URI: 
       # taz.de -- Kommentar Gert-Rüdiger Hoffmann: Ohne Wahrheit keine Versöhnung
       
       > Ist der Tonfall in der aktuellen Stasi-Debatte nicht zu scharf? Nein. Die
       > Linkspartei hat Glück, unfallfrei durchs Wendejahr gekommen zu sein und
       > muss schleunigst aufräumen.
       
       Als Matthias Platzeck in Brandenburg eine rot-rote Koalition ansteuerte,
       gab es viele skeptische Stimmen. Denn mehr noch als in anderen
       Landesverbänden der Linkspartei haben viele Genossen in Brandenburg eine
       trübe Stasivergangenheit. Wenn Rot-Rot regiert, lautete die Befürchtung,
       gäbe es eine stillschweigende Generalamnestie. Eine Verdrängung der
       Vergangenheit findet ja nicht per Anordnung von oben statt, sondern durch
       sanfte Grenzverschiebung dessen, was als noch akzeptabel gilt. Und dass
       ausgerechnet der Exbürgerrechtler Matthias Platzeck zur Versöhnung aufrief
       – musste das nicht das achselzuckende Vergessen befördern?
       
       Doch dass Rot-Rot in Potsdam das Vergessen besiegelt habe, davon kann kaum
       die Rede sein. So viel Stasidebatte, so viel Aufmerksamkeit für die
       DDR-Biografien von Ostpolitikern gab es schon lange nicht mehr. Zuerst
       verzichtete die Fraktionschefin der Linkspartei, Kerstin Kaiser, die als
       19-Jährige für die Stasi gespitzelt hatte, auf ein Ministeramt, um Rot-Rot
       zu ermöglichen. Jetzt will die Linkspartei in Potsdam selbst, dass einer
       ihrer Abgeordneten sein Mandat niederlegt, weil er verschwieg, dass er sich
       einst als IM verpflichtete.
       
       Ist der Tonfall in dieser Debatte nicht zu scharf? Der Abgeordnete
       Gerd-Rüdiger Hoffmann hat vor 39 Jahren, als 17-Jähriger, bei der Stasi
       unterschrieben. Wäre nicht etwas mehr Nachsicht geboten bei einem IM, der
       kaum volljährig war? Doch. Aber solche Relativierungen setzen stets eins
       voraus: Die Akteure müssen reinen Tisch gemacht haben.
       
       Die Öffentlichkeit hat, zwanzig Jahre nach Mauerfall, in Sachen
       Stasivergangenheit ein Recht auf Ehrlichkeit. Appelle zur Versöhnung haben
       nur Sinn, wenn klar ist, um welche Schuld und welches Fehlverhalten es en
       détail und konkret geht. Ohne Wahrheit keine Versöhnung. Es scheint, dass
       dies in der Linkspartei noch nicht alle begriffen haben. Deshalb war es
       nötig, dass die Linkspartei in Potsdam jetzt einen scharfen Trennungsstrich
       gezogen hat.
       
       Die Linkspartei Ost hat ihre Drähte zu DDR-Nostalgikern und
       Stasiseilschaften nie gekappt. Sie hat es trotzdem geschafft, einigermaßen
       unfall- und skandalfrei durchs Jubiläumsjahr des Mauerfalls zu kommen. Dass
       sie ihre Vergangenheit ausgerechnet in dem Moment einholt, indem sie in
       Brandenburg an einer Landesregierung beteiligt wird, ist eine Ironie der
       Geschichte.
       
       24 Nov 2009
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Reinecke
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Stasi-Spitzel-Affäre in Brandenburg: Linkspartei fordert Hoffmanns Rücktritt
       
       Der brandenburgische Linkspartei-Abgeordnete, Gerd-Rüdiger Hoffmann, will
       trotz Stasi-Vorwurf im Landtag bleiben. Die Fraktion fordert hingegen, dass
       er geht.