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       # taz.de -- Eisschnelllauf der Männer: Der Preis fürs Dabeisein
       
       > Um bei Olympia an den Start gehen zu können, haben fünf Läufer aus den
       > Niederlanden die kasachische Staatsbürgerschaft angenommen. Jetzt gelten
       > sie in ihrer Heimat als Illegale.
       
   IMG Bild: In den Niederlanden gibt es Tausende von Eisschnelllauftalenten - dank ausreichender Praxis auf zugefrorenen Kanälen. Da muss man schon mal den Pass wechseln, um noch bis Olympia zu gelangen.
       
       Der Weg nach Vancouver führt über Kasachstan! Christijn Groeneveld, Jorrit
       Bergsma, Arjan Stroetinga, Robert Bovenhuis und Rob Hadders erfanden
       keineswegs die Geografie neu - wohl entdeckten die niederländischen
       Eisläufer ein Hintertürchen, um im Februar an den Winterspielen in
       Vancouver teilzunehmen: Sie nahmen die kasachische Nationalität an. Die
       Langdistanzen der fünf Marathonläufer werden bei den großen internationalen
       Wettbewerben nicht gelaufen. Ein Umsatteln auf die kurzen Strecken kommt
       indes im Schlittschuhland Niederlande wegen der großen Konkurrenz nicht
       infrage.
       
       Bis vor Kurzem lief alles nach Plan. Ende Oktober landeten Bergsma,
       Stroetinga und Hadders bei den kasachischen Meisterschaften auf dem Podest.
       Letzte Woche jedoch kam von unerwarteter Seite eine Hiobsbotschaft, die das
       Projekt gefährdet: Die niederländische Einwanderungsbehörde begann sich für
       die Neukasachen zu interessieren. Der Grund: Wer freiwillig eine andere
       Nationalität annimmt, verliert laut Gesetz die niederländische. Ohne eine
       Genehmigung seien die angehenden Olympioniken damit in den Niederlanden
       illegal. Zudem fehle ihnen für die eben begonnene Rennsaison eine
       Arbeitserlaubnis. Die Ausländerpolizei hat inzwischen Kontakt zum
       niederländischen Schlittschuhverband KNSB aufgenommen.
       
       Die Sportler zeigten sich völlig überrumpelt: "Das hätte ich gerne vorher
       gewusst. Jemand aus Kasachstan sagte uns, dass alles in Ordnung ist", so
       der 25-jährige Hadders, der wie seine Kollegen weiter in den Niederlanden
       wohnt. Christijn Groeneveld gab an, sich nicht in die Sache vertieft zu
       haben. "Ich gehe davon aus, dass es stimmt, was die Teamleitung sagt."
       Ungläubig reagierte Jillert Anema, der als Trainer des Marathon-Rennstalls
       BAM Kontakte zum kasachischen Verband hat und den Deal seiner Läufer
       einfädelte: Was den Aufenthalt in den Niederlanden angehe, gebe es "keine
       Schwierigkeiten", so der renommierte Coach auf Anfrage.
       
       Zweifellos problematisch ist dagegen ein weiterer Aspekt: Robert Bovenhuis,
       der Einzige der fünf, der unlängst die kasachischen Meisterschaften
       absagte, gibt an, dort nie ein offizielles Dokument unterzeichnet zu haben.
       Seinen Pass erhielt er jedoch ebenso wie die anderen. Im Umfeld des
       niederländischen Schlittschuhverbands wird zudem gemunkelt, das
       Ausstellungsdatum der Pässe sei fingiert. Nach Aussagen einiger Läufer
       besteht der Kontakt nach Kasachstan erst seit wenigen Monaten. Die Pässe
       weisen sie derweil seit Anfang des Jahres als Kasachen aus. Für die im
       Februar stattfindenden Winterspiele muss die Staatsbürgerschaft mindestens
       ein Jahr alt sein.
       
       Unabhängig vom Ausgang des Falls wird einmal mehr deutlich, dass der
       Leistungssport in puncto Einbürgerung eine Nische darstellt. Die
       persönlichen Ambitionen von Athleten treffen dabei auf das Interesse
       zahlreicher Regierungen, sich über sportliche Leistungen zu profilieren.
       Lukrativ ist das Ganze im Erfolgsfall auch, und so lassen sich
       Staatsbürgerschaften oft zu Sonderkonditionen erwerben. Gerade im
       niederländischen Eisschnelllauf mit seiner enormen Leistungsdichte ist dies
       ein bekanntes Phänomen. Da die betreffenden Sportler besonders gern nach
       Belgien wechseln, ist "Schlittschuhbelgier" ein geflügeltes Wort geworden.
       Für Kasachstan steht Gleiches vorläufig nicht zu erwarten.
       
       11 Nov 2009
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Müller
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Boykott Katar 
       
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