karren spannen, wir supporten niemanden!".
       
       In Lübeck hat die Angst, dass auch Rocker am "Trauermarsch" der
       Rechtsextremen teilnehmen könnten, unterdessen eine neue Verbotsdiskussion
       ausgelöst. "Wenn sich eine Beteiligung der Rocker abzeichnet, müsste der
       Marsch verboten werden", sagt Thorsten Fürther, Innen- und
       Rechtsextremismusexperte der schleswig-holsteinischen Grünen. Denn diese
       Männer seien bewaffnet. Das bedeute eine neue Gefahrenlage, die zu einem
       Verbot führen könnte.
       
       Die Menschen an der Trave verlassen sich aber nicht auf mögliche Verbote:
       Schon vor Wochen hat sich ein Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften, Parteien
       und Antifa-Initiativen gegen den Marsch gebildet. Hier demonstrieren seit
       Jahren regelmäßig bieder gekleidete Damen neben schwarz angezogenen
       Jugendlichen gegen Rechtsextremismus. Eins ihrer Motti: "Wir können sie
       stoppen."
       
       15 Mar 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
   DIR Andreas Speit
       
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