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       # taz.de -- Gewässerschutz: Streit um Salzlauge
       
       > Der Düngemittelriese K+S verseucht Werra und Weser mit Kalilauge.
       > Versuche den Konzern zu stoppen, scheitern am Streit der betroffenen
       > Bundesländer. Vor allem Hessen und Thüringen stellen sich quer.
       
   IMG Bild: Hier fließt Salzlauge in die Werra - notwendiger Preis für Arbeitsplätze behauptet Kaliproduzent K+S.
       
       Seit Jahrzehnten dienen Werra und Weser als Abwasserkanäle. Die größten
       Probleme machen Schadstoffe aus der Landwirtschaft und salzhaltige Abwässer
       der Kaliindustrie. Allein der Düngemittelkonzern K + S produziert mit
       seinen Bergwerken in Nordhessen und Thüringen pro Jahr 14 Millionen Liter
       Salzlauge. Eine Hälfte wird in den Boden verpresst, die andere in die Werra
       gekippt.
       
       Die Brühe verseucht das Trinkwasser und dezimiert das Ökosystem bis hinauf
       zur Weser-Mündung. Betroffen sind fünf Bundesländer. Nun versuchen Politik,
       Umweltverbände und Fischer den Irrsinn zu stoppen. Doch K + S hält dagegen,
       mit List, Sturheit und dem Verweis auf 5.000 Arbeitsplätze.
       
       Der letzte Versuch das Dax-Unternehmen an die Kandare zu legen, ist auf den
       11. November datiert. Der Runde Tisch "Gewässerschutz Werra / Weser und
       Kaliproduktion", ein Gremium aus Politik, Wirtschaft, Kommunen und
       Interessengruppen, wollte
       
       K + S verpflichten, Verpressung und Verklappung im Jahr 2020 einzustellen.
       Stattdessen sollen die betriebsinternen Entsorgung auf den neusten Stand
       gebracht und die Restabwässer über eine 400 Kilometer lange Pipeline in die
       Nordsee geleitet werden.
       
       Die Idee scheiterte. Zu viele Parteien kochen in dem Gremium ihr eigenes
       Süppchen. Vorrangig Hessen und Thüringen, wo die meisten Arbeitsplätze
       liegen. Die Länder hatten schon im Vorfeld mit K+S eine Art Separatfrieden
       geschlossen. Er basiert auf dem, was die Propagandaabteilung des Konzern
       unter dem Slogan "Neue Integrierte Salzabwassersteuerung" verkauft. Das
       Wortungetüm besagt, K + S verpflichtet sich, 360 Millionen Euro in neue
       Technik zu investieren und die Salzwassermenge von 14 Millionen Kubikmetern
       im Jahr bis 2015 zu halbieren.
       
       Das hört sich gut an, ist aber vorsätzliche Augenwischerei. Denn wenn ein
       Teil der Lauge nicht mehr in den Untergrund gepresst werden kann, wird sich
       die Salzfracht im Flusswasser kaum verringern. Außer man baut eine
       Pipeline. Dazu mag sich K+ S nicht verpflichten. Das heißt "wir lehnen das
       nicht grundsätzlich ab", sagt Konzern-Sprecher Ulrich Göbel, doch man wolle
       so ein Projekt erst einmal auf Herz und Nieren prüfen. "Technisch,
       ökologisch und betriebswirtschaftlich." Vor allem betriebswirtschaftlich.
       Das Rohr kostet mindestens 500 Millionen Euro. Hessen und Thüringen hätten
       sich am runden Tisch mit der Pipeline durchaus anfreunden können, immerhin
       wären sie mit einem Schlag ihre Salzlauge losgeworden.
       
       Am Ende scheiterte die Einigung an Niedersachsen. Zum einen war
       Umweltminister Hans-Heinrich Sander stocksauer, weil er an der bilateralen
       Vorab-Kungelei nicht beteiligt wurde. Zum anderen hält er eine Pipeline für
       "völlig untauglich", um das Problem zu lösen. "Dann haben wir das ganze
       Salz in der Wesermündung", glaubt Sander. Das in der
       
       K + S-Lauge enthaltene Kalium und Magnesium fördere das Algenwachstum und
       "schädigt damit die Muschelbänke", präzisiert seine Abteilungsleiterin
       Almut Kottwitz.
       
       Ein Argument, das man in Bremen nicht nachvollziehen kann. Im Falle eines
       Pipelinebaus, weiß Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne), wird die Weser bei
       uns "dann wieder eine Qualität aufweisen, die es erlaubt, Weserwasser als
       Rohwasser für die Trinkwasserproduktion zu nutzen".
       
       Sander ist jedoch der Meinung, "K+S muss die Probleme vor Ort lösen". Er
       ist gegen die Pipeline, überhaupt gegen jede Kali-Einleitung, egal ob in
       die Nordsee oder in die Weser. "Ich wohne an der Weser und weiß wie es hier
       aussah, als die DDR ihre Kalilaugen in den Fluss kippte. Die Katastrophe
       will ich nicht nochmal erleben."
       
       Dass es ihm ernst ist, bezweifelt Christian Meyer, Naturschutzexperte der
       Grünen im Niedersächsischen Landtag: "Wenn Sander die Nordsee-Variante
       nicht schnellstens prüft, bleibt K + S tatsächlich bei der lokalen Lösung
       und das heißt, wie bisher, werden 200 LKW-Ladungen pro Tag in Werra und
       Weser gekippt."
       
       16 Nov 2009
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Quasthoff
       
       ## TAGS
       
   DIR Abfallentsorgung
   DIR Weser
       
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       Das Argument, diese Salze sind anders, weil sie kein Magnesium und Kali
       enthalten, stimmt. Aber das wird den an mit Schadstoffe aller Art
       gepökelten Fisch-und Pflanzenbestand nicht umbringen.