# taz.de -- Missbrauch am Canisius-Kolleg: Schuld ohne Sühne
> Der Missbrauch von Schülern war im Jesuitenorden seit Jahrzehnten
> bekannt. Den verantwortlichen Geistlichen droht dennoch keine
> Strafverfolgung.
IMG Bild: Canisius-Kolleg in Tiergarten
BERLIN taz | Obwohl der systematische Missbrauch von Schülern an der
Berliner Jesuitenschule Canisius-Kolleg einigen Geistlichen offenbar seit
Jahrzehnten bekannt ist, haben die Verantwortlichen keine strafrechtliche
Verfolgung zu befürchten. Die Taten des Paters Wolfgang S. sind laut
Staatsanwaltschaft aller Wahrscheinlichkeit nach längst verjährt.
Aus diesem Grund könnten auch die leitenden Jesuiten, die bereits seit 1981
von den Missbrauchsfällen gewusst haben sollen, rechtlich nicht mehr
belangt werden - etwa wegen Strafvereitelung oder Verletzung der
Fürsorgepflicht. Als letzter möglicher Lichtblick für die Opfer bleibt die
zivilrechtliche Klage auf Schadenersatz. Dirk Behrendt, rechtspolitischer
Sprecher der Berliner Grünen, betont: "Wenn die Opfer jetzt schnell vor
Gericht gehen, sollte ein Anspruch auf Schadenersatz in einigen Fällen noch
drin sein. Zivilrecht verjährt in der Regel erst nach 30 Jahren."
Der Jesuitenpater Wolfgang S., der am Canisius-Kolleg in Tiergarten
unterrichtet hat und seit 1991 in Chile lebt, soll zwischen 1975 und 1982
in mindestens 25 Fällen Schüler sexuell missbraucht haben. Nachdem der
derzeitige Canisius-Schulleiter vergangene Woche die Vorwürfe veröffentlich
hatte, meldeten sich Anfang der Woche auch mutmaßliche Missbrauchsopfer von
Schulen in Hamburg und im Schwarzwald, wo Wolfgang S. ebenfalls als Lehrer
tätig war. Leitenden Geistlichen des Jesuitenordens soll sich Wolfgang S.
bereits 1981 in einem Brief anvertraut haben, bestätigte Stefan Dartmann,
Ordensführer der Jesuiten in Deutschland.
Was genau die Jesuiten damals wussten und wie darauf reagiert worden ist,
müsse erst geprüft werden. Dass die Jesuiten den Pater nach seinen
Hinweisen auf den Missbrauch von Kindern nicht sofort anzeigten, sei
moralisch zwar verwerflich, strafrechtlich aber nicht relevant, sagt der
Rechtswissenschaftler Uwe Wesel auf Nachfrage der taz. "Es gibt in so einem
Fall keine Verpflichtung, die Straftat anzuzeigen."
Wenn, wie im Fall Wolfgang S., die Straftaten verjährt sind, seien der
Staatsanwaltschaft ohnehin die Hände gebunden, bestätigt Wesel. Laut dem
Experten werden Missbrauchsfälle an Schutzbefohlenen unter 14 Jahren zehn
Jahre nach der Volljährigkeit der Opfer nicht mehr verfolgt. Bei einem
Missbrauch von Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren, verjähren die Taten
bereits nach fünf Jahren.
Als Reaktion auf den Missbrauchsskandal an den Jesuitenschulen forderte die
Katholische Elternschaft Deutschlands (KED) am Dienstag eine Verschärfung
von kirchlichen Regelungen. Die 2002 von der Bischofskonferenz
verabschiedeten Leitlinien zum Umgang mit Missbrauch müssten verpflichtend
sein, sagte KED-Geschäftsführerin Elisabeth Brauckmann. Künftig sollten
auch diejenigen bestraft werden, die von Missbrauchsfällen wussten, sich
aber nicht um Aufklärung bemühten. Dass die Berliner Jesuiten die Fälle
verschwiegen, habe dazu beigetragen, dass die Taten verjährten und die
Täter lange ungestraft blieben, klagt Brauckmann.
2 Feb 2010
## AUTOREN
DIR Bernd Skischally
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