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       # taz.de -- Ruanda: Drei Anschläge in Kigali
       
       > Drei Anschläge in Ruandas Hauptstadt Kigali. Die
       > Präsidentschafts-Kandidatin Victoire Ingabire-Umuhoza wird verdächtigt,
       > für die Taten mitverantwortlich zu sein.
       
   IMG Bild: September 2009 in Kigali.
       
       Blut gerinnt auf den Pflastersteinen. Passanten starren entsetzt auf das
       Gebüsch daneben, in dem die Granate explodierte. Sie werden von Polizisten
       weggedrängt, die die Kreuzung im Zentrum der ruandischen Hauptstadt Kigali
       mit Klebeband absperren. Drei Granaten explodierten am Freitagabend fast
       zeitgleich in der belebten Innenstadt: zwei fast unmittelbar neben dem
       zentralen Kreisverkehr. Die dritte nahe des Busbahnhofs, rund einen
       Kilometer entfernt. Die Bilanz: 30 Verletzte und ein Toter.
       
       Sechs Monaten vor den Präsidentschaftswahlen zeigen diese Anschläge: Das
       kleine Land im Herzen Afrikas ist nicht so stabil ist, wie es bislang
       schien. Seit Wochen brodelt es in der Hauptstadt, nachdem die
       Oppositionskandidatin Victoire Ingabire-Umuhoza aus ihrem Exil in Holland
       zurückgekehrt ist. Sie will bei den Wahlen gegen Präsident Paul Kagame, der
       Ruanda mit starker Hand regiert, antreten - als Kandidatin der Vereinigten
       Demokratischen Kräfte (UDF), einer Union von verschiedenen Exilgruppen. Sie
       und ihre Mitstreiter bemühen sich derzeit, die Partei in Ruanda zu
       registrieren. Die Gründungsversammlung soll am Freitag stattfinden.
       
       Die regierungsnahen Medien werfen Ingabire-Umuhoza, einer Hutu, vor, die
       "ethnische Karte" auszuspielen. Es ist in Ruanda gesetzlich verboten, sich
       zu einer ethnischen Gruppe zu bekennen. "Wir sind alle Ruander" lautet das
       offizielle Motto. Ingabire will dieser Politik nicht folgen. In ihrer Rede
       an der Genozid-Gedenkstätte in Kigali sprach sie nicht nur vom Völkermord
       an der Tutsi-Minderheit, sondern auch von Verbrechen, die Kagames
       Tutsi-Befreiungsarmee an den Hutu begangen haben soll. Seitdem wird ihr
       vorgeworfen, die Genozid-Ideologie zu verbreiten - was laut einem vage
       formulierten Gesetz hart bestraft wird.
       
       Die 42-Jährige verkriecht sich am Morgen nach den Anschlägen in ihrem
       Reihenhaus in einer der Neubausiedlungen am Stadtrand. In Kigali gehen
       Gerüchte um, sie sei für die Anschläge verantwortlich: "Ich habe Angst",
       gibt sie offen zu. Doch sie will den politischen Kampf nicht aufgeben.
       "Wenn Kagames Regierung so mächtig ist, warum hat sie dann Angst vor freier
       Meinungsäußerung", sagt sie.
       
       Seit ihrer Ankunft musste sie bereits zweimal der Polizei Rede und Antwort
       stehen. Ein aufgebrachter Mob attackierte Ingabire, ihr Assistent, Joseph
       Ntawangundi, wurde verletzt. Wenige Tage später wurde er von der Polizei
       verhaftet. Ein Haftbefehl gegen ihn sei von einem der traditionellen
       Gacaca-Gerichte ausgestellt worden, so Polizeisprecher Eric Kayiranga. Die
       umstrittenen Gacaca-Gerichte sind Dorfgerichte, die den Genozid von 1994
       aufarbeiten, bei dem über 800.000 Menschen, zumeist Tutsi, von Armee und
       Hutu-Milizen getötet wurden. Ntawangundi sei 2007 von einem dieser Gerichte
       in Abwesenheit zu 19 Jahren Haft verurteilt worden.
       
       Ähnliche Probleme haben auch die Mitglieder zweier weiterer
       Oppositionsgruppen: Der Gründer der Partei der Grünen, Frank Habineza,
       wurde persönlich bedroht. Die Registrierung seiner Partei scheiterte
       bislang an bürokratischen Hürden. Der Chef der registrierten Sozialen
       Partei Imberakuri, Bernhard Ntaganda, musste sich vor dem Senat wegen
       Genozid-Ideologie rechtfertigen. "Der politische Raum für Opposition ist in
       Ruanda sehr begrenzt", sagt Carina Tertsakian von der
       Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Ruanda. "In Ruanda kann
       man nicht frei seine Meinung sagen, daher haben viele Menschen Angst, diese
       Parteien zu unterstützen."
       
       Dies zeigte sich bei den Parlamentswahlen 2008: Kagames Partei Ruandische
       Patriotische Front (RPF) gewann mit deren loyalen Schwesterparteien 78,7
       Prozent. Regierungsnahe Zeitungen werfen Ingabire vor, mit der FDLR
       (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) liiert zu sein. Die ruandische
       Hutu-Miliz ist Sammelbecken für flüchtige Täter des Völkermords von 1994.
       Von den kongolesischen Wäldern aus führt die FDLR seit 15 Jahren Krieg
       gegen Kagames Regierung. Ein jüngst veröffentlichter UN-Expertenbericht
       besagt: FDLR-Militärkommandeure unterhalten regelmäßig Telefonkontakt zu
       Mitgliedern von Ingabire-Umuhozas UDF-Exilpartei in Belgien.
       
       Und: Sie selbst habe an einem Treffen verschiedener ruandischen Exilgruppen
       in Amsterdam teilgenommen, auf welchem auch FDLR-Mitglieder anwesend waren.
       Eine Verbindung zur FDLR-Führung in Europa ist nicht unwahrscheinlich.
       Ingabire-Umuhoza war einst Vorsitzende der Hutu-Exilpartei Sammlung für
       Demokratie und Rückkehr nach Ruanda (RDR), in der auch der in Deutschland
       inhaftierte FDLR-Chef Ignace Murwanashyaka seine politische Karriere
       begann. Deswegen wird Ingabire verdächtigt, mit FDLR-Führern die Anschläge
       in der Innenstadt von Kigali angeordnet zu haben.
       
       Ingabire streitet all diese Vorwürfe ab. "Wenn es möglich ist, die Probleme
       in Ruanda politisch zu lösen, dann hat auch die FDLR keinen Grund mehr, mit
       der Waffe zu kämpfen", sagt sie.
       
       22 Feb 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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